6567564-1950_04_11.jpg
Digital In Arbeit

Wiedersehen mit Görz

Werbung
Werbung
Werbung

Der elektrische Zug hat Cormons, die kleine, ehemalige Grenzstadt, passiert und nähert sich mit voller Geschwindigkeit Görz, der Stadt am Isonzo. Gorizia nennen sie die Italiener, Gorica die Slowenen.

Jedes erwartete Wiedersehen mit einem geliebten Wesen läßt das Herz lauter schlagen und schafft jenen herb-süßen Zustand zwischen Hoffen und Bangen. Auch dann, wenn die Erwartung einer Stadt, einem lieb-gewordenen Stückchen Land gilt.

Hat sich Görz, dieses Kleinod an der Schwelle des Südens, während der letzten drei Jahrzehnte stark verändert, hat es seinen Charme nicht durch das Neue eingebüßt? Viele Fragen noch lösen sich aus der Spannung, konzentrieren alle Gedanken auf einen Punkt. Bis plötzlich, wie aufgeblendet, das jahrelang in schönster Erinnerung verbliebene Bild Wirklichkeit geworden ist — die letzte Krümmung der Bahnstraße gibt den Blick auf Görz frei.

Nichts scheint verändert. Der äußere Rahmen ist erhalten geblieben: die Alpen weit mit ihren weißen Gipfeln, der blaue Isonzo, 'die fruchtschwere Ebene und im südlichen Hintergrund der Spiegel des Meeres.

Doch aus dem satten Grün der vielen Gärten leuchten neue Viertel; man erkennt Anlagen, die einen vom Süden stark beeinflußten Stil zeigen. Und auf dem Wege vom Bahnhof zur Stadtmitte neue, imposant wirkende Bauten. Das Istituto nazionale, Amtsgebäude, Schulen und Privathäuser, alles von einem Geist geschaffen, der vom Bodenständigen stark abweicht. Es drängt sich der Vergleich auf mit einem Reis, das auf einen alten, festen Stamm aufgepfropft wurde.

Und dieser alte Stamm lebt in ungebrochener Kraft im Kern, in den alten Gassen mit ihren stimmungsvollen Laubengängen, in den Häusern mit barocken Fassaden und in dem Kastell, vor 750 Jahren als Residenz der Grafen von Görz erbaut. Und in dem alten Dom, seit 1702 in neuer, barocker Gestalt. Auch er ist ein Denkmal österreichischer Baukunst des 18. Jahrhunderts.

Hier überall spricht eine alte, weite Länder umspannende Geschichte. Wo findet sich fast Gleiches? Salzburg könnte es sein oder Innsbruck, Reichenberg oder Brünn. Kraftvoll und befruchrend floß durch Jahrhunderte der schöpferische Strom und prägte Unvergängliches.

Was aber die Stadt am Isonzo ihren — seit Jahrzehnten zum Ausland gewordenen — Schwestern voraus hat, ist ihr farbenfrohes Kleid, gesäumt von Blumen und Pflanzen des Südens. Das nur wenige Kilometer entfernte Meer schickt seinen warmen Hauch bis an die Hänge des nördlichen Mittel- und Hochgebirges und läßt bezaubernde Farbenwunder erstehen.

Der Frühling, der nach fast immer schnee-ond frostfreiem Winter schon im Februar in seine Rechte tritt, kommt nicht mit kleinen, bescheidenen Blüten wie in unseren Breiten. Magnolien, Orchideen und die Blüten des Judasbaumes sind sein erstes Gefolge. Von Kamelien glüht es, als würden feurige Kohlen an die Lehnen der Hügel gelegt worden sein. Unaufhörlich kommen und vergehen neue Blüten, fast ohne Unterbrechung, und mit Ausnahme weniger, klimatisch rauher Stellen läßt auch der Winter kein Aufhören zu: Rosen, blauer Rosmarin, weißer Lorbeer, die Stecheiche, der japanische Spindelbaum und viele andere, sie alle blühen ohne Ende. Palmen, Lorbeer- und Myrtengesträuch sind mit anderen subtropischen Pflanzen die bezaubernde Ergänzung dieser farbenleuchtenden Flora.

Unverblichene Pracht schenkt auch der Blick vom Kalvarienberg: Udine, Aquüeja, die Adria, der Matajur, der Monte Cavallo, der Nanos, die istrische Küste, alles das fällt in den Gesichtskreis. Auf den Monte Santo mit der alten Wallfahrtskirche führt jetzt ein Seilschwebebahn; er war 1915 bis 1918 der „Blutberg“ an der Isonzofront-

Vicr Jahrhunderte vorher kam das Ländchen zu Österreich. Nicht ohne Kämpfe. Denn die Venezianer machten den Besitz streitig; 1508, 1509 bis 1514 und 1615 bis 1617 führten sie darum Kriege. Mit“ dem letzten ist auch der Name Wallenstein verknüpft. Pest, Bauernaufstände, Franzosenkriege und zeitweilige Abtrennung vom österreichischen Staatsverband hinterließen bald verwischte Spuren.

Denn ungebrochen blieb die Kraft, strömend aus dem Land und der innigen Bindung mit den übrigen Teilen des Donaustaates. Daran änderte auch nichts das räumliche Zusammentreffen dreier Volksgruppen, der deutschen, italienischen und slowenischen. Im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wettbewerb stehend, entwickelte jede einzelne beachtliche Leistungen, die einen harmonischen Dreiklang ergaben.

Manches hat sich während der letzten dreißig Jahre auch hier geändert in staatlicher und politischer Hinsicht. Unberührt davon blieben die großartigen Naturschönheiten. Ist auch der Süden vorherrschend, zeigen sich in unmittelbarer Nähe der Stadt auch Land-schaftsbilder mitteleuropäischen Einschlages. So erinnert der Panowitzwald mehr an die Donaulandschaft als an die Nähe der Adria.

Und über der Stadt zieht die Hochfläche des Tarnowanerwaldes dahin. Über 1200 Meter hoch ist der gewaltige Bergzug. Eine wunderreiche Landschaft ist es mit Besonderheiten, die es in der Welt kaum noch gibt. Steil und wildzerklüftet sind seine Hänge, in denen die Gemse haust. Darüber der Wald, viele tausend Hektar von mächtigen Tannen, Fichten, Buchen und Eidien bedeckt. Und so kommt es, daß über der Gemse das Reh seine Äsung sucht, über dem Edelweiß Erdbeeren und Pilze gepflückt werden können. Zahlreiche Wildsorten, Siebenschläfer und Raubwild haben hier in der kaum gestörten Einsamkeit ideale Lebensbedingungen.

Sieht man durch die eine oder andere Lichtung durch, dann entrollen sich wahrhaft zauberhafte Bilder: hier der glänzende Schnee des Triglav, dort die weiten Ebenen Italiens, die Lagunen und das blaue Meer. Es zeigt sich als buchtenreiche, tiefgegliederte See und etwas links von einer dichten Rauchwolke, die über der Industriestadt Monfalcone liegt, fällt eine kleine Anhöhe auf: Schloß Duino. Mit seinem Namen sind zwei Größen der Weltliteratur verbunden: Dante Alighieri und Rainer Maria Rilke.

Entzückende Orte gibt es noch, St. Daniel, wo eine süße Traube reift, Kobdil, Sesana und Reifenberg. Hier ist die Waldherrlichkeit zu Ende und der Karst beginnt. Nidits erfreut mehr das Auge; nur graue Blöcke, kurzrasige Hutweiden, von niederen Steinmauern umgrenzt, hie und da ein Tümpel schmutzigen Wassers. Die Landschaft ist groß, aber öde.

Südlich von Gradiska, der reizvollen Stadt, der kleine Ort Redipuglia. Er hat eine erschütternde Sehenswürdigkeit — den gewiß schönsten und weihevollsten Heldenfriedhof aus der Zeit des ersten Weltkrieges.

Verwittertes, seit Jahrhunderten ohne schützenden Pflanzen- und Baumwuchs, Sonne und Wetter ausgesetztes Gestein gibt den Grundton der Bodenfärbung an. Und inmitten des eintönigen Grau und Braun ein farbenfreudiger Punkt. Wenn auch gedämpft, dem Sinn der Anlage entsprechend, leuchtet dennoch da Helle durch.

Schneeweiße, breite Treppen aus edlem Marmor führen in steiler Flucht den hohen Hügel hinauf. Zu beiden Seiten grüne Rasenstreifen, eingesäumt von je zwei Reihen schlanker Zypressen. Und als erschütternde Krönung hoch oben drei hohe, einfache Kreuze. Sie stehen dunkel gegen den seidigblauen Himmel, gleichsam als Mahner an das Zeitlose, an die Ewigkeit.

Vor dem kleinen Dorf San Giovanni, einige Kilometer südlich Monfalcone, wird der Timavo auf langer Brücke überquert. Ein Fluß wie jeder andere scheint es zu sein. Dennoch ist dieses Gewässer ein Phänomen, ein typischer Karstfluß, dessen breiter Lauf nur knapp einen Kilometer lang ist. Der Timavo entspringt einige hundert Meter links von der Straße und mündet in fast gleicher Länge in die Adria.

Unterhalb eines langgezogenen, haushohen Felsabsturzes quillt, wie aus einer Höhle her-auisgestoßen, ein Wasserschwall, füllt einen kleinen See und strömt dann als etwa fünfzig Meter breiter, tiefer Fluß ab. Um seinen Ursprung hat sich eine pflanzen reiche grüne Oase gebildet, in der hauptsächlich Sumpfblüten gedeihen.

Und Duino, das Schloß, mit Rilkes Namen innig verwoben. Sein Park ist voll ungeahnter Wunder. Allesj was der Süden an farbenprächtigen Blumen und Pflanzen aufzubieten hat, ist hier bodenständig geworden. Eine Sinfonie glühender, immer wieder sich erneuernder Farben.

Viele Meter tief unter diesem Märdiengarten brandet das Meer. Bald in längeren Zeitabständen, dann wieder stürmisch, schlagen seine Wellen an die fast lotrechten, zerklüfteten Felsen. Blau ist das Wasser, unwahrscheinlich blau. So, als wäre alles Ultramarin der Welt in diese kleine Bucht gegossen. Man ist versucht, hinabzusteigen und eine Handvoll dieser azurnen Tropfen zu schöpfen, um sie als selige Erinnerung in die rauhere Heimat mitzunehmen. Wer denkt auch in solch' beglückendem Augenblick daran, daß dieses bezaubernde Blau farblos zersprühen würde wie so vieles im Leben, das verlockend schillert und lockt, dessen Inhalt aber nur mißfarben ist.

Görz und sein Küstenland Lt ein Paradies, und wer es gesehen, wird immer wieder voll Sehnsucht bleiben, bis sie doch einmal Erfüllung findet. Nicht einmal, immer wieder möchte man wiederkommen ...

Aus kulturellen Vereinigungen

Wiener Katholische Akademie: 23. d.r 17 Uhr, Prof. M. G i r a r d i: .Die Seilerstätte, der Rahmhof und die Spargelburg“. — 18 Uhr, Dr. R. Feuchtmüller: „Die Malerei der Gotik in Niederösterreich“. — 19 Uhr, Dr. H. Vogelsang: „Die Frau und der Gottesgedanke in Hebbels Dramen“. — 24. d, 17 Uhr, Univ.-Prof. Dr. J. Gabriel: „Die drei ersten Kapitel der Genesis“. — 18 Uhr, Univ.-Prof. Dr. H. P1 e n k : „Das psycho-physische Problem“. — 26. d., 18 Uhr, Dr. W. Böhm: „Die Erdzeitalter und der biblische Schöpfungsbericht“. — 27. d., 18 Uhr, Prof. Dr. P. L. Kocb SVD: „Athanasius und die Auseinandersetzung mit dem Arianismus“ (Reihe „Christliche Denker der Antike').

Technisches Museum: 21. d., 15.30 Uhr, „Dieses ist Amerika“ (3. Folge), Tonfilmvorführung.—22. d., 10 Uhr, Vizedirektor Ing. E. Kurzel-Runtscheiner: „Die Technik in Abbildungen der Zeit“ (Lichtbildervortrag, begleitet von Tonfilmvorführungen).

Kulturgemeinschaft „Der Kreis“: 25. d.r 20 Uhr, Jahreshauptversammlung.

Katholische Akademikerseelsorge: 22. d., 10.15 Uhr, Pfarre X, Quellenstraße 198, Hofrat Dr. A. Brommer: „Moderne Physik und Religion im Widerspruch?“. — 23. d., 18.30

Uhr, DDr. Claus S c h e d 1, CSsR, Universität, Collegium Publicum, Philosophische Fakultät, Hörsal 38: „Der Herr der Welt“. — 24. d, 19.15 Uhr, Pfarre Wien XVIII, Gentzgasse 140, Josefssaal, Dr. Franz J a n t s c h: „Aus eigenen Werken“. — 24. d., 20 Uhr, Prof. Otto Mauer, Pfarre XIX, Kaasgraben, Ettinghausengasse 1: „Die geistige Situation der Zeit und das Christentum“. — 25. d, 19.30 Uhr, Di. Anton Burghardt: „Verbürgerlicht die Kirche?“, Pfarre II, Große Pfarrgasse 15. — 25. d., 19.30 Uhr, Pfarre VI., Barnabitengasse 14, Salvatorsaal, Pfarrer J. E. Mayer: „Der Heilsweg der Kirche“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung