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Wettkampf und Kult waren die Wurzeln

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Die Geschichte von Musik und Sport ist mehr als die belanglose Paarung dieser zwei Bereiche in einer gleichnamigen Hörfunksendung. Die Musik hat den Sport beflügelt, beschleunigt, verschönert. Längst weiß man, daß der menschliche Körper mit Musik viel mehr Energie in Ertüchtigung zu investieren bereit ist als ohne. Alle paar Jahre entsteht - wie Aerobic - eine neue Sportmode mit Musikbegleitung. Jogger laufen mit Walkman-Stöpsel im Ohr ein paar Meter weiter als unbegleitet, Ballett-Anstrengungen sind ohne federnde Musik undenkbar.

Der Ursprung des Sports liegt der Musik näher als dem reinen Überlebenstraining. Alle Leibesübung war ursprünglich kultisch, besonders Mannschaftsspiele dienten dazu, die Feste der Götter zu verschönern. Im alten China gestaltete man den Fastentag mit einem Fußballmatch.

Sportsgeist durchwehte die griechische Kultur. Alles war als Wettkampf angelegt: die Pracht und die Großzügigkeit, mit der die Bürger in den rhythmischen Gesängen und Tänzen wetteiferten, die dichterischen Verse, die Satyrspiele, bei denen man einander an Drastik und Sinnlichkeit überbot. Aus dem Gedanken des Wettei-ferns - „Concertare” - kreierte die abendländische Musik eine Musizierform, bei der eines oder mehrere Soloinstrumente mit einem Orchester in Wettstreit liegen: das Konzert.

Sängerfeste wie jenes unglückliche im „Tannhäuser” und das in Wagners „Meistersingern” machen das musikalische Wetteifern gewinnbringend. Das jungfräuliche Mädchen - Elisabeth oder Evchen - erwählt sich den, der am schönsten singt. In Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz” erfüllt der Sport - das Schießen - einen der Heirat dienlichen Zweck: Wer am besten schießt, ist auch der beste Eidam.

Neuerdings thematisieren Komponisten den Wettkampf auch ganz direkt - und das kann als Reflexion auf die Intrigen des Musikbusiness gesehen werden oder als Rückgriff auf die Geschichte: Friedrich Gulda komponierte „Ping Pong”, ein Match zwischen ihm und Chick Corea. Das ist ein Match zwischen zwei Könnern, die sich von zwei Seiten - Klassik und Jazz - nähern, ein Wettkampf zwischen Improvisation und Notation,

Swing und Cluster. In Mauricio Ka-gels „Match” schlichtet ein Schlagzeuger den Streit von zwei Cellisten. Arthur Honeggers symphonischer Satz „Rugby” ist der Versuch, die Schläge und Rückschläge, den Rhythmus und die Atmosphäre einer der härtesten Sportarten zu vertonen.

„Halftime” heißt Bohuslaw Marti-nus vertontes Fußballmatch. Zur vor Jahren in einer Tageszeitung angekündigten Fußballoper des Otto M. Zykan kam es bis heute nicht. Eine der seltenen Opern, in der geradelt wird, ist Umberto Giordanos „Fe-dora”. Auch Yves Montand singt von der Radfahrerin „La Bicyclette”; William Wal ton widmete einer Badfahrer-Jagd einen Satz seiner Filmmusik „A Wartime Sketchbook”.

Wenn auch die Götter bei olympischen Wettkämpfen nicht mehr mitspielen, die Musik tut's allemal. Als unverzichtbarer Rahmen sind die Hymnen gegnerischer Mannschaften Anfangsritual und Siegesgabe beim Wettkampf. Bis 1948 war übrigens Musik noch eine olympische Disziplin, bei der man in mehreren Kategorien Medaillen gewinnen konnte. Nach wie vor beehren sich Komponisten, für die Eröffnung der Olympischen Spiele zu komponieren. Carl Orff komponierte einen Kanon, die Amerikaner Philip Glass und John Williams Fanfaren. Wienerische

Variante abseits von Olympia: Julius Fucik komponierte einen „Einzug der Gladiatoren” und Siegfried Transla-teur einen „Sportpalastwalzer” mit echten Pfiffen.

Die Wiener Staatsoper ließ den Sport gerade in Form der Ausstellung einer Hürdeninställation in den Pausenräumen zu. Fußballmatches im Rahmen von Kulturfestivals, bei denen die Musizierenden einmal gegeneinander spielen, sind genauso attraktiv wie Konzerte.

Von der Sportlichkeit von Komponisten erzählt die Musikgeschichte weniger, gerade Werner Pirchner läßt sich schwimmend fotografieren (Bild). Robert Schifmann erhob das Spazierengehen zu einer Hausregel für Komponisten, und viele - von Mahler bis Brahms - erwanderten ihre Musik. Erik Satie ging täglich vom Montmartre zu seiner Wohnung in einem Pariser Vorort.

Apropos Satie: Sport inspirierte ihn mehrmals zu Musikstücken: In „Trais Gymnopedies” komponierte er ein Ritual, zu dem nackte Spartaner um eine Statue des Apoll singen und tanzen. Die 21 kurzen Klavierstücke „Sports et Divertissement” sind musikalische Ergänzungen zu Zeichnungen über diverse Sportarten -vom Yachting übers Flirten bis zum Tennis. Sie beginnen -Assoziation zu Turnhallen? -mit einem „unappetitlichen Choral”.

Als das Wiener Konzerthaus gebaut wurde, suchte der Sängerhausverein für sein Vorhaben Mitfinanziers .und fand sie im Wiener Eislaufverein und im Bicycle Club. Gemeinsam wollten die Sportlichen und die Musikalischen ein Ölympion bauen - eine universal benutzbare Anlage für 40.000 Menschen. Das Gebäude könnte heute die Auftritte der drei Tenöre präsentieren - ein Event, das die Musik zur Massen-Show vermasselt. Violinistische und pianistische Virtuosität können auch als Sportübung für Geigerfinger gesehen werden. Womit wir zum Anfang der Musik zurückkehren: In Japan entstanden die ersten Musikhochschulen aus G)rmnastikabteilungen.

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