Weltbürgerin aus dem Bregenzerwald

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"Angelika Kauffmann und Rom" - eine umfangreiche Ausstellung in der italienischen Hauptstadt.

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"Angelika Kauffmann und Rom" - eine umfangreiche Ausstellung in der italienischen Hauptstadt.

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Meine Heimat ist jedwede lebenswerte Welt", bekannte einst Angelika Kauffmann. In der Tat war die vielgereiste Malerin ein europäisches Faktotum: Für die Schweizer gilt sie als helvetisch, da ihre Mutter aus Graubünden stammte; die anglo-amerikanische Welt assoziiert sie mit der British School, da sie in London Joshua Reynolds traf und 1768 Mitbegründer der Royal Academy of Arts wurde. In Italien hält man sie für eine römische Malerin, da Rom ihre Wahlheimat und entscheidende Wirkungsstätte war. "Ihr Zuhause an vielen Plätzen unseres Kontinents macht sie zu einer wahrhaften Europäerin und verleiht dem Ausstellungsprojekt einen besonderen Bezug zur Aktualität", schreibt der österreichische Botschafter in Italien, Günter Birbaum, im Vorwort des Katalogs einer groß angelegten Schau, die das österreichische Kulturinstitut in Rom anläßlich der österreichischen EU-Präsidentschaft gemeinsam mit dem italienischen Nationalen Graphikinstitut (dessen seinerzeitiges Mitglied Angelika Kauffmann war) in der römischen Innenstadt organisierte.

Oscar Sander, Kauffmann-Kenner und Kurator der Ausstellung betrachtet sie als Weltbürgerin im modernen Sinn. "Aber vor allem fühlte sie sich als Bregenzerwäldlerin, als Tochter ihres Vorarlberger Vaters, einem aus Schwarzenberg stammenden Maler", meint er. Sie nannte sich eine Römerin österreichischer Abstammung, obwohl sie, wie Klaus Wölfer, der Leiter des österreichischen Kulturinstituts erklärt, keine hundertprozentige Österreicherin war.

Die Ausstellung widmet sich der beiden römischen Arbeitsperioden Angelika Kauffmanns und geht der Frage nach, ob diese 1788 von Herder als "die gelehrteste Frau Europas" bezeichnete Künstlerin wirklich so ein "immenses Talent" hatte, wie es ihr Goethe damals zuschrieb.

Während des ersten römischen Aufenthalts nach der Reise mit ihrem Vater durch Mailand, Modena, Parma, Bologna und Florenz kann man sie zur damaligen Avantgarde zählen. In Rom studiert und imitiert sie Correggio, Annibale Carracci, Pietro da Cortona, Domenichino und vor allem Guido Reni. Sie porträtiert Johann Winckelmann, lernt Künstler wie Gavin Hamilton und Giovan Battista Piranesi kennen, der Mitglied der berühmten Accademia di San Luca war, in die die österreichische Malerin, erst 24jährig, durch Zuruf gewählt wurde, der ältesten Malerakademie der Welt, nun Ort der Ausstellung. Nach ihrem Londoner Aufenthalt und einer schiefgegangenen Ehe mit einem Abenteurer heiratet diese emanzipierte Kosmopolitin den venezianischen Maler Antonio Zucchi und wird Ehrenmitglied der Accademia di Venezia. Ihr römischer Salon in der via Sistina, unweit der Spanischen Treppe, wird zum Treffpunkt der Künstler ihrer Zeit, deren Werke teilweise in der Schau aufscheinen; großen Wert legte sie auf ihre Freundschaft mit Goethe und Antonio Canova und ihren Kontakt mit Politikern wie Marat.

Die fürstlichen Auftraggeber, unter denen manchmal sogar Monarchen waren, ihr römischer Hof und ihre Beziehungen zur High Society und auch zu den Snobs der Zeit, trugen eher dazu bei, ihren Ruf als Künstlerin zu schmälern. In der zweiten und definitiven römischen Periode zeigt sie sich als progressive Künstlerin, die Porträts von Ferdinand IV. König von Neapel und Maria Caroline von Österreich zeigen einen eigenartigen Klassizismus, den man hier "jonisch" nennt, sie sucht aber auch neue Lösungen, die von Canova beeinflußt sind. Von dem Gesamtwerk von 500 Gemälden und 1.000 Stichen wurde hier eine strenge Auswahl von 35 Ölbildern getroffen, während eine relativ große Anzahl von bisher wenig bekannten Zeichnungen und Radierungen, besonders aus dem Vorarlberger Landesmuseum zu bewundern sind, darunter ein Porträt von Herder, eines der Gräfin Sophie Stolberg, eine Krönung Mariens, eine Hirtin in den Alpen oder die sehr modern wirkende Skizze zu einem von Josef II. kommissionierten Bild, "Hermann und Tusnelda".

Das Leichenbegängnis nach dem Tode Angelika Kauffmanns, 1807, in Rom soll an Feierlichkeit nur mit jenem nach Raffaels Tod zu vergleichen gewesen sein. Im Pantheon wurde eine Büste von ihr aufgestellt.

Diese interessante Schau ist eine Visitenkarte Österreichs in der italienischen Hauptstadt. Für ihre Aktualität ist bezeichnend, daß noch heuer in Düsseldorf eine Angelika-Kauffmann-Ausstellung stattfinden wird und eine weitere in den USA geplant ist.

Bis 7. November Academia Nazionale di San Luca, Piazza dell' Academia di San Luca, 77 Istituto Nazionale per la Grafica, Via della Stamperia, 6 Roma

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