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Wir leben mit Bildern

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Auf solche Bilder ist der Glaube angewiesen. Dieser Bilder bedient sich die Offenbarung von den ersten Seiten der Bibel an. Schöpfungsgeschichte und Paradiesbericht vermitteln Wahrheiten, die ein Leben nicht ausschöpfen kann, aber diese Vermittlung ist in ein Gefüge von Bildern gegossen, das so einfach und eindringlich ist, daß schon der Katechet es dem Schulkind vor Augen führen kann. Voll der Bilder aus der Erfahrungswelt des Menschen ist die Sprache des Neuen Testamentes, besonders die Gleichnissprache des Herrn. Im Bild des Winzers, des Guten Hirten, des Königs, des in die Wolken Erhobenen usw. stellt Er sich Seinen Jüngern vor. Die theologischen Begriffe stehen im Dienst der Gleichnisse, nicht die Gleichnisse im Dienst der theologischen Begriffe, sagt Michael Schmaus in seiner Dogmatik mit Recht. „Wenn unsere Gotteserkenntnis den Umweg über das Irdische geht, dann wird sie um so reicher sein, je tiefer wir die Natur verstehen, die Geschichte und den Menschen … Die Sprache der Schrift bedient sich … des Bildes. Die bildliche Sprache der Bibel ist die unserer leiblich-geistigen Natur eigentlich angepaßte. Begriffe sind nur berechtigt, sofern sie der Deutung der Bilder und Gleichnisse diesen wollen.“ Es war kein Wunder, daß auch der Glaube verdorrte, als der Rationalismus dem Bild den Boden entzog.

Das Bild ist die Sprache des Lebens. Gott ist uns nicht geoffenbart als ein abstrakter Begriff, sondern als der lebendige Gott, der Sein Volk anruft aus dem Feuer des Dornenbusches, aus dem Gewölk des Berges, aus der Nacht des Kreuzes, aus dem Lächeln des Kindes, das in einem Stall in der Krippe liegt.

Ein Mensch ohne Imagination, ohne die der inneren Bildkraft gegebenen Fähigkeit zu ganzheitlicher Schau, „ist abgeschnitten von der in die Tiefe reichenden Realität des Lebens und der seiner eigenen Seele“ ('Eliade).

Die Unfähigkeit für das Bild ist nicht eine Sache der Künstler, nicht nur ein Problem der Symbolforscher, sie betrifft die Fähigkeit oder Unfähigkeit des Menschen, das Leben in der Fülle seiner Dimensionen zu erfassen und zu bewältigen.

Die Sorge um das Bild der Kinder

Diese bildwütige Zeit hat wenig Bilder von der Art, wie sie eben als Notwendigkeit der Seele beschrieben wurden. Diesen Bildern fehlt die Dimension der Tiefe. Unsere Not beginnt schon bei den Bildern, die wir den Kindern anzubieten haben. Viel wird schon in den ersten Jahren und dann noch bis zum zehnten Lebensjahr im Kind grundgelegt. Das Kind deutet unbewußt und erarbeitet sich aus dem, was wir ihm zeigen, die tragenden Lebensvorstellungen. Man darf nicht glauben, daß wertlose Bilder völlig neutral gesehen würden. Für die Erweckung tragender innerer Vorstellungen im Kind steht zudem mehr oder weniger nur die Zeit bis zum zehnten Lebensjahr zur Verfügung. Mängel sind hier nicht nachholbar. Was an Grundlegendem der t kindlichen Vorstellung über das Bild in diesen Jahren nicht eingeprägt werden konnte, läßt sich später nicht nachholen, weil sich dann das Interesse ihrer Entdeckung der Außenwirklichkeit zuwendet und urtümliche Bilder, die Tiefendimensionen vermitteln, dann für lange Zeit nicht mehr angenommen werden. Was nun an Bilderbüchern für Kinder vor-

liegt, ist oft genug nur banal, oder mehr dazu angetan, einen gewissen modischen Geschmack der Erwachsenen zu befriedigen, als dem Kind wirklich zu helfen. Jämmerlich ist geradezu, was an dürrer intellektueller Bebilderung im österreichischen Katechismus zu finden ist. Es sind nur einige ganz wenige Verlage, die den Aufwand nicht scheuen, der hier bei diesen Büchern, die ja erschwinglich bleiben müssen, notwendig ist. Er ist aber gerechtfertigt, weil nur durch wirklich schöpferische und auf das Bedürfnis des Kindes zugeschnittene Bildgestaltung, meist auch nur durch die lebendige Umsetzung in der Farbe, die erwünschte Eindringlichkeit der Bildaussage erreicht werden kann. Die Folge von Bilderbüchern zur Bibel im Patmos-

Verlag ist eines der wenigen Beispiele, die über den dürftigen Durch schnitt hinausreichen, ein Ergebnis, das vielleicht auch deshalb gelang, weil man den Mut hatte, Künstler von Rang für diese Aufgabe zu gewinnen. Allerdings hat auch diese von Frankreich übernommene Reihe von Bilderbüchern ihre Mängel. Man kann sich nur fragen, warum Religionspädagogen, Katecheten und Künster hier nicht enger Zusammenarbeiten. Alle für die Bildung und Erziehung der Kinder verantwortlichen Institutionen müßten stärker als bisher Zusammenwirken, um ent schieden zurückzuweisen, was jedenfalls unzulänglich und ungenügend bleibt, auch wenn man die Kraftlosigkeit unter dem Vorwand einer „neutralen“ Darstellungsweise zu rechtfertigen sucht. (Zu diesem Thema ist zu verweisen auf die Aprilnummer 1964 der Zeitschrift „Der große Entschluß“ sowie die seit

Nummer 4, 1963, in den „Christlichen Kunstblättern“ geführten (Diskussionsbeiträgen.)

Wenn wir im Zusammenhang mit der Heilsgeschichte und dem Mysterium des Glaubens, das im Katechismus verkündet wird, immer nur dürre Vehikel sehen, während nebenbei Werbetechnik, Kunsterziehung u. a. m. in ihrer Einprägsamkeit und

Vollendung mitunter auch zutiefst ansprechende Gestalten finden, kann schließlich das von uns Gelehrte leicht als ekelhaft empfunden werden. Der Verfasser dieser Zeilen hat schon im Katalog der II. Biennale, Salzburg 1960, auf dieses Programm in allen Lebensbereichen hingewiesen: „Abzuweisen wäre die Glaubensvermittlung in einem ,Bild“, das nichts als intellektuelle Funktion ist. Ein solches Zeichen dient nur der verstandesmäßigen Erkenntnisvermittlung. Es ist Ergebnis des Wissens und vertraut durch Gewöhnung … An Stelle einer urtümlichen Bildwirklichkeit stehen uns hier nur Krücken des Wissens vor Augen. Krücken der Anschauung, Krücken der Erinnerung, Krücken für das lernende Gedächtnis … Ein solches ,Bild darf darum auch nicht auf ein ursprüngliches Echo im Menschen rechnen. Nur durch Gewöhnung wird es erlernt und gewußt, wie das Verkehrszeichen ,Parkverbot“ auch …“

Gewiß sagen wir mit dem heiligen Paulus: Uns ist es gegeben, die Geheimnisse des Glaubens nicht nur in dunklen Bildern zu ahnen, sondern auch zu verstehen. „Umgekehrt wäre ein Verhältnis zu den christlichen Heilszeichen, das nicht auf den Tiefen menschlicher Urerfahrungen aufruht (die in Christus auch erlöst werden), künstlerisch unfruchtbar- und menschlich oberflächlich. Der Lehrstoff aus der Offenbarung, wie er in allen entscheidenden Punkten als klarer, artikulierter Glaubensbestand vorliegt, läßt sich gewiß in didaktische Bildzeichen prägen. Aber … die christliche Heilslehre ist meiliais theoretisches Wissen. Sie ist wesentlich auch Geheimnis … Auf das Ideal eines christlichen Glaubensbildes, das nichts anderes im Sinne hat als intellektuell verständlich zu sein, verzichten wir gern. Es mag seinen Platz haben als Schulwandtafel. Aber wir dürfen es nicht dulden als Verkündigungs- und Bekenntnisbild, das unser christliches Leben begleitet. Denn es stellt eine Verzeichnung unseres Glaubens dar.“

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