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Vier Konzerte

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Das erste Abonnementkonzert der Wiener Philharmoniker dirigierte Lorin Maazel. Das Programm war zwei Werken von Richard Strauss gewidmet, darin der Meister titelmäßig den Humor und die Philosophie zu Themen gewählt hat. In Wirklichkeit handelt es sich bei der Orchestersuite „Der Bürger als Edelmann“ um (oft mit ganz wenigen Strichen) haarscharf getroffene Charakteristiken von Personen und Situationen aus dem gleichnamigen Lustspiel von Moliėre, in der Tondichtung „Also sprach Zarathustra“ (frei nach Nietzsche) um ein groß angelegtes Natur- und Seelengemälde oder, philosophisch ausgedrückt, um den (ungelösten) Widerspruch zwischen Natur und Geist. Natürlich ist „Zarathustra“ das bedeutendere Werk; dennoch verrät die oft spielerische Kleinmalerei in den neun Stücken der Suite in jedem Takt den überlegenen und lächelnden Gestalter und die acht seit der Uraufführung 1920 in Wien erfolgten Wiedergaben verdienten wohl eine Vermehrung. Das Orchester war mit Glanz und Laune bei der Sache, der Dirigent ließ sich keine Pointe entgehen und brachte diese „Kleinkunst“ in ihrer Weise ebenso souverän zur Geltung wie den großen Aufbau der symphonischen Dichtung mit ihren ganz anderen Voraussetzungen und Wirkungen.

Im Zyklus „Die große Symphonie“ spielten die Wiener Symphoniker unter Claudio Abbado Paul Hindemiths „Nobilissima Visione“ (Orchestersuite, 1938), eine pantomimische Deutung aus dem Leben des heiligen Franziskus, aber auch als absolute Musik durchaus eigenständig, mit archaisierenden Elementen, die indes von der musikalischen Atmo sphäre Hindemiths völlig absorbiert werden, Es folgte das „Konzert für Violine und Orchester“ von Alban Berg, trotz seiner anspruchsvollen Musik heute bereits ein Standardwerk der modernen Violinliteratur. Ricardo Odnoposoff musizierte den Solopart mit ebenso technischer Selbstverständlichkeit als ausdrucksmäßiger Fülle, die sich im exakt spielenden Orchester spiegelte, das unter der temperamentvollen und sicheren Führung seines Dirigenten mit den beiden Werken und der folgenden 5. Symphonie von Tschai- kowskij ein Spitzenprogramm zu unmittelbarer Wirkung brachte.

Mit Leos Janäceks „Sinfonietta" begann das erste Konzert des Zyklus „Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“. In seiner knappen Formulierung der fünf Sätze ist dieses Spätwerk des Komponisten tatsächlich ein Meisterwerk sowohl absoluter Musik, als auch seiner von Janä- ček selbst stammenden späteren inhaltlichen Deutung: ein Loblied auf die Stadt Brünn und auf die errungene nationale Freiheit. Es folgte das 3. Konzert für Klavier und Orchester von Bela Bartök, das er auf dem Krankenbett komponierte. Die letzten 18 Takte ergänzte Tibor Serly nach den Skizzen. Aber das Werk atmet Frische und Klarheit von fast klassischer Prägung, vermag die komplizierte Anlage zu einfacher Klangwirkung zu formen. Solist war

Hans Graf, mit dem Orchester (des österreichischen Rundfunks) in ständig wechselnder Facettierung verbunden, das der Dirigent Milan Horvat aufmerksam und sicher führte. Den Schluß bildete der „Psalmus Hungaricus" von Zoltan Kodaly, eine ebenso klare und schöne wie eindrucksvolle Wiedergabe aller Ausführenden, von denen Robert llosfalvy (Tenor) und der Chor des österreichischen Rundfunks vorbildliche Leistungen boten.

Edith Peinemann (Violine) und Jörg Demus (Klavier) spielten im Großen Konzerthaussaal Sonaten von Johannes Brahms (Nr. 2, A-Dur, Nr. 3, d-Moll und Nr. 1, G-Dur, op. 100, 108, 78) sowie den Sonatensatz c-Moll, op. posth. Schien anfangs das Klavier zu laut (der Riesensaal stellt die Kammermusik vor akustische Probleme), war der Ausgleich zwischen beiden Partnern gefühlsmäßig schnell gefunden. Beide musizierten gleichsam füreinander, und genauso war es richtig. Die stilistischen Nuancen der verschiedenen Schaffensperioden des Komponisten angehörenden Werke wurden mit fast intimer Sicherheit tragiert. Der große singende Geigenton fand seine Erwiderung (nicht seine Begleitung) vom Klavier her kontrapunktiert. Zwei Meister musizierten, und das Publikum dankte mit herzlichem Beifall.

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