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VON NEUEN BÜCHERN

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Martin Gusinde: Urwaldmenschen am Huri — Anthropo-biologische Forschungsergebnisse bei Pygmäen und Negern im östlichen Belgisch-Kongo aus den Jahren 1934 35. — Mit 99 Abbildungen im Texte und 2 Karten. VIII, 420 Seiten, Lex. 8", 1948. Preis S 115.—. Springer-Verlag in Wien

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Martin Gusinde: Urwaldmenschen am Huri — Anthropo-biologische Forschungsergebnisse bei Pygmäen und Negern im östlichen Belgisch-Kongo aus den Jahren 1934 35. — Mit 99 Abbildungen im Texte und 2 Karten. VIII, 420 Seiten, Lex. 8", 1948. Preis S 115.—. Springer-Verlag in Wien

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Der durch seine Werke über die Feuerlandindianer sowie mannigfaltige Studien über die Bambuti bestens bekannte Forscher Martin Gu- sinde bietet in seiner neuesten Veröffentlichung sowohl dem Fachmann als auch interessierten Laien eine Mengc neuer Erkenntnisse, die vor allem das Problem einer Rassenentstehung beim Menschen behandeln. Erstmalig wird in vollkommen objektiver Weise die Auseinandersetzung des Menschen mit der Umwelt des afrikanischen Urwaldes aufgezeigt und gleichzeitig der Beweis erbracht, daß dieser Regenwald mit seiner ständigen Feuchtigkeit und dem herrschenden Dämmerlicht nicht nur die kulturellen Leistungen einer Menschengruppe beeinflußt hat, sondern auch daß die Menschengruppe den von E. Fischer erstmalig für Menschenrassen alt gültig erkannten Domestikaaionserscheinungen zur Gänze entsprochen hat. Zwei kulturell, sprachlich und rassisch vollkommen verschieden gestaltete Menschengruppen, nämlich die Bambu- tiden und die Urwaldneger, leben heute in der afrikanischen Hyläa. Beide sind nicht von Anfang an in ihr beheimatet gewesen, vielmehr drangen die Pygmäen vor vielen Generationen, wohl durch äußere Umstände gezwungen, vom ursprünglichen Siedlungsraum am Rande des seinerzeit viel weiter reichenden Urwaldes in ihn ein. Die gegenwärtig ungefähr 32.000 Köpfe zählende Bambutigemeinschaft bildet mit sämtlichen zentralafrikanischen Zwergen eine einheitliche Rassenform, die schon den alten Ägyptern bekannt gewesen ist. Ihre scheinbar so dürftige Kultur erweist sich als ein „optimum adap- tationis“, das von keener anderen Menschengruppe in dieser menschenfeindlichen Umwelt besser gestaltet werden könnte. Geistig von größter Regsamkeit, leben die Urwaldzwerge heute noch in einer reinen „Holzzeitkultur“, der eben einzig möglichen in der Hyläa. Rassisch hat sich durch relativ starke Inzucht während vieler Generationen und scharfer Isolierung ein eigenartiges Gengefüge ausgebildet, das sich zu einer vielfach reinrassigen Form entwickelte, so daß die oftmals vertretene Ansicht, daß die Pygmäen eine Mangelform eien, vollkommen unrichtig ist. Dies beweist Prof. Gusinde in unzweideutiger Weise, indem er an den verschiedensten anthropologischen Merkmalen den Nachweis erbringt, daß es sich nicht um pathogen entartete Merkmalsformen handelt, sondern um normalbiologische Sonderbildungen. Der Verfasser führt hier auch zum ersten Male die Frage nach neotenen Merkmalsformen an und beschreitet damit in sehr bemerkenswerter Weise ein nahezu vollkommen unbeachtetes Neuland der Rassenforschung. Ursprünglich am Rande der einst viel breiteren Hyläa sitzend, hat. die Umwelt des Urwaldes, den die Vorfahren der heutigen Pygmäen nur dem Zwange gehorchend betreten haben, eine Häufung von Zwergwuchsmutationen hervorgerufen, die innerhalb kurzer Frist zum erblichen Gemeingut aller Volksmitglieder geworden ist, da diese menschenfeindliche Umwelt eine schärfste Auslese nach sich zog.

Ich möchte hier betonen daß es wohl das erstenmal einem Forscher gelungen ist, einen

Nachweis der Entstehung einer Rassenform zu erbringen. Es ist dies um so wertvoller, als wir heute auf der Erde nur mehr sehr selten Menschenformen antreffen, denen wir eine verhältnismäßig größere Rassenreinheit zubilligen dürfen. Es darf dabei nicht übersehen werden, daß tatsächlich die afrikanischen Urwaldzwerge als Gesamtheit in einer größeren Anzahl von körperlichen Merkmalen, auch solchen, die keineswegs nur als Kleinwuchsmerkmale zu erkennen sind, sich von allen übrigen Menschenformen abheben und daher wirklich als eine „Rassenform“ zu bezeichnen sind.

Die zweite Bevölkerungsschichte des Urwaldes bilden die wohl erst seit einigen hundert Jahren in dem Urwald siedelnden Urwaldneger. Auch diese sind eine Gruppe. die sich durch eine bestimmte kulturelle und körperliche Einheitlichkeit auszeichnet. Auch bei diesen hat die Umwelt jene Vereinheitlichung, die wir heute antreffen, verursacht. Der niemals zum Waldbewohner geeignete Neger führte die mannigfaltigsten kulturellen Güter verschiedenster völkischer Herkunft mit sich, als er in den Urwald eindrang; dieser jedoch zwang ihn, seine Kultur derart zu gestalten, daß er auch im gerodeten Urwald leben kann. Sicherlich ist manches kulturelle Eigengut der Pygmäen von den Negern übernommen worden, so beispielsweise der kleine Bogen mit den leichten elastischen Pfeilen. Beide Völker leben in einer Symbiose, die außer auf materielle Belange sich auch auf solche der geistigen Kultur erstreckt, w:e wir aus der Kare-Institutsion erkennen können. Biologische Vermischungen sind dagegen in viel geringerem Ausmaß eingetreten. Anthropologisch sind die Waldneger ebenfalls durch ein einheitliches rassisches Bild gekennzeichnet, das sich innerhalb weniger Generationen ausgebildet har. Das Gengefüge der Vorfahren der heutigen Waldneger muß ein sehr einheitliches gewesen sein, das infolge der Plastizität der Rasse zur weitgehenden Angleichung der Formen gefül j hat. Der Waldneger steht seinen Stammesverwandten im Norden und Osten der Hyläa bedeutend näher als den westafrikanischen Negern. — Die Frage nach den sogenann. ten „Paläonegriden“ findet endlich dutch Prof. Gusinde ihre endgültige Klärung. Bastardstudien an Pygmäen-Negermischlingen ersten und zweiten Grades ermöglichten die Feststellung der Erb- gänge einzelner Merkmale. An Hand dieser Erkenntnisse gelingt es nun dem Verfasser, zu beweisen, daß die vereinzelt unter den Waldnegern auftretende „Sonderform", fälschlich als „Paläo- negride" bezeichnet, nichts anderes ist als das Rückschlägen auf eine vor mehreren Generationen erfolgte Bastardierung von Negern mit Pygmäen. Gerade dadurch wird ober für unsere Kenntnis von den Negern und deren Rassengeschichte ein großer Gewinn erzielt, da es jetzt möglich werden wird, eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Analyse der Negriden Afrikas, frei von theoretischen Voraussetzungen, durchzuführen.

Diese Neuerscheinung, vom Verlag Springer in vorbildlicher Weise herausgebracht, stellt in sei ner Gesamtheit einen wertvollen Beitrag zur Biologie der Menschheit dar und verdient größtmögliche Beachtung der Fachkreise sowie aller an der Menschheitsgeschichte Interessierten. Es reiht sich würdig den von Prof. Gusinde geschriebenen Werken über die Feuerlandindianer an und füllt eine Lücke in unseren Kenntnissen über die Menschheit aus. Man kann nur wünschen, daß der Verfasser uns noch manch weiteres Werk über seinc erfolgreiche Forschertätigkeit schenken möge. Dr. Robert Routi1

Wilbirg, das Leben einer Einsamen. Nach einer Handschrift aus dem 13. Jahrhundert erzählt von L. G. B a ch m a n n. Verlag Hans Muck, Linz. 440 Seitan.

Eine historische Persönlichkeit, die Klausnerin Wilbirg von St. Florian in Oberösterreidi, steht in der Mitte der Handlung dieser Erzählung, die im 13. Jahrhundert spielt. Es ist die Zeit der Herrschaft des Przemysliden Ottokar in Österreich und ihres Endes in der Schlacht) auf dem Marchfeld, eine Epoche der Rechtsunsicherheit, der Gewalt und der unruhevollen Heimsuchungen Österreichs; sie spiegelt sich in den damaligen wechselvollen, rauhen Schicksalen des Stiftes St. Florian. Aus ihrem düsteren Hintergründe hebt sich die Gestalt der Reclųse ab, einer Seherin, Helferin des Volkes und Ratgeberin in öffentlichen Angelegenheiten, die mannigfach an Nikolaus von der Flüe erinnert. Sie lebte lang Jahre, nur einmal während der kriegerischen Ereignisse unterbrochen, in freiwilliger völliger Eingeschlossenheit in einem Anbau zur Stiftskirche von St. Florian; nur zwei Fensteröffnungen und di Vermittlung ihrer „Vorklausnerin“ und Freundin Mathilde verbanden sie mit der Außenwelt. Ihre Persönlichkeit, ihre Geschichte und Umwelt durchwebt der Glaubensgeist des Zeitalters der Kreuzzüge, eines Bernhard von Clairvaux und eines Franz von Assisi. Aus dem Legendenhaften wird die Erscheinung dieser Oberösterreicherin durch ein seltenes Dokument herausgehoben, di Aufzeichnungen eines Zeitgenossen, des Florianer Chorherrn und späteren Stiftspropstes Einwig Weitzlan, der längere Zeit vor ihrem Tod (f 1289) ihr Seelenführer gewesen war. Ein Kodex des Stiftes Melk enthält noch ia einer Abschrift des 14. Jahrhunderts die Aufzeichnungen Einwigs beginnend: „Incipit vita wilbirg inclusa et sororis sancti Florioni, quam scrips! Eynwicus frater ejusdem monasterii t deranus.“ — Wiederholt hat sich die Literatur mit diesem Zeugnis beschäftigt. Es wäre kaum echt, wenn es nicht den geistigen Stempel seiner Entstehungszeit tragen würde. Mit voller Einfühlung in das Milieu dieser fernen Periode und mit sorgsamer Benützung des reichlichen Quellenmaterials, immer wieder darauf bedacht, den Rahmen der äußeren historischen Ereignisse getreulich um das geistige Geschehen zu spannen, hat L. G. Bachmann de psychologisch schwierigen Stoff behandelt. So ist neben dem Lebensbild der Klausnerin auch ein Kulturgemälde aus einer nicht oft literarisch bearbeiteten österreichischen Epoche entstanden. Vom Leser setzt die Lektüre dieses Buches geschichtliches Verständnis und Ehrfurcht vor der Gedankenwelt einer weit zurückliegenden Vergangenheit voraus, deren Formen der Religionsübung von den späteren Jahrhunderten verfassen worden sind. Zu hochmütiger Überlegenheit gegenüber einer Epoche., die viele große geistige Güter voraus hatte, haben wir Menschen der Gegenwart keinen Anlaß. Übrigens ist, vermutlich mit Rücksicht auf den in gewissem Sinne heiklen Stoff, ein kirchliches Imprimatur vermieden worden. — Die hochbegabte Autorin ha:a ihr ernstes, zuweilen sprödes, dann wieder leidenschaftlich durchwühltes Thema mit feinen Landschaftsbildern und buntem Episodenwerk durchrankt. Immer wieder sprüht aus solchen Federzeichnungen ihr große künstlerisches Können, das an anderen Stellen durch die Treue quellenmäßiger, lakaigeschichtlicher Bearbeitung gebunden ist. f.

Te Deum laudamus. Gedanken zur Musik Anton Bruckners. Von Leopold Nowak. Verlag Herder, Wien.

Bruckners Te Deum ist in diesem Buche Gegenstand mystischer Betrachtung und gleichzeitig wissenschaftlich-musikalischer Untersuchung, wobei Seher und Gelehrter eine und dieselbe Person sind. Trotz ihrer bis in die Lettern festgehaltenen Gegensätzlichkeit gehen Schau und Kritik eine problematische Verbindung ein. Das tönende Geschehen wird in überdimensionale, allerdings etwas blasse Bilder religiöser Versunkenheit gedeutet und zugleich als technisch-handwerkliche Erscheinung in seiner tonalen Funktion festgehaken. Das ergibt einen ständigen Wechsel von Wolkenflug und Schrittmaß für den Leser. Der metaphysische Teil hält da räumliche, der wissenschaftliche das substanzielle Übergewidit. Indes gibt gerade diese doppelgleisige Anlage dem Werke seine besondere zeitgemäße Bedeutung. Es ist ein groß angelegter Versuch, im Spiegel des Kunstwerks — und die Wahl des ambrosianischen Lobgesangs in Bruckners Vertonung hat hier intuitive Geltung — den im Materialismus verelendeten Menschen das Gotterlebnis wieder zu erschließen, die nur mehr profan-formalistisch Aufnahmsfähigen wieder ins Innere des Tempels zu führen: höchste Aufgabe religiöser und geistiger Unterweisung, und höchste Berufung aller, die sie erkannt haben. Dieser Aufgabe dient das Buch, zwiespältig wie die "Menschen, für die es geschrieben ist.

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