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Vom frühen Mittelalter hei

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Bregenz wird unter Theoderdch erwähnt. Zum Unterschied vom östlichen Österreich gibt es bei uns keine dunklen Jahrhunderte, nur einen Wechsel der Herrschaft. Als zu Beginn des siebenten Jahrhunderts die irischen Glaubensboten kommen, finden sie wohl Christen vor, haben aber von ihnen keine sehr gute Meinung. Bs handelt sich weniger um die Bekehrung von Heiden als vielmehr um die Besserung und Organisation der Christen. Auf einem merowingi-schen Reichskonzil ist der Bischof von Chur vertreten, dessen Stab auch über das heutige Vorarlberg gebot. Später ist das Land zwischen den Diözesen Chur und Konstanz geteilt; kleine Gebiete gehören zum Bistum Augsburg, zu den Stiften Einsiedeln und Wengarten. Das nach den Napoleonischen Kriegen geschaffene Provisorium besteht heute noch, trotz des Vorarlberger Wunsches, einmal zu einer eigenen Diözese zu gelangen.

Bregenz ist schon im frühen Mittelalter Herrschaftssitz. Die Udalrichinger gebieten von den Grenzen Graubündens bis zur Donau; es war ein richtiges Groß-Vorarlberg, das von Bregenz aus verwaltet wurde. 1182 gründete Graf Hugo von Tübingen das Haus Montfort und zugleich die heutige Oberstadt. Bregenz hat das Glück, daß die Oberstadt in ihrem mittelalterlichen Bilde erhalten blieb. Auf dem Martinsplatz oder auf dem Ehregutaplatz erlebt man eine ferne Vergangenheit. Es ist vor allem der Martinsturm, der weithin das Stadtbild beherrscht. 1952 wurde in der Martinskapelle ein Freskenzyklus aus dem 14. und 15. Jahrhundert freigelegt, worin vor allem der heilige Georg mit dem Drachen und der heilige Martin mit dem Bettler auffällt. Die Restaurierung ist ausgezeichnet gelungen. Zu St. Martin und in Damüls (in einem Seitental des Bregenzer Waldes) besitzen wir die schönsten mittelalterlichen Fresken Vorarlbergs. Die Oberstadt von Bregenz ist nicht nur wundervoll, wenn man vor ihren Fachwerkbauten steht, auch der Blick von dem zur Pfarrkirche St. Gallus führenden Wege über den Thalbach hinweg auf die scheinbar aus dem Felsen herauswachsende Oberstadt ist einmalig.

1451 kommt eine Hälfte der Stadt an Österreich, 1523 der Rest. Man vergißt im. Osten unseres Vaterlandes gerne, daß das Haus Habs-bürg nicht vom Osten nach dem Westen, sondern vielmehr den umgekehrten Weg gegangen ist. Der „arme Graf“ Rudolf war, als ihn die Kurfürsten zum König wählten, einer der mächtigsten Herren in einem Räume, der nach heutigen Begriffen zur Schweiz, zu Frankreich oder zur Bundesrepublik Deutschland gehört. Eigenartigerweise fehlte damals im Habsburgischen Länderkomplex das Gebiet des heutigen Vorarlberg völlig, doch mußte die Hausmachtpolitik zwangsläufig dahin gehen, die östlichen und die westlichen Lande zu vereinen. 1363 wurde die erste Herrschaft im heutigen Vorarlberg erworben, und nun geht die Landnahme in einem Dutzend weltgeschichtlicher Schritte bis zu den Zeiten Napoleons mit dem Ergebnis, daß Vorarlberg österreichisch wurde, aber alle weiter westlich gelegenen Lande verlorengegangen sind. Vergessen ist Österreich dort nirgends. Man findet die Doppeladler und Wappen in Süddeutschland, in der Schweiz, ja selbst zu Ensisheim im Elsaß,

Vorarlberg hat dem gesamten westeuropäischen Raum führende Barockbaumeister geschenkt, die Dynastien der Kuen, Thumb, Beer und Moosbrugger; es ist unerfindlich, wie man eine Ausstellung „österreichischer“ Barockkunst machen konnte, ohne Vorarlberg überhaupt zu erwähnen. Jenen kunstfrohen Zeiten entstammt die Pfarrkirche St. Gallus mit ihrem Frührokoko-Stuck, dem silbernen Altar und der Stuckkanzel verdankt das Kloster Thalbach seinen Schmuck, während der Hochaltar in der Seekapelle noch der Renaissance zugehört. Barocke Baulust vernichtete die romanische Kirche der Abtei Meh-rerau, deren Grandrisse im Juni 1962 freigelegt wurden und geradezu eine kunstgeschichtliche Sensation bedeuten.

Somit wandelt Bregenz auf den Spuren seiner größten Zeit, wenn vom 21. Juli bis 30. September 1962 im Künstlerhaus, dem alten Palais Thum und Taxis, die repräsentative Ausstellung „Barock am Bodensee — Architektur“ ihre Pforten öffnet. Die heurige Ausstellung zeigt die Leistungen auf dem Gebiete der Architektur. Das Material, das von rund 50 staatlichen, geistlichen und privaten Leihgebern aus Deutschland, aus der Schweiz und aus Österreich zusammengetragen werden konnte, vermittelt einen Einblick in den Reichtum barocker Bauschöpfungen — wie er in dieser Dichte für das Bodenseegebiet überhaupt noch nie gegeben wurde und auch im Vergleich zu anderen Barockausstellungen selten ist. Neben einer Vielzahl von Originalplänen werden auch die berühmten Originalmodelle für die Stiftskirche St. Gallen und für das Kloster Schussenried (Dominikus Zimmermann) gezeigt. Die zahlreichen Bildnisse der Baumeister und Bauherren lassen in der

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