6583531-1951_31_11.jpg
Digital In Arbeit

Volkskunstfestspiele

Werbung
Werbung
Werbung

Vor zwei Jahren konnte der Verfasser eine richtige Innviertier Zeche, noch dazu aus der unmittelbaren Heimat Franz Stelzhamers, nämlich dem Dorfe Pramet, zum internationalen Volkslied- und Volkstanzkongreß nach Venedig führen; er hatte ferner kürzlich die Aufgabe, die Sing- und Spielgruppe oberösterreichischer Lehrer, Leitung Hans B a c h 1, zum nationalen Treffen der französischen Volkstumsgruppen nach Luxeuil in Burgund sowie zum internationalen Musikfest nach Llangollen in North Wales, England, zu bringen. Alle drei Veranstaltungen, obwohl zeitlich, sprachlich und räumlich getrennt, verwirklichen denselben bemerkenswerten Grundgedanken der Volkskunstfest-spiele in glücklichster Weise.

In Salzburg wird in einem einmaligen, durch Geschichte, Bauten und Landschaft gleich geadelten Rahmen erlesene Hochkunst von erlesenen Hochkünstlern geboten. In Venedig, Luxeuil und Llangollen hingegen wurde, ebenfalls in festlicher Umrahmung, erlesene Volkskunst von erlesenen Volkstumsgruppen gebracht. Hier bestritt ein Teil der erschienenen Festgä6te, nämlich die geladenen Volkstumsgruppen, selber das gesamte Programm, waren also Zuschauer und Kunstkräfte zugleich. Der Erfolg bestätigte in allen drei Städten die Werbekraft und Bedeutung solcher Festspielform.

In Venedig reiht sich vom Frühjahr bis Herbst eine Großveranstaltung an die andere. In den beiden stillen Landorten Luxeuil und Llangollen aber steilen die jährlich nur einmal wiederkehrenden Festtage den Höhepunkt des gesellschaftlichen wie geschäftlichen Lebens vor. Aber trotzdem stehen wirtschaftliche Erwägungen auch hier nicht im Vordergrunde des Festes. Ausschlaggebend blieb vielmehr in allen Fällen von der Gründung bi6 heute das ideale Streben, die verschiedenen Gruppen und sonstigen Besucher menschlich einander näherzubringen, um so Gegensätze zu überbrücken, Vorurteile zu zerstreuen und durch gleiche, schöne Erlebnisse um alle Gäste ein festes Band guter Erinnerung zu schlingen.

Solche stark stimmungsmäßige Ausrichtung der Festspiele wird mächtig gefördert durch ihre äußere Umrahmung. Venedig stellt seinen Festabend in den unvergleichlichen Umkreis des festlich erleuchteten Markusplatzes; Luxeuil verlegt seine Darbietungen in die natürlichen Freilichtbühnen seines Parkbades und Stadions; Llangollen baut hiezu eine eigene Festwiese auf, die mitten in der anheimelnden graugrünen Landschaft von Wales liegt. Alle drei Orte führen ihre Besucher also schon rein körperlich heraus aus dem gewohnten Alltag in eine andere festliche Umwelt, in der Uberzeugung, daß damit auch die seelische ' Umstellung angebahnt wird. Eine gut eingespielte, ja geradezu vorbildliche Organisation, in deren Reihen ein Großteil der Ortsbevölkerung steht, nimmt sich dabei der Fremden bis in die letzten Kleinigkeiten so unauffällig und geschickt an, daß diesen die Riesenleistung solcher Fürsorge gar nicht bewußt wird, sondern völlig selbstverständlich erscheint. Llangollen zum Beispiel zählte bei 3000 Ortsbewohnern 6chon am ersten Tage 33.000 Festgäste, also das Elffache seiner Einwohnerzahl (!), und verstand es, an fünf Abenden hintereinander das Festzelt von 8500 Sitzplätzen bis zum letzten Sessel zu füllen I

Selbstverständlich wäre weder in Italien noch in Frankreich und auch nicht in England

ein 6olch großzügiges Vorgehen möglich ohne ausgiebige Förderung durch die Behörden.

In Venedig wie Luxeuil verzichtete man klugerweise auf alles Vergleichen, Werten, Abschätzen und damit auch auf jedes Reihen und Preisrichtern. In Llangollen wurden — ein höchst nachahmenswertes Vorgehen — durch ein Preisgericht die Darbietungen aller am Wettbewerb teilnehmenden Gruppen genau nach ihren Vorzügen und Schwächen öffentlich besprochen, außerdem aber die drei besten jeweils mit Ehren- und Geldpreisen bedacht. Obwohl die Preisrichter gewiß nach bestem Wissen und Gewissen ihr heikles Amt versahen, löste ihr Urteil doch viel Kopfschütteln und manches Mißvergnügen aus. Es dürfte sich also empfehlen, in Hinkunft von jeder Preisverteilung abzusehen, dafür aber die Leistungen der Gruppen zu besprechen, vieleicht auch nach Punkten zu werten und

wohl auch jedem Teilnehmer ein Erinnerungszeichen zu spenden, wie es Venedig tat.

Presse, Rundfunk, Film nützten in allen drei Fällen die einmalige Gelegenheit gehörig aus. Am meisten und geschicktesten in Llangollen, wo auch die Österreicher hunderte Male photographiert, mehrmals gefilmt, von der BBC (British Broadcasting Company) zu einer eigenen Heimsendung für Österreich eingeladen, in den Zeitungen abgebildet und nach Kräften ausgefragt wurden. Außerdem konnten in Llangollen sämtliche Abendveranstaltungen durch die BBC über ganz England ausgestrahlt werden.

Wenn die bloß 17 Köpfe zählende Sing-und Spielgruppe oberösterreichischer Lehrer in Llangollen gegen eine Weltkonkurrenz von 24 Chören im Volksgesang mit 179 von 200 erreichbaren Punkten den fünften Rang ersingen; wenn 6ie im Volkstanz gegen 14 teilweise geradezu als reisende Berufskünstler zu wertende Gegner aus aller Herren Ländern mit 85 von 100 erreichbaren Punkten den sechsten Platz belegen konnte, so verdankt sie dies ihrer ausgezeichneten Leistung, die Lied, Jodeln, Mu6ik, Tanz, Spiel und Tracht in wohlausgewogenem Gleichgewicht umfaßte.

Und die Nutzanwendung auf Osterreich? Alle Vorbedingungen für ein gutes Gelingen ähnlicher Veranstaltungen auch bei uns wären gegeben. Zunächst verfügen wir über eine Fülle von Orten, die durch Landschaft wie Verkehrslage für Volkskunsttreffen wie geschaffen scheinen. Ferner besitzen wir in der bunten Viefalt unserer eigenen Volksüberlieferung einen schier unerschöpflichen Schatz, aus dem immer wieder neue kostbare Perlen gezeigt werden könnten. Wir kämen zudem durch das Verwirklichen eines solchen Planes dem Wunsche der Bevölkerung entgegen, die aus sich selbst heraus — es sei nur an die Feste der Trachtenvereine erinnert — Ansätze zu Volkstumstreffen bereits entwickelt hat. Schließlich erfreuen wir uns gerade in Österreich eines Stabes von geschulten Fachkräften, der wohl imstande sein 6ollte, mit fester Hand von vornherein solche Volkstums-festspiele in die richtigen Bahnen zu lenken und die gewiß bestehende Gefahr einer Schädigung oder Erniedrigung des Brauchtums zu bannen.

Begonnen müßte 6chön bescheiden einmal in einem Bundeslande werden. Gewiß wird sich auf Grund der dabei gemachten Erfahrungen die Veranstaltung bald zu einem-ge6amtösterreichschen Treffen ausweiten lassen. Und endlich legt es die Verkehrslage Österreichs nahe, auch über die Bundesgrenzen hinauszugreifen und damit internationale Volkstumsfestspiele zu schaffen. Nur ein schöner Traum? Kaum! Denn er ist im Ausland längst Wirklichkeit geworden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung