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Wer erfand die abstrakte Malerei?

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Wer erfand die abstrakte Malerei? Wir haben uns daran gewöhnt, diese Frage klipp und. klar zu beantworten: Wassily Kandinsky, 1910. Und das ist gewiß richtig so. Denn erst von Kandinsky ging jener lösende Einfluß aus, der innerhalb weniger Jahre viele der besten Maler bewog, abstrakt zu schaffen.

Doch es gibt eine Reihe von Künstlern, die schon vor Kandinsky abstrakte Bilder machten, zum Beispiel die Dichter Justinus Kerner und Paul Scheer-bart, deren Klecksographien oft seltsame Gebilde zeigten. Aber das blieb immer vereinzelter Akt. wurde — auch von den Schöpfern — mehr oder weniger als Spielerei angesehen, hatte keinen Einfluß auf die Zeitgenossen. Allen diesen Unternehmungen fehlte die Stoßkraft.

Wer erfand also die abstrakte Malerei? Siegfried Freiberg, Direktor der Bibliothek der Akademie der Bildenden Künste und ihres Kupferstichkabinetts, sagt: Leopold S t o 1 b a, 1906. Und legt zum Beweis vierzig auch hierzulande gar nicht bekannte Blätter von Stolba vor in einer hochinteressanten Ausstellung, die leider den etwas blassen Titel führt: „Formationen und Kompositionen, ge Stern und heute.“ Das paßt sicher, weil es so abstrakt klingt, wie die Bilder eben sind, sagt aber noch nichts über die Bedeutung. der Funde, die uns hier erwarten.

Leopold Stolba, 1863—1929, lebte in Wien als Maler und Kakteenzüchter. Er schuf Landschafts-' maiereien und naturalistfsche Aquarelle mit Blumen und Schmetterlingen; Die Blätter, die jetzt in der Akademie gezeigt werden, betrachtete er durchaus nur als Nebenprodukt seiner Tätigkeit. Es sind dies Kleister- und Tunkpapiere, Abklatsche von Glasplatten (einfarbige Monotypien). Sie haben die Strukturen von Carraramarmor oder von Wassertropfen unter dem Mikroskop. Sie öffnen uns eine neue Welt. Und sie sind, ehrlich gesagt, stärker und strukturell gefestigter als die Werke von Kandinsky. Neben ihm wirken sie fast wie rein subjektive Ergüsse. (Geschweige, daß die Tachisten ä la Rainer und Kraus, und wie sie alle heißen, sich yör Stolba overstecken und schamrot werden müssen.)* — Stolba5 hatte keine Vorbilder und er blieb ohne Nachfolge. Er betrieb seine abstrakten Studien ohne tierischen Ernst und leider auch ohne Konsequenz. So nahnr die Zeit wenig Notiz von ihm. Freilich: das ornamentale Beiwerk der Bilder seines Sezessionskollegen Klimt — das schließlich in der „Italienischen Landschaft“, 1918, zur Bildstruktur wird — scheint er mitbeeinflußt zu haben.

Wie reich ist doch Oesterreich an übersehenen und vergessenen Künstlern; an Menschen, die zu bescheiden waren, sich selbst zu entdecken, und an denen deshalb Mitwelt und Nachwelt achtlos vorübergingen. So haben wir Siegfried Freiberg besonders herzlich für diese wohlüberlegte Ausstellung zu danken. ■

In der Wiener Secession sind derzeit 10 Kollektivausstellungen zu sehen. Die erste, die des Altmeisters Hans B o e h 1 e r, ist mit gerade einem Oelbild, dem sehr roten Gemälde „Was ist es, das du haben möchtest, Salome?“, etwas dürftig ausgefallen. Dafür sind seine Malerkollegen Paul K a u d e r s (geboren 1922 in Wien), Peter Richard Oberhuber (geboren 1906, jetzt Graz) und Franz Poetsch (ge- , boren 1912, jetzt Linz) desto reicher vertreten: Kau-ders mit 45, Oberhuber mit 35, Poetsch mit 25 Arbeiten. Kauders gibt anständige Malerei, frei, locker, ein angenehmer Impressionismus mit teilweise schon sehr gefestigten Formen und größeren Farbflächen. Oberhuber „ist eine der markantesten Erscheinungen des Grazer Kunstlebens“ (Katalog). Seine Bilder, wirken nicht einheitlich — wohl weil sie aus verschiedenen Abschnitten seines. Lebens stammen. Mit den halbabstrakten Bildern von Franz Poetsch konnte ich am wenigsten anfangen. Erfreulicher erscheint da die Kollektion von Hildegard J o o s (geboren 1909 in Wien), die bei den Professoren Dachauer und Pauser in Wien studierte. Ihre Federzeichnungeft „Meditation, 28“, „Figurale Komposition, 29“ und die „Komposition, 31“ verraten viel Hingabe und Akribie.

Im großen und ganzen aber beherrschen fünf Bildhauer, durchweg Schüler Prof. Wotrubas, das Feld: allen voran Alois H e i d e I mit seinen großen Tieren: Pelikan, Strauß, und den kleineren: Hahn und Gottesanbeterin, Neben den Tieren Heideis is.t es für die Menschen der anderen schwer zu bestehen. Sie tun es in Ehren: Oskar Bottoli mit seiner Steinskizze „Sizilianischer Eselsreiter“, Franz F i-scher mit seinem Torso, Eduard Robitsch mit seinen in die Länge gezogenen stehenden Figuren (Gips) und Rudolf Schwaiger mit seinen sehr grazilen Mädchen.

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