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In Zittau wächst zusammen, was einmal habsburgisch war. Die Ausstellung "Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526 - 1635" zeigt Staaten übergreifende Verbindungen einer zentraleuropäischen Region.

In Zittau, ein gutes Stück östlich von Dresden, sind die Grenzen zu Polen und Tschechien nicht weit. Lange hatte man vergessen, dass die heute sächsische Lausitz durch mehr als ein Jahrhundert Teil des Habsburgischen Vielvölkerstaates war, der damals bis in die Neue Welt ausgriff. Heute gibt es zwischen Sachsen, Böhmen und Schlesien noch die "Schengen-Grenze". Aber die Ausstellung "Welt Macht Geist - Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526 - 1635" wurde auch von den Nachbarländern beschickt: ein historischer Hintergrund zur "Ost-Erweiterung".

Hier, wo Mitteleuropa sanft auszulaufen scheint, trifft man unversehens auf Kaiser Maximilian I. Das Bild, das in der Ausstellung zuerst in die Augen springt, ist das bekannte Toten-Porträt, wie es in der Alten Galerie des Grazer Joanneums hängt. Daneben aber das Profil des lebenden Kaisers. Dieses düstere Doppel-Porträt wurde bereits 1811 zum alten Bestand der Zittauer Ratsbibliothek gezählt und dürfte schon viel länger in der Stadt sein. Aber Maximilian ist nicht der einzige Herrscher, der uns in den Ausstellungsräumen begegnet und von denen die meisten irgendwann einmal die Lausitz besucht haben. Kaiser Friedrich Barbarossa, der den böhmischen Königen die Lausitz als Lehen gab, ist nicht dabei. Wohl aber König Ludwig II., dessen früher Tod in der Schlacht von Mohács gegen die Türken (1526) die Habsburger in den Besitz Ungarns, Böhmens und damit auch der Lausitz brachte. Kaiser Maximilian hatte das alles schon geregelt, als er 1515 in Wien seine Enkel Ferdinand und Maria mit den Jagiellonen Ludwig und Anna verheiratete. Man verabredete gegenseitiges Erbrecht, wenn eine der beiden Familien ohne männliche Nachkommen bleiben sollte. Das trat schon 1526 ein. Kaiser Ferdinand I. wurde König von Ungarn und Böhmen.

Die Lausitz war und ist von alten internationalen Verkehrswegen durchzogen. Sie brachten Waren und Geistesgüter. Das alte Markgrafentum wurde von Prag aus durch Statthalter regiert. Und durch gewachsene Strukturen wie den Bund der Sechs Städte. Seit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 bestimmte der Landesherr die Konfession der Untertanen. In der Lausitz aber war es der Grundherr, also auch einzelne Klöster und Städte. Man musste miteinander auskommen. Das führte zu früher Toleranz, als anderswo die Glaubenskriege schreckliche Opfer forderten. In Bautzen benutzten Katholiken und Protestanten je eine Hälfte der Domkirche und kamen sogar mit einem Taufbecken aus. In Zittau erhielten die Exulanten, aus dem inneren Böhmen ausgewiesene Protestanten, eine eigene Kirche.

Als zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges in Prag schwerwiegende Entscheidungen fielen (Schlacht am Weißen Berge 1620), waren von 200 Oberlausitzer Kirchen noch 13 katholisch. Die Evangelischen legten Wert auf Gottes Wort in der Muttersprache. Auch die Minderheit der Sorben (Wenden) hatte Anspruch darauf. Das trug wesentlich zur Kodifizierung ihrer Schriftsprache bei.

Der protestantische Kurfürst von Sachsen war zu Beginn des Großen Krieges kaisertreu und bekam 1635 die Lausitz. Die konfessionelle Ordnung aber blieb bestehen, auch als am Ende des 17. Jahrhunderts der Dresdner Hof katholisch wurde. Heute, nach rund 70 Jahren kirchenfeindlicher Obrigkeiten, ist der Glaube kaum noch ein Thema. Den vielen Ungetauften muss man manches aus ihrer Vergangenheit genau erklären. Der Ausstellungs-Katalog zeigt, wie schwierig das ist.

Sachsen hat schon 1998 die erste Landesausstellung "Zeit und Ewigkeit" nach österreichischem Vorbild organisiert. Diesmal ging es unmöglich ohne österreichische Leihgaben. Da hat man die Ausstellungs-Gestalterin gleich mit ausgeliehen. Eva Marko leitet die kulturhistorische Sammlung des Landesmuseums Joanneum in Graz. Ihre originellen Ausstellungs-Konzepte wie "Die Farbe Schwarz" oder "Zwischen Himmel und Erde" wurden offenbar sogar bis Sachsen beachtet. In Zittau hat sie vor allem mit dem örtlichen Museumsdirektor Volker Dudek zusammengearbeitet. Das Museum befindet sich im selben Baukomplex (dem ehemaligen Franziskaner-Kloster), zu dem auch der "Heffterbau" gehört, benannt nach dem Bürgermeister, der ihn im späten 17. Jahrhundert errichtet hat. Mit großem Aufwand restauriert, wurde er pünktlich zur Ausstellung eröffnet. Die nahe Kirche zum Heiligen Kreuz bewahrt das berühmte Zittauer Fastentuch, das auf geradezu wunderbare Weise der Zerstörung durch die Besatzungsmacht widerstand.

In nicht übermäßig großen Räumen werden "nur" knapp 300 Objekte präsentiert. Das gewährt Übersichtlichkeit und lässt den einzelnen Stücken genügend Aufmerksamkeit zukommen. Zu jedem gehört eine Geschichte. Die Aufseher, hier "Vigilanten" genannt, wurden so geschult und motiviert, dass sie mit sichtlichem Vergnügen erzählen. Die Auswirkungen der großen politischen Veränderungen zwischen 1526 und 1635 sollen ebenso sinnfällig werden wie die Geistesströmungen, die in der Lausitz ihr Echo fanden. Wer schon viele Landesausstellungen in Österreich gesehen hat, wird unter den Leihgaben aus Wien und Graz alte Bekannte treffen. Aber man sieht auch einen kostbaren Dolch des Sultans Suleiman (den Sieger über König Ludwig II.), eine Astronomische Uhr des Kaisers Maximilian II. und vieles andere aus Ungarn, Reichsapfel und Szepter von den böhmischen Krönungs-Insignien (16. Jahrhundert) aus den Sammlungen der Prager Burg (die Krone ist auch als Nachbildung wertvoll). Das ehemals deutsche Museum in Breslau zeigte sich ebenso großzügig. Ergiebig waren die Museen der Lausitzer Städte Görlitz, Kamenz, Löbau, Bautzen und natürlich Zittau.

Die alten Dokumente kann kaum einer der Besucher entziffern. Man hat sie sparsam, aber ausdrucksstark ausgewählt. Etwa aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv die "Confederatio bohemica" vom August 1619, in der sich die evangelischen Stände Böhmens, Mährens, Schlesiens und der Ober- und Niederlausitz mit den evangelischen Ständen in Österreich unter der Enns zusammenschlossen. Das Pergamentlibell trägt 65 Siegel!

Im obersten Stockwerk wurde mit Hilfe von Leihgaben vor allem aus Wien und Schloss Ambras die Atmosphäre der frühneuzeitlichen Kunst- und Wunderkammern beschworen: neben Merkwürdigkeiten, Raritäten aus Kunst und Natur auch Messgeräte, die vom Aufbruch der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert erzählen. Namen wie Johannes Kepler, Kopernikus oder Tycho de Brahe geben die Stichworte. Das figurenreiche Deckengemälde erzählt von der "Büchse der Pandora". Die Ratsbibliothek, die hier einmal untergebracht war, ist nach dem Dichter Christian Weise benannt, der hier lange gewirkt hat.

Ein reiches Rahmenprogramm und viele Ausflugs-Möglichkeiten werden helfen, das Land wieder ins europäische Bewusstsein zu bringen. Schon heißt es dreisprachig "Euroregion Neiße - Nysa - Nisa". (Das Gebiet zwischen Oder und Neiße, jetzt polnisch, war früher ein Teil der Oberlausitz). Bald wird man hoffentlich ohne Pass zwischen dem böhmischen Reichenberg (Liberec), dem Wallenstein-Schloß Friedland, dem jetzt polnischen Hirschberg (Jelena Góra) und Dresden spazieren fahren können.

Bis 3. November

täglich 10-18 Uhr (jeden ersten

Mittwoch im Monat bis 21 Uhr)

Homepage: www.zittau.de

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