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Wege zur abstrakten Malerei

19451960198020002020

Franz Marc. Von Klaus Langhelt. Verlag Konrad Lemmer, Berlin (bisher Sembrandt-Verlag). 78 S. — Paul Klee. Wege bildnerischen Denkens. Von Werner Haftmann.

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Franz Marc. Von Klaus Langhelt. Verlag Konrad Lemmer, Berlin (bisher Sembrandt-Verlag). 78 S. — Paul Klee. Wege bildnerischen Denkens. Von Werner Haftmann.

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„Die Sehnsucht nach dem unteilbaren Sein, die Befreiung von den Sinnestäuschungen unseres ephemeren Lebens ist die Grundstimmung aller Kunst. Ihr großes Ziel ist, das ganze System unserer Teilempfindungen aufzulösen, ein unterirdisches Sein zu zeigen, das hinter allem wohnt, den Spiegel des Lebens zu zerbrechen, daß wir in das Sein schauen. Es gibt keine soziologische oder physiologische Deutung der Kunst. Ihr Wirken ist durchaus metaphysisch.“ Dieses Wort Franz Marcs, des Frühverstorbenen, der 1916 im ersten Weltkrieg fiel und der vor kurzem 70 Jahre alt geworden wäre, könnte als Motto über dem ganzen Werk stehen. An den bekannten Tierbildern, die zwischen den beiden Kriegen eine wirkliche Popularität erlangten, und an der Entwicklung der Farbe wird der gerade und steile Weg Marcs von der gegenständlichen zur absoluten Malerei aufgezeigt. Wiederholt verweist Langheit darauf — und dies i6t sein besonderes Verdienst, daß der Begriff der „absoluten Malerei“ wie überhaupt alle Fragen der Form bei Marc, keineswegs schöngeistige oder ästhetische Bedeutung haben, denn „Form“ ist für Marc immer zugleich Lebens-Form, „Inhalt“ immer Lebens-Inhalt und „Bild“ stets auch Welt-Bild. Daher ist die Bezeichnung „gegenstandslos* auch für die letzte Phase seines Schaffens und für die Bilder mit den abstrakten Titeln, wie „Tier-6ehidcsale“, „Zerbrochene Formen“, „Spielende Formen“ oder „Zaubriger Moment“ nicht zutreffend, da es 6ich hier um Urformen der Gegenstände höherer Art handelt. Das mit 54 Abbildungen und 4 Farbtafeln ausgestattete Werk ist mehr als eine Monographie, nämlich ein wichtiger und allgemein verständlicher Beitrag zur Erhellung des Weges der zeitgenössischen Kunst. — Die Frau des Malere, Maria Marc, hat einen kurzen biographischen Abriß beigesteuert. Als eine Hauptaufgabe aller Verehrer von Marcs Kunst bezeichnet Langheit die Nachforschung nach dem berühmtesten seiner Gemälde, dem „Turm der blauen Pferde“, dessen Schicksal bisher nicht aufgeklärt werden konnte.

Einen ähnlichen Versuch, die Folgerichtigkeit und Notwendigkeit der künstlerischen Entwicklung aufzuzeigen, unternimmt Wemer Haftmann mit seinem Buch über Paul Klee, dessen Weg sich übrigens mit dem von Franz Marc in der Gruppe des „Blauen Reiters“ und de Bauhauses gekreuzt hat. Auch bei Klee steht — noch früher und entschiedener als bei Marc — die Einsicht, daß die sichtbare Welt in ihrer ausgeformten Gestalt nicht die einzige aller Welten ist und daß neben ihr und gleichnishaft die Ausdruckswelt des Menschen und der Kunst besteht. Wohl waren für Klee äußere Anregungen von Bedeutung: 6ein Pariser Aufenthalt und die Berührung mit Delannoy, die Tunesienreise 1914 und die Freundschaft mit Kandinsky, Marc und Macke. In die Hoch-Zeit seiner Produktion trat er nach dem ersten Weltkrieg ein, als Gropius ihn (1920) an das Bauhaus holte. Aus dieser Zeit stammt das 6ehr instruktive „Pädagogische Skizzenbuch“, das von Haftmann ausführlich interpretiert wird. Hiebe! zeigt eich auch der grundsätzliche Unterschied zu Kandinsky, dessen Konstruktivismus 6ich zwar als der kürzere Weg zur gegenstandslosen Malerei erweist — aber gerade diesem Weg mißtraute Klee, da er eine tiefer gelegene Ordnung suchte, die eine kompliziertere und reichere Welt erschließt. So sind auch die Titel von Klees Bildern zu verstehen, die weder gegenständlidi noch abstrakt 6ind, sondern als nachträgliche Wortgleichnisse, als dichterische Schlußmetaphern — ähnlich wie die' von Christian Morgenstern — gefunden werden. Klee begnügte sich nie mit dem formalen Arrangement, so wichtig es ihm war, sondern er wollte die Mitteilung. Nur so versteht man seine letzten Bilder, von denen Haftmann leider nur einige wenige Proben gibt Die dunkleren Regionen, aus denen sie kamen, drücken 6ich in den Titeln aus: „Dämonie“, Ungeheuer in Bereitschaft“, „Tod und Feuer“. „Büßer“, „Erzengel“, „Angelus militans“ und andere. Auch die lichten Farben Klees wandelten 6ich, sie wurden dunkler und feierlich. Die letzten Bilder Klees, der 1940 in Muralto bei Locarno starb, bezeichnet Haftmann als „mystische Gebilde, die edn allerletztes Thema variieren, das Durchscheinen der Strahlung eines Jenseitigen, wenn da6 eigene irdische Licht verlöscht.“ Sie kennenzulernen, wäre von hohem Interesse.

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