Wie man Beethoven rezipieren kann

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Eine Ludwig-Actionfigur oder Eier, die samt Wurf-Anekdote seinen aufbrausenden Charakter vermitteln sollen -originelle Angebote schaffen neue Zugänge.

Neben zerknülltem Notenpapier steht eine leere Kaffeetasse, Mineralwasserflaschen sind aufgereiht als Sinnbild für die nahe Heilquelle, aus einem Grammophon ertönt "Wenn ich ein Vöglein wär", gesungen von Dietrich Fischer-Dieskau. Vielfältig sind die Zugänge zum Leben und Werk Ludwig van Beethovens im Ende November eröffneten, ersten Beethoven Museum Wiens. Bereits seit Jahren war eine Wohnung des Hauses in der Probusgasse in Döbling als 45 Quadratmeter große Musiker-Gedenkstätte genutzt worden, nun steht das gesamte Gebäude mit 250 Quadratmetern Ausstellungsfläche zur Verfügung. Wien Museum-Direktor Matti Bunzl verspricht einen "Erlebnisparcours" in sechs Stationen. Eingangs kann man beispielsweise im Geiste mit Beethoven von Bonn nach Wien reisen, wenn Kutschentüren und -plan an der Wand hängen. Nicht sein originales, aber doch sein ideelles Gepäck lässt sich hier betrachten, Schriften von Kant, Schiller, Goethe, frühe Kompositionen -und ein Foto von Napoleon. Dieser war nicht nur daran Mitschuld, dass Beethoven in Wien blieb. Ihm widmete der Komponist, wie in einem weiteren Raum zu sehen ist, vorerst die "Eroica". Doch von der Titelseite der Partitur, die als Faksimile präsentiert wird, hatte er nach dessen Kaiserproklamation die Widmung heruntergekratzt.

Schlaglichtartig geht man auf Beethovens Leben ein, vor allem eben auf jene Zeit, die er in Heiligenstadt verbrachte. Er kam der Gesundheit wegen, von der nahen Heilquelle erhoffte man sich Linderung seiner Leiden. Beethoven unternahm hier nicht nur ausgedehnte Spaziergänge, auf die der Museums-Besucher mental mitgenommen werden soll, wenn er beispielsweise Julius Schmids Gemälde des sinnenden Wanderers Beethoven sieht. Er schuf hier Teile der "Eroica", die "Prometheus"-Variationen und die "Sturm"-Sonate.

Neues auch für Beethoven-Kenner

In dem neuen Museum soll sogar Beethoven-Spezialisten Neues geboten werden, wie der Co-Kurator William Kinderman, einer der weltweit führenden Beethoven-Experten, erläutert. "Die wenigsten wissen, dass er von der Sturm-Sonate zwei Entwürfe gemacht hat, daher stellen wir hier Faksimile, Übertragung und Aufnahme nebeneinander -der erste Entwurf war bisher auch in der Beethoven-Forschung völlig unbekannt", sagt Kinderman.

Vor allem gehe es in der von Lisa Noggler-Gürtler kuratierten und von Peter Karlhuber gestalteten Ausstellung aber darum, Leute anzusprechen, die nicht zwingend viel über Beethoven wissen. "Wir möchten nicht nur von Beethoven erzählen, sondern die Besucher auch zum Nachdenken darüber bringen, wie sie Musik rezipieren", sagt Noggler-Gürtler. So lässt beispielsweise der Nachbau des Eroica-Saals im Palais Lobkowitz besser verstehen, wie stark die damalige Aufführungspraxis von der heutigen differiert. Der Saaltext verweist hier darauf, dass die Instrumente zu Beethovens Zeiten nicht nur anders klangen, sondern dass gerade die Musik Beethovens damals in den Palais und Salons geklungen habe, als wäre sie von tausend Musikern gespielt worden.

Dem extrem Lauten steht in anderen Abschnitten der Ausstellung erwartungsgemäß das extrem Leise gegenüber. Nicht nur eine monumentale Hörschnecke als Installation im Garten des neuen Museums weist auf das Leiden Beethovens hin. In einem mit Akustikschaumstoff ausgekleideten Raum kann der Besucher die "Ode an die Freude" zuerst im Original hören, wenn er eine Taste drückt, bei der nächsten jedoch derart gedämpft, wie sie möglicherweise für Beethoven klang. Durch das Halten einiger Tasten wird auch anhand der "Pathetique" der stetige Hörverlust nachvollziehbar gemacht. Der Raum ist an sich dem "Heiligenstädter Testament" gewidmet, jenem nie abgeschickten Brief an seine Brüder, der von seiner Lebenskrise zeugt und der hier in der Probusgasse verfasst wurde.

Im Ganzen versucht man neben Konversationsheften und zahlreichen Dokumenten auch durch originelle Vermittlungsangebote neue Zugänge zu ermöglichen: Ob durch eine Ludwig-Actionfigur, Eier, die samt Wurf-Anekdote seinen aufbrausenden Charakter vermitteln sollen, oder eine monumentale Büste, um die Möbelpacker-Gurte gelegt wurden. Und man erfährt eben auch, wie Beethoven seinen Kaffee trank und dass ihm die Idee zu "Wenn ich ein Vöglein wär" ganz in der Nähe kam.

Beethoven Museum Probusgasse 6,1190 Wien Di -So, 10-13 und 14-18 Uhr www.wienmuseum.at

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