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WELTWEITE FERNSEHBILANZ

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Als der amerikanische Präsident John F. Kennedy am 31. August 1962 das Gesetz zur Einrichtung von Nachrichtensatelliten unterzeichnete, erklärte er: „Dies wird unserem Volk, aber auch der gesamten übrigen Welt bedeutende Vorteile bringen. Sein Zweck ist es, ein wirtschaftlich rationelles Nachrichtensystem aufzurichten, das unseren Bedürfnissen genauso dient wie denen anderer Länder. Darüber hinaus aber wird es zur Förderung des Weltfriedens und der gegenseitigen Verständigung beitragen.“

Iizwischen haben neben dem ersten Telstar noch andere Nachrichtensatelliten — als jüngster der Syncom — im Weltall Station bezogen. Wenn sie auch heute noch überwiegend für Zwecke interkontinentaler Telephonie und Bild-telegraphie genutzt werden, so sind sie doch entscheidende Vorboten für die Errichtung eines die ganze Erde umfassenden Fernsehnetzes. Während der Olympischen Spiele in Tokio und Innsbruck haben wir davon einen kleinen, technisch noch längst nicht ausgereiften Vorgeschmack erhalten. Fachleute schätzen, daß in zwei bis drei Jahren ein wirklich funktionsfähiges System derartiger Satelliten unsere Erde umrunden wird, das dann einen echten weltweiten Programmaustausch zur Realität macht. Was heute in Mitteleuropa durch die Eurovision oder die ihr benachbarte Intervision schon zu einer oft erprobten Selbstverständlichkeit geworden ist, bekommt durch die Satelliten Aspekte, welche den gesamten Erdball umfassen und erfassen'. In Life-Übertragungen wird der Neger in Mittelafrika Augenblickszeuge der Zeremonien des japanischen Kirschblütenfestes in Kyoto in der gleichen Intensität sein, wie sich der Schafzüchter im australischen Busch den direkten Genuß einer glanzvollen Aufführung an der Mailänder Scala oder der Wiener Staatsoper verschaffen kann.

Denn nur mit Hilfe dieser Satelliten gelangt das durch Erdkrümmung und Gebirge gehandikapte Fernsehen zu jener erregenden globalen Potenz, die in gar nicht allzu ferner Zukunft unser kulturelles, wirtschaftliches und politisches Denken auf völlig neue Grundlagen stellen kann. Mit dieser den Weltball umspannenden Kraft lassen sich die Mauern der Unwissenheit und des gegenseitigen Mißverstehens in breitester Front und mit Tiefenwirkung abtragen. Wenn es die Menschen wollen. Dieser „kleine Stern, der niemandem schadet und der die Kraft des Zusammenschlusses und des Verste-hens in sich trägt“, wie der Vatikan den Telstar kennzeichnete, kann zum großen allgemeingültigen Nenner unserer Welt werden.

Unter diesen Voraussetzungen aber ist es einmal ganz nützlich und aufschlußreich, sich darüber Rechenschaft zu geben, in welchen Ländern und mit welchen Größenordnungen das Fernsehen auf der Erde bisher Verbreitung gefunden hat.

Ständige Fernsehprogramme werden in folgenden 80 Staaten ausgestrahlt: Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Bermudas, Brasilien, Bulgarien, Canada, Chile, Rotchina, Nationalchina, Columbien, Costa Rica, Cuba, Cypern, Dänemark, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Finnland, Frankreich, Westdeutschland, Ostdeutschland, Gibraltar, Guam, Guatemala, Haiti, Holland, Honduras, Hongkong, Indonesien, Iran, Irak, Irland, Italien, Jamaika, Japan, Jugoslawien, Kenia, Südkorea, Kuweit, Libanon, Luxemburg, Malaysia, Malta, Mexiko, Marokko, Monaco, Niederländischindien, Neuseeland, Nicaragua, Nigeria, Norwegen, Österreich, Okinawa, Panama, Peru, Philippinen, Polen, Portugal, Puerto Rico, Rhodesien, Rumänien, Saudiarabien, Spanien, Sowjetunion, Schweden, Schweiz, Syrien, Thailand, Trinidad, Tschechoslowakei, Uganda, Ungarn, Uruguay, Vereinigte' Arabische Republik, Vereinigtes Königreich (Großbritannien), Vereinigte Staaten von Amerika, Venezuela, Zambia.

In diesen Ländern mit einer Gesamtbevölkerung von 2269 Millionen Menschen existieren rund 153 Millionen Fernsehapparate.

Schon beim flüchtigen Überfliegen dieser Staatenliste fällt einem auf, daß nur ganz wenige afrikanische Länder darin vertreten sind und Indien völlig fehlt.

Der indische Staat ist zwar mit dem Aufbau eines Fernsehzentrums in Neu-Delhi beschäftigt, das jedoch lediglich ein Versuchsprogramm von elf Stunden wöchentlich ausstrahlt. Es bestehen Pläne, die Sendungen auch auf die Gebiete um Bombay, Kalkutta und Madras auszudehnen. Bisher gibt es in ganz Indien etwa 1000 Empfangsapparate.

Ähnlich liegt die Situation in Pakistan, wo erst im September vergangenen Jahres Stationen in Labore und Dacca mit Testsendungen begonnen haben. Der weitere Ausbau des staatlich gelenkten Fernsehens, für das die Regierung 24 Millionen Dollar vorgesehen hat, soll im Rahmen eines Fünfjahresplans erfolgen.

Ebenfalls erst in der Entwicklung begriffen ist das Fernsehen in einer Reihe von arabischen und afrikanischen Ländern, wie in Guinea, Gabon, Elfenbeinküste, Kongo (Brazza-ville), Jordanien. Teilweise wurden in diesen Ländern auch Großempfänger an öffentlichen Plätzen aufgestellt, was sich jedoch überwiegend nicht bewährte.

Israel will in den nächsten beiden Jahren zunächst mit ausländischem Kapital ein hauptsächlich der Erziehung gewidmetes Fernsehprogramm erstellen, das später durch Werbefernsehen wirtschaftlich untermauert werden soll.

Lediglich in zwanzig der genannten Staaten, also bei einem Viertel, liegt die Zahl der Empfangsgeräte über einer Million. Weitaus an der Spitze rangieren noch immer die USA mit 60,5 Millionen Empfängern bei einer Einwohnerzahl von 192 Millionen Menschen. Gefolgt werden sie von Japan, wo sich 16,2 Millionen Apparate auf eine Bevölkerung von 97 Millionen Menschen verteilen. In Großbritannien kommen 14,5 Millionen Bildschirme auf 52,8 Millionen Einwohner, und erst an vierter Stelle erscheint die Sowjetunion mit etwas über zehn Mülionen Apparaten für 223 Millionen Einwohner. Knapp dahinter finden wir die Deutsche Bundesrepublik mit zehn Millionen Teilnehmern bei einer Bevölkerungszahl von 57,6 Millionen Menschen. Auf 47,9 Millionen Franzosen kommen 5,2 Millionen Empfänger, während 51 Millionen Italiener mit 4,2 Millionen Geräten ihr Auslangen finden.

Relativ dicht mit Bildschirmen durchsetzt sind einige Ostblockstaaten. 14 Millionen Einwohner der Tschechoslowakei verfügen über 1,8 Mülionen Fernsehgeräte, und bei 17 Millionen Menschen in der deutschen Ostzone sind sogar 2,5 Millionen Geräte zu finden.

Völlig in den Kinderschuhen scheint das Fernsehen noch in Rotchina zu stecken, wo 30.000 Apparate sich auf 700 Millionen Menschen verteilen. Auch in Nigeria gibt es für 55 Millionen Menschen nur 20.000 Fernsehempfänger.

Schon dieser Auszug zahlenmäßig untermauerter Tatsachen zeigt deutlich, daß es vor allem in den afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländern noch großer Anstrengungen bedarf, um sie einer weltweiten Erfassung der Menschheit durch das Fernsehen einzugliedern. Zugleich aber dokumentieren sich in diesen Angaben auch die gewaltigen Möglichkeiten, die sich für das Fernsehen gerade in diesen Gebieten zum Beispiel in erzieherischer Hinsicht ergeben. Wenn wir daran denken, daß in Italien jene Fernsehserie, die unter dem Titel „Es ist niemals zu spät“ Analphabeten das Lesen und Schreiben lehrt, außerordentlich starken Anklang gefunden hat, dann ahnen wir etwas von der Größe der Aufgaben, die einem weltumspannenden Fernsehnetz neben reiner Unterhaltung und politisch-aktueller Unterrichtung in der Zukunft zukommen werden.

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