Von der Begeisterung fürs Grüne

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Eine Schau im Wiener Liechtenstein Museum begibt sich auf die Spur der Ende des 18. Jahrhunderts aufgekommenen Gartenmanie.

Frühlingshaftes Licht und saftig grüne Bäume. Spaziergänger und Pferdekutschen bevölkern die Prater Hauptallee. Carl Schütz hat in seiner farbkräftigen Grafik aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Begeisterung der Wiener für den Prater festgehalten. Begonnen hatte die Freude an den volksfestartigen Aufenthalten in der Natur unweit des großstädtischen Treibens, als Kaiser Joseph II. das Jagdgebiet 1766 für die Öffentlichkeit zugänglich machte. Die gestaltete Freizeitlandschaft mit Unterhaltungsangeboten wie Ballonfahrten, Feuerwerken und Zirkusvorführungen war sogar so beliebt, dass der Kaiser die Notbremse ergreifen musste. Um den sonntäglichen Messbesuch nicht zu gefährden, wurde das gesamte Areal an "Sonn- und Feyertägen vor 10 Uhr Vormittags" gesperrt.

"Zurück zur Natur"

Dass diese Suche nach grünen Rückzugsorten keine Ausnahmeerscheinung war, sondern sich um 1800 wie ein Lauffeuer über ganz Europa verbreitete, zeigt die gleichermaßen kulturhistorisch profund erarbeitete wie erquickliche Schau "Oasen der Stille. Die großen Landschaftsgärten in Mitteleuropa" im Liechtenstein Museum. In den drei Damenappartment-Räumen sowie in der Bibliothek lässt sich in einem von Johann Kräftner und seinem Team erstellten Parcours die Landschaftsgarten-Entwicklung anhand von 200 Bildern, Grafiken, Plänen, Fotos und Skulpturen nachvollziehen.

Die Gartenmanie entstand gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als europäische Adelshäuser und später auch das aufstrebende Großbürgertum die geometrischen "französischen" Gartenanlagen aufgaben und stattdessen große Landschaftsgärten im "neuen englischen Stil" errichteten. Neben der Modernisierung und Auflockerung der strengen barocken Gartenanlagen zugunsten von malerischen Naturszenarien wurden auch ganze Landstriche gezähmt und gestaltet, was sich mitunter durch landwirtschaftliche Erträge auch wirtschaftlich positiv auswirkte. Der von Fürst Alois I. von Liechtenstein errichtete Park von Eisgrub fungierte als regelrechte Versuchsstation, wo man exotische Bäume pflanzte und in den künstlich angelegten Teichen eine erfolgreiche Karpfenwirtschaft betrieb.

Dass man der Natur wieder die Möglichkeit gab, wild und frei in Landschaftsgärten zu wachsen, anstatt sie wie noch im Barock zu domestizieren, hängt eng mit der damals so heftig diskutierten Philosophie Jean-Jacques Rousseaus zusammen. 1761 erschien sein legendärer Roman "Julie ou la Nouvelle Héloise", in dem er seiner Forderung nach einem "Zurück zur Natur" literarischen Ausdruck verlieh. In der Ausstellung weist eine Porträtbüste des klassizistischen Bildhauer-Stars Jean-Antoine Houdon darauf hin, dass Rousseau der geistige Kopf der Landschaftsgartenbewegung war.

Präzise Themenauswahl

Wie sehr Rousseau auch in Österreich seine Spuren hinterließ, spiegelt ein Briefwechsel Rousseaus mit Karl Graf von Zinzendorf wider, der schon früh rund um sein Schloss im Weinviertel eine weitläufige Gartenlandschaft im englischen Stil anlegte. Seine Begeisterung fürs Grüne hinterließ er in einer der ersten "romantischen" Naturbeschreibungen aus dem Wiener Raum in Form eines 1761 festgehaltenen literarischen Spaziergangs auf den Kahlenberg: "Die Aussicht hier ist charmant, man sieht das Schloss von Pressburg, die Straße nach Böhmen … die Donau … und im Süden den Berg der Kamaldulenser mit seinem schönen Wald, Laxenburg, Schönbrunn … Man sprach über Voltaire, d'Alembert und Rousseau."

Eine der Qualitäten dieser Schau liegt, abgesehen von hochkarätigen Exponaten und einem ausgezeichneten Katalog, auch in der präzisen Auswahl des Themas. Man spürt bei dieser Präsentation, dass sich hier ein Museum nicht irgendeinem publikumswirksamen Themenkreis widmet, sondern dass die Ausstellung eng mit der Geschichte des Hauses und der Sammlung verbunden ist. Schließlich gehörte die Familie Liechtenstein zu den Pionieren in Bezug auf die Errichtung von Landschaftsgärten. Zwischen ihren Besitzungen in Feldsberg und Eisgrub in Südmähren besaß sie den größten Garten Mitteleuropas - und auch die weitläufige Anlage hinter dem Museum in der Rossau verkörpert eine eindrucksvolle Synthese aus französischem Barockgarten und englischem Landschaftsgarten.

Des Kaisers Werkzeug

Zu den malerischen Highlights zählen Joseph Rebells Ölbild "Waldige Landschaft mit einem Tempel" (1809) oder Jakob Alts "Das Amphitheater bei Mödling" (1813). Rebells Ölbild ist aufgrund seines Kontrastes reizvoll. Inmitten einer idyllischen Ideallandschaft zeigt er Menschen, die sich nicht, wie sonst häufig auf Gemälden, harmonisch der Natur unterordnen. Vielmehr gehen sie ausgelassen feiernd und trinkend ihren Lastern nach. Alts fein gemaltes Aquarell interessiert, da darauf das südlich von Wien 1810 aus Bruchstein errichtete halbkreisförmige Gebäude zu sehen ist, das Elemente des römischen Kolosseums enthält. Es demonstriert, dass künstliche Ruinen ein Muss im englischen Landschaftsgarten waren.

Besonders begeistern auch die Alltagsgegenstände (das Gartenwerkzeug von Kaiser Franz II.), die kunstgewerblichen Objekte - etwa eine Porzellan-Tasse mit der Darstellung des Zirkus Bach im Prater oder die botanischen Studienblätter von Joseph Anton Bauer wie "Solanum pomum amoris" (1776-1804) - eine Art Zwitterwesen aus wissenschaftlichem Studienblatt und künstlerischem Aquarell.

OASEN DER STILLE.

Die großen Landschaftsgärten in Mitteleuropa

Liechtenstein Museum

Fürstengasse 1, 1090 Wien

www.liechtensteinmuseum.at

Bis 29. 9., So 10-17 Uhr

Katalog hg. von Johann Kräftner,

Wien 2008, 166 Seiten, € 18,-

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