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Digital In Arbeit

Wie ein moderner Atlas entsteht

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Der Arbeitsbeginn des neuen österreichischen Mittelschulatlas liegt mehr als elf Jahre zurück. Im Jahre 1940 trat der Leiter des Verlages E. Holzel an Dr. Slanar heran, den veralteten Kozenn-Atlas umzuarbeiten. Dr. Slanar war kein Unbekannter mehr auf geographischkartographischem Gebiete. Er hatte als Schulmeister, Wissenschafter und Forscher manches geleistet, den Müller-Richter-Atlas gebaut und 1927 den großen Schulatlas der Gemeinde Wien geschaffen, daneben als geographischer Berater dem altberühmten österreichischen Militärgeographischen Institut gedient. Von der seit 1938 herrschenden politischen Partei in den Ruhestand versetzt und zur Untätigkeit verurteilt, ging er mit Eifer an die neue Arbeit.

Sie bestand zunächst in der Planung des1 neuen Werkes. Während die früheren Schulatlanten mit dem Sternenhimmel begannen, dann die ganze Erde und ihre Erdteile darstellten und am Schluß Österreich und die Heimat brachten, sollte jetzt die Heimat an der Spitze 6tehen, durch sie die Erkenntnis der Fremde gewonnen und eret am Schluß die Erde als Ganzes und ihre Stellung im Weltall behandelt werden. Nicht nur bloße Kennt-n i s, sondern Erkenntnis des ursächlichen Zusammenhanges waren Ziel des Geographieunterrichts geworden, die Fremde mußte mit der Heimat leicht verglichen werden können. Das erforderte wenige, aber leicht kommensxirable Maßstäbe der Karten, die früher bloß dem Papierformat angepaßt wurden Es sollte beispielsweise das ferne Atoll in der Südsee im selben Maßstabe dargestellt 6ein wie die dem Schüler aus eigener Wahrnehmung bekannte Landeshauptstadt, oder die fremden Erdteile sollten mit der gleichmaßstäbigen Europakarte direkt verglichen werden können. So wurde mit Absicht auf der Karte der Mittelmeerländer ganz Nordafrika dargestellt und so dem kleinräu-migen Europa die Weiten de6 afrikanischen Kontinents gegenüberge6etzt. Dem gleichen Zwecke dienen die Karten des Industriegebietes von Manchester, des Donau-Deltas und der Wolga bei Stalingrad, die alle im Maßstab von Heimatkarten gehalten sind. Schließlich sollte der neue Atlas nicht nur der momentanen politischen Einheit, sondern vor allem den wirtschaftlichen Zusammenhängen auf der Erde 6ein Augenmerk zuwenden, daher wurde für jeden Erdteil neben der physischen und politischen Karte eine Karte der Bodennutzung und eine der Wirtschaft in gleichem Maßstabe beigegeben. Daß daneben die Nebenkarten der Völker, Religionen, der klimatischen Verhältnisse und der Bevölkerungsdichte nicht vergessen wurden, verstand sich von selbst Neu sind die Karten der Industrieverteilung und der Verkehrsmittel. Sehr begrüßenswert ist die Gegenüberstellung von Flugbild und Karte. Dem Lehrer wird besonders auffallen, daß die Karten reine Schichtlinienkarten mit Schummerung sind. Besonders eindrucksvoll ist die neue Terraindar-

Stellung mit Zuhilfnahme der Luftperspeküve. In dieser Darstellung finden wir vier Land-6chaftfitypen Österreichs, um das Kartenlesen und Interpretieren besonders zu pflegen.

Methodisch neu ist das Nebeneinanderstellen der Bundeslandkarten mit Pflanzenkleid, Landwirtschaft, Industrie und Bergbau. Der ursächliche Zusammenhang zwischen geographischen Erscheinungen kann so vom Schüler selbst erarbeitet werden. Neu ist auch eine Karte, die die Versorgung der Republik mit Kraftstrom darstellt, 60wie eine morphologische Karte von Österreich; neu die Darstellung der Formen der Landwirtschaft in verschiedenen Klimazonen, auf der zum ersten Male extensive und intensive Wirtschaft einander gegenübergestellt werden. Neu in einem Schulatlas ist auch die Aufnahme einer Bodentypenkarte, die im Gegensatz zur geologischen Karte die Zusammensetzung der für den Bauer wichtigen obersten Bodenschichte charakterisiert.

Nach dieser umfassenden Planung begann die große Arbeit der Materialsammlung. Dem Autor stand dabei eine große eigene Kartensammlung zu Gebote, als Berater des Amtes für Landesaufnahme konnte er an der besten Quelle heimischer Karten Rat holen. Manche letzte Daten, besonders für die reichlich verwendeten Katasterplankarten in 1 :12.500 — übrigens der Hauptkarte für jeden Bauern —, konnten nur an Ort und Stelle gewonnen werden.

Noch größer waren die Schwierigkeiten, in der Nachkriegszeit einwandfreie Daten über das Ausland zu bekommen. Je.de Nachricht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, ja jede Zeitungsnotiz mußte sorgfältig auf ihre Zuverlässigkeit geprüft werden. So konnten zum Beispiel die neuesten topographischen Erkenntnisse bei der Darstellung Ostsibiriens oder Australiens schon verwertet werden. Ebenso mühsam war das Erlangen der Namensänderungen, die weite Gebiete betrafen.

Dann kam die vieljährige Arbeit im Verlag. Schon die Druckgänge der österreichischen Staatskarte zeigen dem Uaien, welche Genauigkeit vom Maschinenmeister bei dieser verhältnismäßig einlachen Karte gefordert wird. Wie viel mehr Können benötigen die Kombinationedrucke der Atlaskarten, bei denen auf Grund monatelanger Versuche (über 400 an der Zahl) die verschiedensten Farbwirkungen durch Ubereinanderdrucken verschiedener Farben erzielt wurden.

Das Resultat all dieser vielen Mühen sind dann aber auch Karten, die 6elbst ein Künstlerauge entzücken müssen. Slanar hat schon bei seinem früheren Atlas ein Vorwort geschrieben, in dem er den Mitarbeitern dankt, und diese schöne Sitte mit Recht auch beibehalten.

Slanar widmet die Arbeit der Jugend Österreichs zur Erkenntnis der Heimat, zur Gewinnung eine6 zutreffenden Weltbildes und zur Erreichung einer friedlichen Zukunft. Jeder Österreicher kann dieser Widmung seiner Gabe nur beistimmen.

Direktor Maria D 1 a b a c

Das österreichische Wohnungsproblem, eine wirtschaftliche Tragödie. Von Kamillo Pistor. Im Eigenverlag, brosch. 120 Seiten.

Eine sehr temperamentvolle und hinsichtlich des gebotenen Zahlenmaterials aufschlußreiche Broschüre, die, den Standpunkt der Hausbesitzer vertretend, eines der elementaren Probleme der österreichischen Wirtschaftspolitik untersucht. Man kann zwar den Ansichten des Autors nicht in allem zustimmen — keineswegs hinsichtlich der Beurteilung der Vorkriegsverhältnisse auf dem Wohnungssektor —, kann aber feststellen, daß die Vorschläge des Verfassers beachtenswert und diskussionsreif sind. Schließlich muß man auch die andere Seite zu Wort kommen lassen, um so mehr als nicht geringe Teile des Standes der Hausbesitzer heute, als Folge der völligen Ertragslosigkeit der Miethäuser, verproletarisiert sind und es so etwas gibt (eine Groteske!) wie das Problem der Entproletarisierung der kleinen Hausbesitzer. Die kleine Schrift bildet einen Beitrag zu dem Bemühen, die Wohnungsfrage aus dem Bereich der tagespolitischen Auseinander-

Setzungen herauszunehmen und an Stelle von wahlpolitischen Erwägungen sich darüber schlüssig zu werden, wie neuer Wohnraum geschaffen werden kann.

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