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Wilhelm Thöny in der Galerie Welz

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Den Großen unter den modernen österreichischen Malern haftet ein Stigma an — sie sind Einzelgänger, lassen sich schwer einordnen. Und ihnen steht ein allgemeines „Kulturbewußtsein“ gegenüber, das provinzlerisch, verbürokratisiert oder intellektuell-dogmatisch, sich jedenfalls von der Schwerkraft der breiten Ströme mitreißen läßt und wenig Raum gibt, in dem das Eigentliche, das Vereinzelte und Besondere zur Geltung kommen kann.

Das Werk Wilhelm Thönys hat es besonders schwer, seine Resonanz, die seiner Bedeutung zukommt, zu finden. Fs leidet in besonderer Weise unter dem „österreichischen Stigma". Zu der Schwierigkeit, es in eine der großen Kunstströmungen, die heute so vielerlei aktuell und „bedeutend“ machen, einzuordnen, kommt das tragische Geschick des Malers, den ein wechselvolles Leben nie längere Zeit seßhaft werden ließ, von seiner stets geliebten Heimatstadt Graz forttrieb und durch Deutschland, die Schweiz, Frankreich nach den USA führte und ihn wohl überall Anerkennung finden ließ, doch keinen dauernden Raum bot, in welchem sein Werk seine volle Strahlkraft entfalten konnte; und schließlich die Vernichtung des Großteils seines Werkes durch einen Brand in New York, 1948. Ein Jahr darauf starb er.

Es ist ein großes Verdienst der Salzburger Galerie Welz, sich gemeinsam mit der Witwe des Malers, die den Großteil der übriggebliebenen Werke in seinem Nachlaß besitzt, seit mehr als einem Jahrzehnt intensiv um die Geltung dieses Werkes zu bemühen. So stellte sie große Ausstellungen zusammen, die in den letzten Jahren in verschiedenen deutschen Städten — München, Stuttgart, Darmstadt u. a. — zu sehen waren und auch echte Beachtung fanden. Nun beginnt sie den Salzburger Festspielsommer mit einer Thöuy-Schau, die besonders durch die Dichte der Auswahl bemerkenswert ist und auch dadurch, daß einige Ölbilder und Aquarelle ausgestellt sind, die bis jetzt in den USA waren und hier noch gar nie gesehen wurden. In dem schönen Schauraum der Galerie gelangt sie zu kostbarer Geltung.

Im Werk Wilhelm Thönys, der ja mit Franz Marc und Alfred Kubin Mitbegründer der „Neuen Secession“ in München war und später Begründer der Grazer Secession, lassen sich wichtige formale

Probleme der modernen Malerei erkennen. Sicherlich war er in seinen Anfängen von den deutschen Spätimpressionisten — besonders Slevogt — beeinflußt, er studierte ja bei Weissberger in München. Deutlich ist auch die Nähe des „Blauen Reiters“ in seinem Frühwerk. Und manches wird in diesem mit den Bildern Schlemmers verglichen, mit dem er auch in den frühen zwanziger Jahren gemeinsam in München ausgestellt hatte; es sind ähnliche Raumprobleme und ein ähnliches Suchen nach absoluten Beziehungen der menschlichen Figur. Doch seine Eigenständigkeit in der Problemstellung, sein Gegensatz zum formalen Dogmatismus der Zeit beweist sich gerade in den völlig unabhängigen Lösungen, die sensibler, malerischer mehr auf den für Thöny so wichtigen atmosphärischen, hintergründig-psychologischen Gehalt zielen. Was noch in der Grazer Zeit von dichtflächiger, schwerer, pastos gemalter Farbigkeit war und einer kompakten, man möchte sagen archaisch anmutenden Komposition war, wird später in der französischen und amerikanischen Zeit in duftigere, heiterere Helle aufgelöst, die dabei die Dichte der früheren Bilder bewahrt. Seine späteren Bilder werden gerne mit denen der späten Fauves, besonders mit Raoul Dufy, verglichen, wobei aber auch hier trotz ähnlicher formaler Ursprünge eine ganz andere Intensivität und Intension die Wirklichkeit sieht.

Traumhaft-visionär wächst eine zauberhafte Bildwelt in malerischer Verfremdung der Wirklichkeit, die ihre Gegenständlichkeit behält, doch durchsichtig macht und ihre Hintergründe ahnen läßt, aus geronnenen Farbflecken und feinem Strichwerk. In Thönys Stadtlandschaften, die poetisch-irreal aus verschiedenen Ansichten und Eindrücken zusammengezogen sind, dominiert meist ein blauweißer, bewegter Himmel, oft seltsam belebt mit Ballons oder Flugzeug; dann wieder regten ihn Gärten und parkartige Landschaften zum Malen an. Und selbst eine Stadt wie New York wird wie zwischen Wasser und Himmel traumhaft schwebend oder im Hintergrund des Central-Park gesehen. Thönys Verhältnis zur Geschichte, aus wel cher er vor allem für sein, graphisches Werk viele Vorwürfe schöpfte, ist vorn gleichen bestimmt, was ihn trieb, die sichtbare Gegenwart zu verfremden. Ein sicheres und sensibles Gewirr von Strichen und Klecksen trifft präzis gleichsam in eine Dimension unter das Historische oder Anekdotische. Seltsam die häufige Darstellung von Begräbnissen oder theater- haften Gesellschafts-, Gerichts- und Revolutionsszenen, die die Menschen ganz scharf in einmaligen, doch typischen Situationen psychologisch trifft und dabei eben ihre typisierenden Verkleidungen durchschaut und sie im ganz Allgemeinen, im Menschlichsten findet. Sehr typisch die unverwechselbar charakterisierende und doch ins Anonym-Allgemeine erhebende Darstellung der Figur in der Rückenansicht. Kennzeichnend ist Thönys ständige Auseinandersetzung mit der Architektur, die in meisterlich präzisen, in unserer Zeit wohl einmaligen Architekturzeichnungen ihren Niederschlag findet.

In seiner Hintergründigkeit, Ironie und seiner von Gesichten bedrängten und bedrängenden Scharfsichtigkeit finden wir einen sehr österreichischen Wesenszug in Thöny, der ihn mit dem von ihm sehr verehrten Kubin verwandt erscheinen läßt. Sein Werk ist jedoch mehr vom Malerischen bestimmt und hat eine größere Ausdehnung. Es ist voll tiefer Musikalität, wie Thöny selber ein vorzüglicher und immer ausübender Musiker war. Ihm war in allen Ausdrucksmitteln eine große Virtuosität zu eigen, eine bewußte Beherrschung des Instrumentalen, die durch glänzende Begabung fundiert und durch zähen Fleiß und ständige, sich geistig auseinandersetzende, vielseitige Arbeit erworben war.

Es wäre zu hoffen, daß diese kleine, aber erlesene und dichte Ausstellung nicht nur eine vorübergehende Erinnerung an einen der besten, bedeutendsten und auch weitesten unserer Künstler bewirkt, sondern mithilft zu der Resonanz, die dieser zauberhafte Maler verdient und die ihm seine Heimat im besonderen schuldet.

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