Vielschichtige Kunstwerke

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Schieles Frau Edith in einem bunt karierten Rock mit stark kunstgewerblichem Charakter und einem orange leuchtenden Oberteil -so kennen Sie das "Bildnis der Frau des Künstlers" nicht? Und doch war dies Schieles ursprüngliche Version, die er anlässlich des Ankaufs durch die Österreichische Staatsgalerie zu großen Teilen übermalte. Die Ausstellung "Wege einer Sammlung" zeigt nun neben dem bekannten Gemälde eine Rekonstruktion der farbintensiveren Originalversion -und anhand von zahlreichen weiteren Beispielen, dass viele Schiele-Gemälde unter der obersten Malschicht anders aussehen, als wir es gewohnt sind.

Dabei sind die Veränderungen, die Schiele vornahm, nur eines von mehreren Themen dieser Ausstellung. Im Zentrum steht die Sammlungsgenese. Man hat sich zum Ziel gesetzt, anhand von Inventarbüchern, Korrespondenzen, Tauschprotokollen, Rechnungen und Ähnlichem dem Besucher vor Augen zu führen, wann welche Werke Schieles in die Sammlung der Österreichischen Galerie Belvedere kamen respektive wieder aus dieser ausschieden. Leihgaben helfen dabei. Denn nicht selten führten die titelgebenden "Wege" Bilder auch weg vom Belvedere, durch Tauschgeschäfte mit Rudolf Leopold beispielsweise, als das "Bildnis Wally Neuzil" gegen den "Reinerbub" getauscht wurde. Andere verließen das Haus aufgrund von Museumsreformen und Restitution. Während Provenienz auch in dieser Ausstellung Thema ist, bleibt es bei dem Bild "Vier Bäume" bei der Anmerkung, dass das Werk in dieser Hinsicht eine Lücke aufweist.

Mikroskopische Betrachtungen

Was an dieser Ausstellung besonders reizt, ist das Detektivische im Hinblick auf die Machart einzelner Bilder. Alle Gemälde, die je Teil der Sammlung waren, hat man modernen kulturtechnologischen Untersuchungen wie digitalem Röntgen, UV-Strahlung, Infrarotreflektografie sowie Mikroskop- und Makroaufnahmen unterzogen. Die veränderten Details, die zum Vorschein kommen, erlauben Rückschlüsse auf Schieles Arbeitsweise.

So lassen beispielsweise Überarbeitungen von "Mutter mit zwei Kindern", in dem die Position der Mutter zuerst weiter links konzipiert war und ein Kind ursprünglich offene Augen hatte, vermuten, dass Schiele hier Schwierigkeiten bei der Kompositionsfindung hatte. "Tod und Mädchen", in dem Schiele die Trennung von Wally ver- arbeitete und den mit seinen eigenen Zügen versehenen Tod nach dieser greifen lässt, zeigte ursprünglich eine Frau mit entblößtem Gesäß. Ein historischer Abzug, der nun in der Ausstellung neben dem Gemälde hängt, präsentiert die erste Fassung. Auch kommt zum Vorschein, dass die Fingerstellungen und die Signatur ursprünglich anders waren und dass in der zweiten Malphase dicke, glänzende Ölfarben genutzt wurden und alles deutlich farbiger ausgeführt wurde als anfangs.

Die maltechnischen Forschungsarbeiten bringen neben den neuen Sichtweisen auf die Motive selbst auch zutage, wie Schiele mit Grundierungen experimentierte, wie er viele Malschichten übereinander legte und wo er freie Sicht auf die Leinwand ließ. So wird beispielsweise beim Porträt Eduard Kosmacks der unterschiedlich gestaltete Hintergrund zum Stilelement, das die Darstellung kontrastreicher macht und den intensiven Blick des Porträtierten noch unterstreicht. Die Hausdarstellungen aus Krumau wiederum sind ein Beispiel dafür, wie Schiele mit detaillierten Unterzeichnungen arbeitete, die teils sogar durchscheinen. Was summa summarum bleibt, ist ein besseres Verständnis dafür, wie alle Details in der schlussendlichen Bildkom-position zusammenwirken. Die Bandbreite der hier gezeigten Arbeiten reicht nicht von ungefähr vom 2003 angekauften Porträt Franz Martin Haberditzls, das der ehemalige Direktor Gerbert Frodl unter großen Anstrengungen erwarb, bis zum eingangs erwähnten ersten Kauf der Österreichischen Staatsgalerie, dem Porträt Ediths. War es doch Haberditzl, der Schieles Anregung ernst nahm, als dieser sagte: "Ich glaube, dass heute wenigstens ein Bild doch in der Staatsgalerie hängen könnte." Ob aber wirklich Haberditzl die eingangs beschriebenen Änderungen monierte, kann nicht mit Sicherheit belegt werden. Klar ist, dass mit diesem Ankauf der Grundstein für eine Sammlung gelegt wurde, deren bewegte Geschichte in der aktuellen Ausstellung anschaulich dargestellt wird.

Egon Schiele. Wege einer Sammlung Orangerie, Unteres Belvedere 19. Oktober 2018 bis 17. Februar 2019 täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr www.belvedere.at

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