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Volkskunde

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Passionsbrauch und Christi-Leiden-Spiel. Von Leopold Kretzenbacher. Otto Müller Verlag, Salzburg, 147 Seiten. — Frühbarockes Weihnachtsspiel in Kärnten und Steiermark. Von Leopold Kretzenbacher. Archiv für -vaterländische Geschichte und Topographie 40. Band. Verlag des Kärntner Geschichtsvereins, Klagenfurt. 129 Seiten.

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Passionsbrauch und Christi-Leiden-Spiel. Von Leopold Kretzenbacher. Otto Müller Verlag, Salzburg, 147 Seiten. — Frühbarockes Weihnachtsspiel in Kärnten und Steiermark. Von Leopold Kretzenbacher. Archiv für -vaterländische Geschichte und Topographie 40. Band. Verlag des Kärntner Geschichtsvereins, Klagenfurt. 129 Seiten.

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Weil ich mir eine ausführlichere Besprechung der beiden hochwertigen Arbeiten in Fachzeitschriften vorbehalte, sei hier nur kurz auf sie hingewiesen. Die erstgenannte Arbeit veröffentlicht erstmalig das steirische Passionsspiel des oberen Murtales mit 16 ganzseitigen Lichtbildern aus den Aufführungen von St. Lorenzen und Kärntnisch Laßnitz bei Murau und von den Kärntner Passionen in Metnitz, Sorg und Köstenberg. Dabei wird die aus St. Georgen ob Murau stammende, vermutlich von einem Geistlichen bearbeitete Handschrift des Jahres 1828 in extenso abgedruckt mit der großen Sorgfalt und Sachkenntnis, wie sie diesem vielversprechenden Erforscher des Volksschauspieles eignet. Die 63 Seiten umfassende Einleitung behandelt das Christi-Leiden-Spiel und den Passionsbrauch in den Südostalpenländern von ihrem Quellgrund in Liturgie und Kirche, in den sich zwischen die lateinischen Verse immer stärker die kultisch-religiösen Gestalten der volkstümlichen Jahrzeitspiele als Teufelsgestalten einflochten, bis die Sozialunruhen und die Glaubensspaltung diese geistig seelische Welt zerbrachen. Mit der Gegenreformation, der die eigentlichen Studien des Verfassers gewidmet sind, gelang es dann vor allem den Jesuiten und Kapuzinern, die aus Spanien und Italien kamen, in szenischen Prozessioneif und höfischen Schuldramen der Jesuiten, aus den „autos (actus) sacramentales“, die sich in Spanien und Portugal vom 13. Jahrhundert an immer stärker entwickelt hatten, über Italien und Tirol jene Passionsdarstellung nach Innerösterreich und darüber hinaus zu verpflanzen und in barocken Freilichtspielen kraftvoll zu beleben. Die volkstümlichen Kapuziner und die zahlreichen Bruderschaften, Fastenkrippen und theatralischen Kalvarien-berge trugen sehr dazu bei, daß sie vom Volk mit größter Hingabe aufgenommen wurden, und — in einer Wiederholung des mittelalterlichen Vorganges — neuerliche volkstümliche Ausgestaltung erfuhren. In dieser Form haben sie die Bauern über die ganze Zeit der oft brutalen Unterdrückung durch die Aufklärung, treu durch das ganze 18. Jahrhundert herübergerettet, in abgelegenen steirischen und kärntnerischen Gebieten bis heute.

Die zweite der genannten Arbeiten stellt meines Erachtens die bisher reifste und wertvollste Frucht der unermüdlichen Forschungen Leopold Kretzenbachers dar. Sie erstreckt die erwähnten, hier nur sehr flüchtig angedeuteten, unendlich mühevollen und weitausgreifenden Untersuchungen auf das frühbarocke Weihnachtsspiel und veröffentlicht erstmalig das Grazer Dialogspiel der Hirten von Bethlehem nach einer Reiner-Handschiift um 1600, die aus der Bibliothek des Gegenreformators Erzherzog Ferdinand stammt und wohl einen „dialogus“ darstellt, wie er von den Grazer Jesuitenschülern um 1600 bei Hof oder in der Domkirche aufgeführt wurde. Der deutsche Text enthält schon eine ganz Reihe von Bildern, Redewendungen und Versen, wie sie bis heute in unseren Krippen- und Hirtenliedern und in unseren bäuerlichen „Spielen von der gnadenreichen Geburt unseres Heilandes und Herrn“ weiterleben. Andere Verse zeigen deutlich die spanisch-italienische Herkunft aus den romanischen Vorbildern, besonders aus den „estilo pastoril“, des spanischen Dramatikers Juan del E n c i n a (1469—1534), auf den schon vor hundert Jahren der große Grazer Germanist Karl W e i n h o 1 d hingewiesen hatte.

Nicht minder bemerkenswert sind die ebenfalls hier erstmalig veröffentlichten Klagenfurter Weihnachtsspiele des Johannes Haiden, die in lateinischen und deutschen Versen abgefaßt sind und abermals Dialogspiele (datiert 1617) darstellen, die wieder dem Erzherzog Ferdinarid und seinen Kindern gewidmet und vielleicht von diesen am Hofe gespielt worden sind. Johannes Haiden war Sekretär des Kärntner Landeshauptmannes, ein hochgebildeter Mann, ein poeta doctus von seltener Eleganz des Lateins nach Humanistenart, dessen deutsche Verse, die keineswegs Ueberset-zungen darstellen, eine bewundernswerte Innigkeit volkstümlicher Auffassung kundtun.

In einem sehr schönen Schlußkapitel „Vom romanischen Modespiel zum innerösterreichischen Volksbarock“ zeigt dann Kretzenbacher den „großartigen Vorgang der Verinnerlichung und herzenswarmen Erfüllung“ dieser Spiele auf, die sie besonders im Bereich der Benediktinerorden der österreichischen Alpenvorlande, sowie Steier-marks und Kärntens durch das Volk erfuhren, und die sie „aus europäischem Hochkulturgut zum heimatlichen österreichischen Voiksbarock formten“.

Die brennende Lampe. Roman um Maria Lichten-egger. Von Rudolf Ernst N e a m a n n. Verlag Styria, Graz. 228 Seiten. Preis 45 S.

Das grelle Bild des Buchumschlages wirft eine Frage auf: Kann „die brennende Lampe“, das „veralterte Symbol der Landunschuld“, die gleißenden, schreienden Lichter der Stadt-Nachtwelt überstrahlen? Geht von der schmutzgeladenen, notbedrückten Atmosphäre der erzählten Rahmenhandlung eine gnadene Brücke hinüber an das ganz andere Ufer? Wird die erschreckend spürbare Spannung zum unheilbaren Riß oder zum heilbringenden Brückenbogen?

Die Fragen sind nicht müßig gestellt, denn der buntwirbelnde Rahmen, den der Roman um das lichte Mädchenbild legt, ist nicht bloß journalistischer Kunstgriff. R. E. Neumann hält das Bild der einfachen steirischen Mädchengestalt für tragfähig, in den krassesten Gegensatz gestellt zn werden, für berufen, das Chaos der heutigen wirren Welt zum Gottesfrieden eines geordneten Kosmos zu fühlen.

Der Roman überzeugt, daß Maria Lichtenegger diese Sendung hat und erfüllt. Damit hebt sich ihr schlichtes Leben und Sterben hoch hinaus über eine gewöhnliche, duftige, anmutige, fromme Er-

baulichkeit. Ein neuer Typ von Heiligkeit kündet sich an, dessen Sprache auch der stur gewordene Mensch noch vernehmen kann und muß.

Das Leben des Mädchens wird nach den authentischen Quellen erzählt. Es braucht keine Reflexionen oder Ausschmückungen der Phantasie. So wie es ist, gibt es Antwort auf die obigen Fragen und läßt das Geheimnis der Gnade erahnen: Auch unter einfachsten Verhältnissen ist es möglich, ein Leben in herrlicher Größe zu vollenden; auch alle pulsende Lebenskraft und strahlende Schönheit kann eine „brennende Lampe“ hüten; heilig und fröhlich sein schließen sich nicht aus, sondern ein.

An diesem Buch wird wahr: Gegensätze berühren sich! Rupert Müller SJ.

Die leuchtende Straße — Das heimliche Königreich. Ein Buch für Buben bzw. Mädchen über das Geheimnis des Lebens. Von Berthold Lutz. 7. Auflage. Arena-Verlag, Würzburg 1953. Je 125 Seiten.

In schöner, packender, gleichnisreicher Sprache werden neue Erlebnisse und Fragen des Reifealters geklärt, gedeutet und meisterhaft benützt,

wähl aus Riemerschmids „Hervorbringungen“ — wie er sie selbst bescheiden nennt — aus dem letzten Jahrzehnt, die an den „Boten im Zwielicht“ anschließen. Riemerschmied, vor allem durch seine ausgezeichneten Uebersetzungen aus dem Englischen und Französischen bekannt, schreibt Gedichte, die das Ergebnis eines kühlen, wägenden Geistes sind, der jedes Wort bewußt und mit feinstem ästhetischem Empfinden setzt. Jedes seiner Gedichte verrät die Kenntnis der modernen Engländer und Franzosen und, was man nur von wenigen Hervorbringungen seiner in Oesterreich schreibenden Zeitgenossen sagen kann, auch formal die Herkunft von Strömungen des 20. Jahrhunderts. Bildhafte, plastische Wendungen, originelle Reime und reimähnliche Endungen (Tücher-Taucher) ergeben in Verbindung mit der klaren Diktion mitunter faszinierende, stets aber fesselnde Strophen. Besonders dankenswert erscheint die Aufnahme einiger Dichtungen in Prosa, von denen ein Impuls zur Wiederbelebung des bei uns leider viel zu wenig gepflegten reim-und strophenlosen Gedichtes ausgehen könnte. Am klarsten zeigt sich jedoch Riemerschmids Eigenart in seinen „Gedanken“, die in treffenden Aphorismen formuliert sind. Wieland Schmied

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