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Wiedereröffnung des Grazer Diözesanmuseums

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Der Grazer Dom steht im Zeichen der Heimholung seiner Kunstschätze aus den Verlagerungsorten der Bombenjahre. Den Anfang machten schon 1946 die berühmten Reliquienschreine, die beiden kostbaren Brauttruhen, die, um 1470 in Mantua für Paolo Gonzaga hergestellt — nach vieljährigen Raststationen auf Schloß Bruck bei Lienz, dann im Kloster der Georgsritter zu Millstatt, einem Fundationsgut der Grazer Jesuitenniederkssung —, 1617 zur Bergung zahlreicher Reliquien, die Papst Paul V. Erzherzog Ferdinand durch Pater Villerius S. J. hatte übermitteln lassen, verwendet worden waren. Ihr singulärer Wert liegt in den kunstvollen Elfenbeinschnitzereien, die, angeregt von Petrarcas Trionfi, Andrea Mantegna persönlich und, zum größeren Teil seine Werkstattgehilfen, verfertigt hatten. Die Truhen hatten in den lezten Kriegsjahren in Pischelsdorf ein Asyl gefunden.

Vor kurzem erst ist auch das nicht minder berühmte Grazer Dombild, 1457 von Konrad Laib gemalt, das mit Tintorettos Mariä Himmelfahrt der Stadtpfarrkirche zum hl. Blut in der geräumigen Pfarrkirche Eggersdorf Zuflucht genommen hatte, nach Graz zurükgekehrt. Es zog freilich nicht sogleich in seine Heimstatt ein: auf Monate hängt es in der eben eröffneten Sonderausstellung des Joanneums, zusammen mit zwei anderen Werken des Meisters: der um acht Jahre älteren, bedeutend kleineren, aber ungleich besser erhaltenen Kreuzigung von „Pfennich” aus dem Wiener Kunsthistorischen Museum und den prachtvollen Orgelflügeln de Salzburger Städtischen Museums, darstellend die Heiligen Hermes und Primus. Nach der Ausstellung wird unsere „Kreuzigung mit Gedräng” voraussichtlich mit zwei mutmaßlichen Aus- stattungsstüken des Doms in der Alten Sakristei Aufstellung finden.

Etliche Wochen zuvor nun wurden die wertvolleren Stüke des Diözesanmuseums aus dem Pfarrhof Pischelsdorf heimgebracht. Der alte Ausstellungskatalog zählte 88 Stüke.

Da sie zumeist Leihgaben steirischer Pfarrkirchen oder des Landesmuseums waren und etliche Stüke wieder abberufen wurden, hat sich die Zahl etwas verringert. Trotzdem ist die Ausstellung sehenswert.

Von den sechs Kruzifixen nennen wir nur drei: das älteste, den romanischen Kruzifixus aus Stift Göß, dessen Entstehung um 1180 angesetzt wird; das jüngste aus Mautern, dessen Schöpfer kein Geringerer ist als Thaddäus Stammel, „der größte Plastiker der Alpenländer seit der Gotik”; und das ergreifendste, den sagenumsponnenen Grazer „Galgen-Christus”. Er soll ursprünglich an einer Richtstätte gehangen, ein Gefolterter dazu das Modell abgegeben haben. Garzarolli-Thurnlakh schreibt ihn einem Gehilfen Lorenz Lucbspergers zu.

Christus, der Schmerzensmann, der Verklärte, der Segnende ist Ln würdigen und kennzeichnenden Proben alpenländischer Schnitzkunst vertreten. Trotz seiner unruhigen, sdiablonierten Bemalung, ist das populärste Schaustück der Auferstandene aus Mautern, eine Linden- holzplastik aus den Jahren 1310 bis 1315, die dem Wiener-Neustädter Minoriten- meister nahesteht.

Geschnitzte Madonnen sind elf zu sehen, darunter etliche vom Typus der „Schönen Madonna”. Lokalgeschichtlich am wichtigsten ist die „Wettmannstättener”. Wenn auch Postament und Fußpartie bereits angemorscht sind, die ursprüngliche Fassung bis auf kümmerliche Reste abge- blärtert ist, bleibt das Werk, das einem Jünger Jakob Kaschauers zugewiesen wird, noch immer verehrungswürdig. Die vom frühverewigten Gründer des Museums, Dr. Johannes Mandl, ausgesprochene Vermutung, daß es sich hier um das letzte plastische Ausstattungsstük der Gotik im Dome handelt, wird immer allgemeiner geteilt, von Garzarolli für fraglos gesichert angenommen.

Die Figuren zahlreicher Heiligen sind naturgemäß recht ungleich und bunt zusammengewürfelt: Vertreter einer ausgedehnten Diözese, obdachlose Opfer der Stilwandlung. Vier von ihnen wurden gewürdigt, in Thuralakhs verdienstlicher Bilderbibel „Mittelalterliche Plastik in Steiermark” in Lichtbildern vorgeführt zu werden. Den aus drei Blöken zusammengefügten Apostelfries aus Großlobming hat schon 1923 Suida in seinem Führer durch die Alte Galerie des Joanneums abgebildec, ebenso das Mittelstük dreier Reliefs von Philipp Jakob Straub, bescheidene Überreste aus der Barockausstattung der Grazer Stadtpfarrkirche.

Durchaus „galeriefähig” sind eine Reihe von gotischen Tafelbildern, darunter der Flügelaltar der Gradener aus Köflach, die thematisch und formal an Albrecht Dürers Baumgartner-Altar erinnernden Tafeln aus St. Anna bei Hartberg wie die beiderseits bemalten Flügel aus Hirschegg, datiert 1503, die nach Mandl „zweifellos zu den besten erhaltenen Werken steirischer Tafelmalereien” ihrer Zeit gehören.

Seit über einem Jahrhundert genießt Hausrecht aUhier Giulio Licinios Beweinung Christi. Bald nach ihrer Ankunft in Graz ließ sie Erzherzogin Maria von Bayern, Kaiser Ferdinands II. Mutter, für die gegenüberliegende Hofkapelle als Altarblatt in öl malen. Nach dem bedauerlichen Abbruch der Kapelle fand sie im Hoforatorium Raum, nach Joseph Wastler ein „höchst charakteristisches Werk der vene- tianisch-friaulischen Schule, dadurch kunstgeschichtlich von Wert, daß es das einzige erhaltene unzweifelhafte Gemälde des Künstlers”, eines Neffen und Schülers Porde- n o n e s, ist.

Sechs Kasein aus fünf Jahrhunderten bieten nach Material und Form eine sprunghafte Entwiklungsgeschidhte der Paramen- tik. Die älteste (15. Jahrhundert) aus italienischem Seidendamast trägt aufgestikt die Hl. Drei Könige, das nächstältere ein goti- • sch es Astkreuz. Natürlich ist auch mancherlei sakraler Hausrat zu schauen: ein Pestlöffel aus Leoben-Waasen, eine Wahlurne aus Stift Stainz, ein schmiedeeiserner Schlüsselträger aus Stift Lambrecht, eine Taufschüssel aus Pürgg mit getriebenen Hirschen, ein Metallantipendium aus Poliauberg, Reli- quiare, Ampeln, Grabkreuze usw.

Andere und ältere Diözesanmuseen mögen prunken mit wertvolleren Plastiken und Bildwerken, das der Diözese Sekau bestrikt vor allem durch seine stimmungsvollen „autochthonen” Räumlichkeiten, die drei übereinander gebauten Hofkapellen, die ihre Entstehungsjahre 1438, 1499 und 1554 in Stein gegraben an den Stirnen tragen. Die mittlere trägt auch den Wahlspruch des kaiserlichen Bauherrn, AEIOU. Diestolze Auslegung „Alles Erdreich ist erreich untertan” ist leider längst desavouiert, nicht aber die originelle, die Abraham a Santa Clara 1673 bei einer Kaisertrauung auf der Domkanzel ausgesprochen: „Allen ersprießlich ist Österreichs Urteil”. — Man darf beifügen: und sein Kunstschaffen.

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