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DER GRAUMELIERTE HERR mit dem Kopf eines Shakespeare-Herzogs hat allen Grund, sich zu freuen. Nach jahrelangem beharrlichem Bemühen kann Dr. Bruno Thomas, Direktor der Waffensamm-lung des Kunsthistorischen Museums, nun die Neuaufstellung der Bestände präsentieren, Mit beträchtlichem Raumgewinn, denn nun ist er nicht nur in den Sälen des ersten Stockwerks des „Corps de logis“ genannten Seitentrakts der Neuen Hofburg „Hauptmieter“. Auch die weitläufige restaurierte Halle der Prunkstiege, die Säulengalerie, hat er nunmehr zur Verfügung. Ein Teil der kaiserlichen Hofjagd- und Gewehrkammer, die Exposita aus dem 17. Jahrhundert, ist dort bereits zu sehen. In freistehenden Vitrinen präzise durchdachter neuester Konstruktion. Dr. Thomas' engster Mitarbeiter, Kustos Dr. Ortwin Gamber, auch er als Wissenschaftler international anerkannt, erwies sich hier als versierter Techniker.

Die nächsten Pläne für die Aufstellung in der Halle: chronologische Weiterführung bis 1918. In den Depots ruhen noch viele Waffen aus der Gewehrkammer des Hofes. „Als interne Einteilung haben wir die .Galerie Franz Joseph' und die .Galerie Franz Ferdinand' vorgesehen. Damit sind die Namen der beiden Bauherrn des letzten Flügels der Hofburg genannt“, erklärt Doktor Thomas.

GESAMTEUROPÄISCH IST DER CHARAKTER der Waffensammlung des Kunsthistorischen Museums, in Jahrhunderten entstand die größte fürstliche Rüstkammer der Welt. Ihre Genesis füllt Bände. Unter

Friedrich III. beginnt die systematische Sammeltätigkeit. Unter Maximilian I. und später bei der singu-lären Erscheinung Erzherzog Ferdinands II., des Regenten von Tirol, erreicht sie ihre Hochblüte.

IM MITTELALTER KRIEGSMASCHINE mit menschlicher Antriebskraft, wird die Rüstung während der Renaissance Denkmal ritterlicher Art und Tugend und zugleich repräsentatives eisernes Kostüm und Staatskleid: als Prunkharnisch. Gerüstet erscheint der Kaiser auf dem Reichstag, zahlreiche Harnische wurden von den berühmten Plattnern Innsbrucks und Augsburgs eigens für große Feiern geschaffen. Daraus erklärt sich auch die Existenz der habsburgischen Knabenharnische. Diese allmähliche, durch die allgemeine Entwicklung bedingte Funktionsverschiebung von der für den Gebrauch gefertigten Schutzwaffe bis zur rein künstlerischen und ideellen Wertung des Harnisches als Symbol des Ruhmes und der weltlichen Herrschaft, als bleibende Hülle des vergänglichen Leibes, fand in Ferdinands Ambraser „Armamentarium Heroicum“ ihren sinnfälligsten Ausdruck.

Im Typus des getriebenen Mailänder Prunkharnisches „all' antica“ hat uns das Secento Meisterwerke einer in Phantastik und Allegorik schwelgenden Kunstübung hinterlassen, die in direkter Folge zum barocken Bühnenkostüm überleitet.

Doch für den Menschen der Gegenwart kommt in dieser Rüstkammer des Abendlandes neben der historischen und ästhetischen Schau noch ein . anderer Aspekt zur Geltung: die technische Leistung der Plattner, das der menschlichen Gestalt angepaßte Präzisionsinstrument. Die Dichterin Gertrud Fussen-egger hatte sich bereits während der großen Innsbrucker Plattnerausstellung von 1954 Gedanken über eine solche neue Bewertung der Harnischkunst Gedanken gemacht: „Unser Blick liest die Knappheit und Genauigkeit der technischen Formen als wohlbekannte Chiffren der eigenen Umwelt ab... die Übersetzung des organisch Gewachsenen ins technisch Gehärtete.“ Nicht von ungefähr für eine Epoche, aus deren Arsenal der Weltraumfahreranzug der Nachwelt überliefert werden wird.

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FÜR SOLCHE ERÖRTERUNGEN findet man in Dr. Thomas einen temperamentvoll am Thema engagierten Gesprächspartner. Nur eines mag er gar nicht: billiges Sightseeing-Geblödel. Wenn da einer angesichts der Harnische in gewollt launischer Art den Bierzelt-Cantus zitiert: „Ja, so warn's, die alten Rit-tersleut'!“, dann blitzt in den Brillengläsern eine stumme Rüge 1 auf. Mit Recht.

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