Viel Kunst von allen Seiten

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Die Werkschau Kolo Mosers füllt zurzeit das Leopold-Museum.

Retrospektiven laufen immer wieder Gefahr, zuviel von all zu Ähnlichem zu bieten. Damit fadisieren sie die Besucher bereits im zweiten Raum und geben ihnen keine Chance, bis zum fünften oder sechsten Raum durchzuhalten. Da heißt es dann für Kuratoren und Ausstellungsdesigner viel Mühe aufwenden, um dem zu entkommen.

Bei der großen Werkschau, die das Leopold-Museum zurzeit Koloman Moser widmet, hat dieser die Gefahr von Eintönigkeit gleich selbst aus dem Weg geräumt. Der Hans Dampf in allen Kunstgassen hinterließ ein derart breit auf viele Kunstsparten ausgedehntes Œuvre, dass sich eher das umgekehrte Problem stellte, dies alles unter einem Namen laufen zu lassen.

Kolo, so die von ihm bevorzugte Kurzform seines Vornamens, wurde 1868 in Wien geboren und verbrachte seine Kindheit im weitläufigen Gebäude und Gelände des Theresianums, der Akademie für die österreichischen Aristokraten- und Beamtensöhne, an der sein Vater als Verwalter wirkte.

Zur Vielseitigkeit erzogen

Diese Welt im Kleinen sollte keinen unerheblichen Einfluss auf die spätere Laufbahn des Kolo Moser haben, wie er im Jahr 1916 in seinem Text Mein Werdegang, der sich auch im umfassenden und sehr empfehlenswerten Katalog findet, feststellt. "Man hat sich später oft über die Vielseitigkeit gewundert, mit der ich mich in die Technik der verschiedenen Handwerke und Kunstgewerbe hineingefunden habe, und daß ich die Tischlerei und Buchbinderei und die Schlosserei verstand und praktisch beherrschte. Das verdanke ich nur meiner Kindheit und den Dienern des Theresianums."

Freilich dachte der Vater zunächst nicht daran, dass Kolo ein umfassender Handwerker werden sollte, er sah für ihn eine Anstellung in einem Seifen- und Parfümeriegeschäft am Graben in Wien vor.Aber Kolo Moser hatte schon während des Besuchs der Handelsschule ohne das Wissen des Vaters Zeichenunterricht genommen und ebenso heimlich die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Wien bestanden.

Der Vater unterstützte, mehr oder minder vor vollendete Tatsachen gestellt, die künstlerischen Ambitionen des Sohnes. Kurz darauf starb er allerdings überraschend, und der 20-jährige Kolo musste sich nun das Geld für das Studium selbst verdienen. Er tat dies durch eine vielfältige Illustrationstätigkeit in unterschiedlichen Zeitschriften.

Nach Beendigung des Studiums ist Moser an allen wichtigen Neugründungen im künstlerischen Sektor in Wien nicht nur beteiligt, sondern federführend mit dabei. Von 1892 bis 1897 ist er Mitglied im Siebener-Club, einer Künstlervereinigung, aus der die Wiener Sezession hervorging. So ist er 1897 auch bei deren Gründung einer der Hauptproponenten und gestaltet den offiziellen Briefkopf der neuen Vereinigung. Für die Zeitschrift der Sezession, Ver Sacrum, liefert Kolo Moser rund 140 Illustrationen. Im Jahr 1900 wird er Professor für dekoratives Zeichnen und Malen an der Kunstgewerbeschule in Wien, eine Tätigkeit, der er bis zu seinem Tod nachgehen wird.

In der Wiener Werkstätte

Die drei Jahre später von ihm gemeinsam mit dem Architekten Josef Hoffmann und dem Finanzier Fritz Waerndorfer gegründete Wiener Werkstätte bringt ihm zumindest posthum internationale Bekanntheit. Diese viele Handwerkssparten umfassende Werkstätte als Abnehmer und Umsetzer seiner Entwürfe lässt Kolo Moser in den darauffolgenden fünfzehn Jahren seinen Hang zum "Tausendkünstler", wie ihn sein Freund, der Dichter Hermann Bahr genannt hat, voll ausleben. Das nötige Rüstzeug dafür war ihm ja seit Kindesbeinen mitgegeben.

Daher begegnet einem in der Ausstellung eine vielschichtige Künstlerpersönlichkeit. Zunächst der junge Maler, der noch dem akademischen Stil verpflichtet ist, aber bereits die Illustrationen zu Gedichten und besonders seine künstlerisch ausgeführten Grußkarten aus der Zeit des Siebener-Clubs zeigen nicht nur das fortschrittliche Kunstverständnis der jungen Künstler, sondern geben einen Vorgeschmack auf die Arbeiten für die Sezessionszeitschrift Ver Sacrum. Dieser "Heilige Frühling" wurde von keinem anderen Künstler so charakteristisch geprägt wie von Kolo Moser. "Seine Kreationen vertreten die Quintessenz des modernen Wiener Designs um 1900, sei es im Bereich der Flächenkunst, des Kunsthandwerks, der Mode oder der Interieurgestaltung", schreibt Marian Bisanz-Prakken im Katalog.

Viele Kunstformen gewählt

Die vielfältigen Exponate in der Ausstellung reichen von Stoffen über Geschirr und Möbel bis zu ganzen Interieurs, Schmuckgestaltungen, Briefmarken und Banknoten, Buchillustrationen und den dazupassenden Einbänden, Glasfensterentwürfen, Arbeiten für die Bühne von Theater und Oper sowie zur Malerei von Kolo Moser.

Ein eigenes Kapitel sind die beiden Engagements von Kolo Moser für den Kirchenbau. Die Entwürfe für die Heilig-Geist-Kirche in Düsseldorf kamen überhaupt nicht zur Ausführung, jene für die Kirche Am Steinhof von Otto Wagner sind zumindest in den Glasfenstern auch im Original zu bewundern. Dass er auch in diesem künstlerischen Feld einen tragenden Beitrag zu leisten imstande war, beweist der Ausstellungsraum mit den Entwürfen.

Kolo Moser. 1868-1918

Leopold Museum

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 10.9. tägl. 10-18, Do 10-21 Uhr

Katalog: Rudolf Leopold, Gerd Pichler (Hg.) Koloman Moser. 1868-1918. München 2007, 448 S., € 34,90

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