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Wilhelm Thöny —Hans Härtung

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189 Zeichnungen und Aquarelle in der Albertina, und 27 Ölbilder in der Galerie Würtble geben derzeit die Gelegenheit, einen Überblick über das nachgelassene. Werk Wilhelm Thöay (1888 bis 1949) zu gewinnen, dessen Oeuvre zu einem überwiegenden Teil 1948 in New York durch einen Brand zerstört wurde. Die Malerei Thöny, vorwiegend vom Anekdotischen und Atmosphärischen bestimmt, entfaltete sich am reinsten in den gezeichneten und aquarellierten Stadtansichten von New York und Paris, die dabei weniger das plastische Erlebnis der Architekturen

— die Physiognomie der Städte — als die lyrische Transposition ihres Stimmungsgehaltes zum Gegenstand haben. Das trifft eigenartigerweise auch auf die Zeichnungen zu Carlyles „The French Revolution“ zu, in denen weniger der Charakter der Protagonisten als eine allgemeine ästhetisch-elegische Emotion zum Ausdruck kommt. Man vergleiche etwa das Blatt „Maria Antoinette angesichts des Todes“ mit der gnadenlosen Zeichnung J. L. Davids, die die Königin auf dem Henkerskarren darstellt, um die Distanz zwischen

— haßerfüllter — Ergriffenheit und literarischem Anlaß zu ermessen. Raum und Form bildeten bei Thöny, im Gegensatz zu dem von ihm verehrten Cezanne nicht den Gegenstand seiner Arbeit: die Spannung fußt auf der Anordnung der Flecken auf der Fläche, nicht in ihrer räumlichen Beziehung und Zuordnung. Hier war nicht die elementare Dramatik Goyas — dessen leise Echo man vernehmen mag —, sondern ein äußerst sensibles Empfinden für subtile, ästhetisch-dekorative Reize, denen ein wehmütiges Parfüm der Vergänglichkeit anhängt. Thönys nervösem und vola-tilem Temperament mußte das Aquarell und die Zeichnung am meisten entsprechen. Die Ölbilder in der Galerie Würthle lassen den Charme der Aquarelle vermissen: dichtere Materie hätte größere Eindringlichkeit und Form gefordert — die

zähe und harte Farbe ist nicht imstande, die schwebende Emotion zu vermitteln. In dem „Selbstbildnis mit Gattin“ wird um ihre Durchsetzung gerungen.'

Der Leitung des Museums des 20. Jahrhundert ist die Begegnung mit'einem gäriz anderen Werk zu verdanken, dem des aus Leipzig gebürtigen Wahlfranzosen Hans Härtung, der als ein „Bahnbrecher und als Vollender (sofern „vollenden“ im künstlerischen Bereich möglich ist)“ gilt, dem Preisträger für Malerei der Biennale 1960 in Venedig.

Härtung (1904 geboren) kam von Levis Corinth über den deutschen Expressionismus sehr früh zu ungegenständlichen Formulierungen. Ausdrucksgebärden und Graphismen, die an der Kirnst — etwa eines Goya — nur die Oberfläche und nicht die Tiefe sahen. Ihr Mangel an plastischem Empfinden überzeugt und war Vorbereitung für einen Weg, der sich konsequent daraus entwickeln mußte. Auch hier ist ein dekoratives und ästhetisches Temperament am Werk — allerdings ohne den „Umweg“ über die beziehungsträchtige Natur. Die dadurch gewonnene Freiheit entspricht eine ebensolche wachsende Leere, die beziehungslose Gestik kann ästhetisch, aber nicht geistig befriedigen. Wichtig wird die Ausstellung vor allem deshalb, weil sie klarstellt, daß ein Zeichen nur für etwas gesetzt werden kann und daß in Härtung Werk, da weniger malerisch als graphisch zu werten ist, ein deutlicher Höhepunkt — zwischen 1947 und 1955 etwa — zu verzeichnen war, weil hier die befriedigendsten ästhetischen Lösungen in dekorativem Sinne gelingen. Die seither entstandenen Arbeiten zeigen eine deutliche Verarmung der formalen Beweglichkeit und eine immer stärker werdende Reduktion auf banale Mache. Zum Katalog muß festgestellt werden, daß zwischen einem „Tusch“ — in der deutschen Sprache, nicht im Dialekt — und „Tusche“ noch immer bemerkenswerte Unterschiede bestehen.

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