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Der Strom brennt — sagen Fremde und Einheimische, wenn zu Sonnwend Höhenfeuer und Feuerwerke, schwimmende Lichter und Scheinwerfer auf Kirchen und Burgen die Donau der Wachau und des Nibelungengaues und ihre Ufer in tageshelle Landschaft verwandeln. In diesen Tagen lockt das einzigartige Schauspiel wieder Zehntausende aus fern und nah an den Strom.

Zwischen den beiden besteht eine kleine, jedoch unbegründete Eifersucht, ergänzen sich doch die Vorzüge dieser Abschnitte des niederösterreichi- schen Donautales zu einem harmonischen Ganzen: hier die sonnigen Breiten der offenen Getreidelandschaft an der Erlaufmündung, dort das ernste Durchbruchstal, an dessen Steilhängen Wald und

Wein sich die Hände reichen; hier der über tausend Meter ansteigende Ostrong mit seinen Riesenforsten, dort der mächtige Rücken des Jauerling (957 m) mit seinen blumigen Wiesen; beiden gemeinsam aber ist der Strom, sind die Sagen, angefangen vom Nibelungenlied über das Rosengärtlein, die Teufelsmauer und den Sänger Blondel bis zum „Mandl ohne Kopf“; gemeinsam ist schließlich beiden die ehrwürdige Stellung in Geschichte und Kultur. Schon die Namen sagen darüber so vieles aus. Erinnert uns die der neueren Zeit zugehörige Bezeichnung Nibelungengau an den Markgrafen Rüdiger von Bechelaren, so hält die Wachau die Erinnerung an die fränkischen Krieger fest, die eben hier ihre Wachen ausstellten. Uebrigens bezeichnete Wachau zunächst nur das Stromtal zwischen St. Michael und dem Wattstein mit dem Hauptorte Weißenkirchen. Erst seit den Tagen der Romantik wurde der Name auf das ganze Engtal zwischen Melk und Krems bezogen.

Eingang, Mittelpunkt und Ausgang dieses zu sammen etwa 60 km langen Stromabschnittes sind von altersher durch befestigte Plätze — Burgen und Städte — ausgezeichnet: im Westen Schloß Persenbeug und gegenüber Ybbs, wohl das Eparesburg der Raffelstettener Zollordnung (etwa 903) und schon dadurch als uralter Handelsplatz charakterisiert. In der Mitte Melk mit dem an Stelle der ältesten Babenbergerburg errichteten

Kloster und schließlich eine förmliche Häufung von Siedlungen am Ostausgang in die Ebene: das römische Favianis (das spätere Mastern), gegenüber das rugische Stein und schließlich die ehemalige Reichsfestung Krems an der Mündung des gleichnamigen Flusses in die Donau; Handel und Wandel hier seit gut 2000 Jahren, wobei Getreide, Wein, Eisen und Salz die Hauptrolle spielten. Die Städtetrias wird überragt von der Benediktinerabtei Göttweig (gegründet 1072), der späteren Fortsetzung der durch St. Severin (f 482 in Favianis) begründeten monastischen Kultur in Noricum.

Dazwischen aufgereiht am Stromlauf eine ganze Anzahl größerer und kleinerer Ortschaften, wie das liebliche Marbach an der Donau, Groß- und Klein-Pöchlarn, Emmersdorf, die beiden Aggs-

bach, Willendorf (Venus!), Schwallenbach, Spitz, Arnsdorf, St. Michael — die Wachauer Urpfarre, Wösendorf, Joching, Weißenkirchen, Rossatz und das burgengekrönte, heute noch völlig ummauerte Dürnstein, die beiden Loiben — uralter Tegernseer Besitz. Und in der Doppelstadt Krems-Stein eine große Zahl von geistlichen Wirtschaftshöfen, die mit der eingesessenen han- dels- und gewerbebeflissenen Bevölkerung das Rückgrat der bis in die Römerzeit zurückreichenden Weinwirtschaft bildeten. Dazu die Schlösser und Burgen Persenbeug, Artstetten, Zelking, Leiben und Weitenegg, Schönbühel und Aggstein, Hinterhaus und Dürnstein, die Stadtburgen von Stein und Krems und als Abschluß die Hollenburg, schließlich die Wallfahrtsorte Maria-Taferl und Maria-Langegg, beide in unver-gleichlicher Lage mit weiten Blicken auf das Alpenvorland bzw. das Donautal und dazu das Hinterland des Waldviertels im Norden und des Dunkelsteinerwaldes im Süden mit ihren Schlössern und Burgen und landschaftlichen Schönheiten sonder Zahl.

Nibelungengau und Wachau aber bergen vor allem selbst ein reiches kulturelles Erbe: die romanische Burgkirche von Ranna (1129), die Predigerordenskirchen des Uebergangsstiles in Krems-Stein und zahlreiche Gotteshäuser aus allen Epochen der Gotik, die Schnitzaltäre von Mauer und Maria-Laach, die Bürgerhäuser mit ihren Laubenhöfen und Erkern, die Skulpturen an den Orgelbrüstungen von Spitz und St. Michael, nicht zu vergessen die charakteristischen Wachauer Kirchtürme mit den Zeltdächern und die steinernen Dachreiter der Kapellen. Natürlich hat die Barocke — Oesterreichs goldenes Zeitalter — im Nibelungengau und in der Wachau Hauptwerke hinterlassen, von denen Prandtauers Kirche in Maria-Taferl, vor allem aber Kloster Melk und Stift Dürnstein gültiges Zeugnis ablegen, während Göttweig auf Hildebrandts Planung zurückgeht und die Kremser Pfarrkirche als Nestor des barocken Kirchenbaues in Niederösterreich von dem Comasken Cipriano Biasino erbaut wurde. Die Innenausstattung all dieser Räume kulminiert in der Melker Stiftskirche. Italienische, österreichische und deutsche Meister wetteiferten in dem Bestreben, ihr Bestes in einer der Landschaft an gepaßten Architektur und einer derselben adäquaten Auszierung zu geben: Rottmayr, Troger, Gran, Maulpertsch und der Kremser Schmidt als Maler, Steindl, Beduzzi, Santino Bussi, Lorenzo Matielli, der alte Schmidt u. v. a. als Bildhauer, Stukkateure und Planer für bildhauerische Werke, wie das Juwel des Turmes der Dürnsteiner Stiftskirche.

Die bildende Kunst hatte hier schon seit dem späten Mittelalter eine Heimstatt, man denke nur an die Donauschule der ausgehenden Gotik und ihre Werkstätten auch in Krems, aus denen namhafte, heute noch in unseren Stiften und Klöstern befindliche Werke der Tafelmalerei hervorgegangen sind: Jörg Breu der Aeltere urtd sein Bruder Niklas (Krems und Göttweig), Hans Eckel (Melk und Dürnstein), während Wolf Huber in seinen Zeichnungen die Burg Aggstein und die Landschaft um die Donaubrücke bei Stein festgehalten hat. Martin Johann Schmidt wieder überliefert uns in selbständigen Bildnissen die Züge der Handelsherren seiner Wahlheimat und deren Gattinnen; auf seinen Heiligenbildern aber bevorzugt er Typen der arbeitenden Bevölkerung,

ganz zu schweigen von seinen volkstümlichen Gemälden, wie dem Guckkastenmann u. a. — Die Schönheiten der „Donauromantik“ entdeckten dann von den 1830er Jahren an Mitglieder der Familie Alt aufs neue und hielten sie auf zahlreichen graphischen Blättern fest. Ihnen folgten die Wiener Landschafter, vor allem Eduard von Lichtenfels und seine Schule. An Ort und Stelle führt der Wachauer Künstlerbund bereits seit Jahrzehnten diese Ueberlieferung fort.

Kein Wunder, wenn die Schönheiten dieses gesegneten Landstriches in Lied und Dichtung ihren Niederschlag gefunden haben. Wohl fehlt noch die große musikalische Darstellung, aber der wahre Volkston der weitverbreiteten Kompositionen von Rudolf Süß, Ludwig Muther u. a. darf seinen Rang behaupten gegenüber den „Schlagern". Genug, sie alle werben zusammen mit der kleidsamen Tracht, mit Wein und Obst für den Besuch des gastfreundlichen Donautales. — Zahlreiche Romane und Erzählungen namhafter Schriftsteller spielen im Nibelungengau und in der Wachau; feinsinnige Lyrik hat die Stimmung des Stromiandes glücklich nachempfunden.

Das Wirtschaftsleben der Wachau ist, wie bereits angedeutet wurde, durch die Wein- und Obstproduktion bestimmt, während im Nibelungengau auch der Getreidebau und die Industrie eine gewisse Rolle spielen. Beide sind dem Verkehr durch Eisenbahn, Schiffahrt und Autobus längst erschlossen, zahlreiche „Ueberfuhren“ ermöglichen den Uferwechsel, und neue Aussichten auf die Wiederherstellung des einst blühenden Fremdenverkehrs werden durch die großen Planungen eröffnet, welche in Gestalt des Donaukraftwerkes Ybbs-Persenbeug und von Straßenbauten die allgemeine Aufmerksamkeit gerade in der letzten Zeit auf sich gezogen haben.

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