6541917-1946_45_08.jpg
Digital In Arbeit

Wiener Herbstausstellungen

Werbung
Werbung
Werbung

Zur 950-Jahr-Feier Österreichs veranstaltet auch die Wiener Kunstakademie eine repräsentative Ausstellung, die einen Überblick über das Schaffen und die Persönlichkeiten ihrer ehemaligen Lehrer und bedeutenden Schüler, zugleich aber auch ein Bild ihres Einflusses auf die Entwicklung der österreichischen Kunst geben soll. Die Kunstschätze der Akademiegalerie sind ja weit über die Grenzen unserer Heimat hinaus bekannt, die Bestände der graphischen Sammlungen der Akademiebibliothek stehen ihnen an Güte nicht nach.

Die Ausstellung umfaßt in erster Linie Bildnisse der hervorragenden akademischen Lehrer von ihrer Gründung im Jahre 1692 bis etwa zum Beginne des ersten Weltkrieges, ist also eine historische Schau, deren Charakter auch in einer Reihe von Graphiken und Bildern zur Geltung kommt, in denen die verschiedenen Baulichkeiten dargestellt werden, die seit 1692 der Akademie zur Unterkunft dienten. Gerade dieser Teil der Ausstellung verdient besonderes Interesse.

Begreiflicherweise ist das 18. Jahrhundert als die hohe Zeit barocker Kunst ganz besonders hochwertig vertreten. Man braucht nur die Namen Gran, Kremser-Schmidt, Maulpertsc h, F. X. Messerschmid, R. Donner oder Giuliani zu nennen, die mit der Wiener Kunstschule in engster Verbindung standen. Ein Brief Goethes, in dem er sich für eine Auszeidinung der Akademie herzlichst bedankt, beweist, welch hohe Wertschätzung diese Schule auch in Deutschland besaß. Interessant ist ein Stück Gips mit einer Porträtzeichnung Schuberts, die Moritz von Schwind mehr als dreißig Jahre nach dem Tode des Liederfürsten im Atelier Kundmanns aus der Erinnerung schuf. Sie gehört zu den kostbarsten Schätzen der Akademiebibliothek.

Außer diesen hauptsächlich historisch sehenswerten Werken muß auf die vielen prächtigen Landschaften, Stilleben und Bildkompositionen hingewiesen werden, die den Kunstkennern wohlbekannt sind, aber immer wieder gerne gesehen werden. Arbeiten von Waldmüller, diesem wohl größten Künstler der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das wundervolle Selbstporträt Amerlings, die „vier Sinne“ M a k a r t s, einzelne Werke von Feuerbach, Delug, Rumpier, Bacher und anderen Meistern des 19. Jahrhunderts liefern den Nachweis, wie viele bedeutende Künstler an dieser Schule als Lehrer und Schüler gewirkt, haben. Sie alle dienten unserem österreichischen Vaterlande und haben daher ein Anrecht auf den Dank der Nachwelt.

Ein feiner Aquarellist hat in einem Gassenlokal am Schubertring 9 eine stattliche Anzahl von Landsdiaftsimpressionen aus Rußland ausgestellt, die den Wunsch wach werden lassen, noch öfter Bekanntschaft mit diesem technisch ausgezeichneten, feinfühligen Künstler machen zu können. Alex O h n o u t e k hat während seiner militärischen Dienstleistung die weite russische Landschaft der Pripjetsümpf- sowie das wellige Land um Gomel und Kursk mit den Augen des Künstlers gesehen und in stimmungsvollen Aquarellen festgehalten. Wolken- und Beleuchtungsstudien, kleine russische Dörfer, russische Bauern, Interieurs aus Bauernstuben und Ställen werden vor dem Beschauer lebendig. Es ist eine ganz eigenartige Welt, die sich vor uns auftut und auch ihre besonderen Reize besitzt.

In der Galerie Welz (L, Weihburggasse 9) ist diesmal der Graphiker und Monotypist Ferdinand Eckhardt zu Gaste, dessen Schaffen vor einiger Zeit in diesen Blättern gewürdigt worden ist. Die graphische Schau enthält eine Anzahl großer Holzschnitte, einerseits Ansichten bedeutender Architekturbauten Wiens, andererseits prächtige Blätter aus der Wachauer Mappe des Künstlers sowie aus Holland und Deutschland.

Von besonderer Eigenart sind die Mono-typien Eckhardts, der auf diesem künstlerischen Gebiete große Meisterschaft erreicht hat. Diese Blätter zeigen hervorragende optische Reize, vor allem in der starken Gliederung der Flächen. Er behandelte in dieser Technik hauptsächlich Motive aus Salzburg, Wien und anderen österreichischen Städten sowie aus Holland. Sehr fein sind auch die farbigen Monotypien aus der heimischen Alpenwelt. Wie wundervoll der Künstler atmosphärische Stimmungen festzuhalten vermag, beweisen die sechs Varia-t'onen über das Motiv „Ratzenstadl“, diesen alten Rest der Wiener Vorstadt.

Daß Malerei und Graphik nicht nur eine Domäne des Berufskünstlers sind, beweist die Ausstellung „Bilder, die wir sehen!“ im Messepalast, in der an 800 Bilder und Graphiken von Männern und Frauen zu sehen sind, die an der „Volkshochschule an der Akademie der bildenden Künste“ unter der ausgezeichneten Leitung von Frau Professor Matejka-Felden lernen und arbeiten können. Es sind einfache Menschen aus dem Volke, die ihre karge Freizeit dazu ausnützen, um sich in die Technik des malerischen Schaffens einführen zu lassen, um sehen zu lernen und das Gesdtaute zu gestalten. Man sieht erst in derartigen Ausstellungen, wie viele künstlerische Begabung in den breiten Massen unseres Volkes vorhanden ist, die nur der Erweckung harrt. Die Tatsache allein, daß in diesen Kursen Junge und Alte mit gleichem heiligem Eifer bemüht sind, sich weiterzubilden, daß sie trotz der Ungunst der Zeiten, trotz Materialmangels, trotz Hungers und Kälte vor ihrer Staffelei oder ihrem Zeichenblatt sitzen, verdient Beachtung und Bewunderung. Diese Kunstdilettanten, von denen so manche schon den Namen des Künstlers verdienen, bilden den Nährboden für eine erfolgreiche Entwicklung unserer österreichischen Kunst.

Aus dem Wettbewerbe wurden durch eine aus bekannten künstlerischen Persönlichkeiten bestehende Jury einige der Aussteller besonders ausgewählt und mit Geldpreisen ausgezeichnet. Den ersten Preis trug Bruno L i n n e r t für seine technisch guten, eigenartigen Scherenschnitte davon, in denen sich eine starke Gestaltungskraft und blühende Phantasie offenbaren. Der zweite Preisträger Franz H o r v a t h brilliert mit Stilleben und Landschaften, kraftvoll in Farbe und Gestaltung, während der dritte, Rudolf C z e n g e 1, ein Wachebeamter, in schönen Landschaftsaquarellen sehr lebendig die Umgebung unserer Vaterstadt schildert. Auch die übrigen Preisträger stellten zum Teile überraschend gute Leistungen bei. Der Kampf gegen Kitsch und Schund könnte nicht überzeugender geführt werden als durch diese Kurse, die so vielen Menschen das Reich der Kunst erschließen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung