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Wien um 1900
Das Klimt-Bild „Tod und Liebe“, das die eine der vier Festwochenausstellungen in der Secession, dem Künstlerhaus und dem Historischen Museum der Stadt Wien — die unter dem Motto -„Wien um 1900“ zusammengefaßt sind -—, unmittelbar dem Eingang gegenüber einleitet, kann als Symbol des neuerlichen Umbaues der Sezession betrachtet werden. Ein nahezu klassisch gewordener Bau ist im Großen wie im Detail beinahe unwiderruflich zerstört und verändert, an die Stelle des „Ver sacrum“ das Mehrzweckedenken radikalen Kultur-banausentums gesetzt worden. Der schleichende Tod hat hier eine fast noch junge Liebe dahingerafft.
Ebenso zwiespältig mutet die Ausstellung der „Malerei in Wien um 1900“ in der Secession an. Natürlich erschien der Gedanke verlockend, ein Bild des damaligen Aufbruches unter einem historischen Gesichtspunkt zu geben, den Querschnitt dessen, was die Secession einmal war. Das hätte aber ruhig ohne jene überwältigende Fülle von Belanglosigkeiten, ja Greuel, geschehen können, die hier um die führenden Künstler dieser Zeit geschart ^^^^fti&m/^ ta:tnn karift'nicht auf Qualität verzichten, auf Bedeutung und Rang, sie dürfte auch nicht Lücken aufweisen, die man ohne weiteres füllen hätte können. Eine Hängung mit Witz und Geist, die antithetischer verfahren wäre, hätte vielleicht noch einiges gerettet.
Weitaus geglückter mutet die Ausstellung von angewandter Graphik im Parterre des Historischen Museums der Stadt Wien an. das auf diesem Gebiet eine umfassend ausgebaute Sammlung besitzt. Schon der Aufbau der Ausstellung ist überlegter und konsequenter als der der Malerei in der Secession: in seinem didaktischen Bemühen einleuchtend und klar, in der Darbietung geordnet und souverän. Und die Fülle des Materials bietet immer wieder neue 'Überraschungen, Reminiszenzen und Entdeckungen an, die sich zu dem geschlossenen Bild einer Zeit zu formen imstande sind.
Wesentlich weniger überzeugend wieder erscheint die Auswahl von Zeichnungen, Aquarellen und Kunstgewerbe im Künstlerhaus, die die einzelnen Künstlerpersönlichkeiten keineswegs in ihren stärksten und eindringlichsten Leistungen charakterisiert. Hier ist so viel Beiläufiges vertreten, daß man sich fragen muß, ob Ausstellungen von solcher Bedeutung — zumindest lokaler — nicht einer intensiveren Planung und Auswahl bedürften. Auch im Kunstgewerbe, das einige besonders schöne Objekte zu bieten hat, würde man sich verschiedene Akzentverlagerungen, die Schließung von Lücken und Vorbildlicheres wünschen.
Im großen und ganzen gesehen bieten die Ausstellungen das Bild einer versäumten Gelegenheit, nämlich der, in erlesenen Beispielen zu demonstrieren, was Wien um 1900 in seinem Bemühen, in die internationale Kunstentwicklung einzutreten, an wirklich Gültigem geleistet hat. Ohne dem Snobismus, der heute auch die hybride Bewegung des Jugendstils in das Bewußtsein und vor allem in das Geschäft gehoben hat, das Wort reden zu wollen, hätten das wirklich erregende, aufschlußreiche und bedeutsame Ausstellungen werden können. Wie sie aber sind, wirken sie kleinlich und provinziell, ein dramatischer Akzent der tatsächlichen Situation.
Die Galerie Würthle zeigt Karikaturen von Lyonel Feininger, von dessen bedeutender Persönlichkeit man in der Albertina-Ausstellung bereits verspätet eine gewisse Ahnung bekam. Diese frühen Gelegenheitsarbeiten bestätigen das unverwechselbare Temperament eines Künstlers, dem das Bizarre und Groteske einen notwendigen Nährboden für seine manchmal fast klassischen Arbeiten gab.
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