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Von einem anderen Planeten

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Sechzehn gigantische Maschinenskulpturen mit glänzender silberner, goldener oder bronzener Oberfläche bevölkern derzeit das Erdgeschoß des Museums für angewandte Kunst. „Embryonale Aliens" nennt Direktor Peter Noever seine ungewöhnlichen Gäste. Allein der Transport der riesigen Objekte vom Atelier des Künstlers in der Böcklin-straße im zweiten Bezirk betrug zwei Wochen - der Keller der Ausstellungshalle mußte abgestützt werden, um den Biesenskulpturen einen entsprechenden Boden zu bieten. „Die Üngeborenen" nennt sich die große Personale des österreichischen Bildhauers und Akademieprofessors Bruno Gironcoli, die dem 61jährigen Künstler selbst erstmals einen umfassenden Überblick über sein Schaffen der letzten zehn Jahre vermittelt.

Er komme aus dem „vergangenen tausendjährigen chinesischen und elektrischen Zeitalter", sagt Bruno Gironcoli. Mit dieser Selbstcharakterisierung trifft er den Eindruck des Ausstellungsbesuchers, der sich beim Gang durch die Schau zu fragen beginnt, in welches Jahrtausend und auf welchen Planeten er nun versetzt wurde. Handelt es sich bei den bedrohlichen Maschinen um Überlebende der Urzeit oder um Boboter einer kommenden, menschenleeren Welt? Bruno Gironcolis raumfüllende Objektassemblagen beeindrucken und verstören.

Es gehört zum Merkmal des österreichischen Bildhauers, daß er Widersprüchliches zusammenfügt. So zeichnen sich seine Skulpturen durch barocke, geradezu manierierte Üppigkeit und dekorative Ornamentik*ge-nauso wie durch die glatte Fabriksästhetik des Maschinzeitalters aus. Vertraute Motive wie Puppenbabys, Edelweißblüten, Weintrauben, Ähren, Löffel, Teller und Schüsseln

findet man auf nahezu allen Plastiken wieder. Diese realistischen Details der Alltagswelt verbindet der Bildhauer mit geometrischen Grundformen und schafft so eine spannungsvolle, geradezu unheimliche Kombination aus Gegenständlichkeit und Abstraktion,

aus Symbolhaftem und Fomalem.

Im Mittelpunkt der megalomanen Arbeiten steht die Frage nach der menschlichen Existenz. Themen wie Geburt, Gewalt, Bedrohung, Sexualität, Einsamkeit und Tod ziehen sich durch Gironcolis Kunst. Ausgehend von frühen Aktzeichnungen Anfang der sechziger Jahre entwickelte der in Kärnten geborene Bildhauer jene „reduzierte Bumpfform", die bis heute einen Archetyp seines Werks bildet. Ab Mitte der sechziger Jahre entstand Gironcolis charakteristische Formensprache, die sich ab den achtziger Jahren zu immer gigantischeren Objekten verdichtete. In unermüdlicher Besessenheit schweißt der heute von einer schweren Krankheit gezeichnete Künstler aus Metall, Polyester, Preßspan und Gips ständig neue Maschinenwesen: „Nicht ein endgültiges Ideal, dem ich nachjage, ist für meine Arbeit als Voraussetzung notwendig. Würde sagen, in der Motorik des Handelns verdecke ich meine eigen Unruhe und Nervosität, das ist mir wichtig. Wichtiger als ein endgültiges Menschenbild, das ideale Züge trägt", meint Bruno Gironcoli.

Es fällt nicht leicht, sich nach Verlassen der Ausstellung an das Innenstadttreiben zu gewöhnen. 1 )ie gewaltigen Skulpturen gehen einem so schnell nicht aus dem Kopf - fast erstaunt es, daß man an keiner Ecke einem „Ungeborenen" begegnet.

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