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Wohlfahrt und Wald

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Die vielfältigen Nutz- und Schutzwirkungen des Waldes in den Beziehungen zu Natur und Mensch werden im allgemeinen mit dem Sammelbegriff „Wohlfahrtswirkungen des Waldes“ zusammengefaßt.

Mögen ob der Bedeutung des Rohstoffes Holz für die Gesamtheit oder für den einzelnen Menschen die Verlockungen und Versuchungen dahin gehen, die rein materiellen Werte, welche uns der Wald spendet, in den Vordergrund zu schieben, so belehren uns anderseits Beispiele aus vergangenen Geschichtsperioden anderer Völker und Länder, daß durch den Einfluß des Waldes auf Boden und Klima seine Wohlfahrtswirkungen, auf die Dauer betrachtet, im Leben eines Volkes vorrangig sind. Ganz nüchterne Realisten haben dafür den Ausdruck geprägt: Das Holz kann man allenfalls woanders kaufen, die Wohlfahrtswirkungen des Waldes aber nicht. Dieser sowie der aus einem waldarmen Land stammende Spruch „Wir würden ohne Gold besser leben denn ohne Holz“ kennzeichnet nicht zuletzt auch die bekannte Tatsache, daß wir Menschen die Güter, welche wir besitzen, im allgemeinen nicht so hoch einschätzen wie jene, an welchen wir Mangel leiden.

Inwieweit diese Worte für ein Wald- und Gebirgsland wie Österreich noch mehr Berechtigung haben, soll nun beschrieben und der Begriff Wohlfahrtswirkung hier weiter, als es sonst üblich ist, gefaßt werden. Zu beachten ist hierbei die Tatsache, daß der Wald die Funktion einer sich immer wieder erneuernden Rohstoffquelle direkt und unmittelbar erfüllt, die Wohlfahrtswirkungen uns aber indirekt in den Schoß fallen. Diese sind durch den Einfluß des Waldes auf die Umweltfaktoren bedingt, welche umgekehrt wieder den Wald in maßgebender Weise beeinflussen können. Die wichtigsten dieser Wechselbeziehungen und die sich hieraus ergebenden Auswirkungen sind:

1. Einfluß des Waldes auf Klima und Witterung, im besonderen auf die Luft- und die Bodentemperatur. Die Vegetationsdecke, vor allem der Wald, vermag an den Klimafaktoren innerhalb gewisser Grenzen günstige Veränderungen hervorzurufen. Die Abschwächung von Temperaturextremen nach beiden Richtungen ist, besonders wenn es sich um größere Flächen handelt, von Bedeutung auch für die Niederschlags- und Grundwasserverhältnisse.

Der Wald als Schutz

2. Sicherung eines geregelten Wasserhaushaltes mit günstigen Auswirkungen in Zeiten außerordentlicher Niederschläge und gleichzeitig Schutz der Quellen durch Einwirkung des Waldes auf den Feuchtigkeitsgrad der Luft und des Bodens sowie auf den Kreislauf des Wassers. Der Wald wirkt im Hinblick auf einzelne Niederschläge oder Niederschlagszeiten ausgleichend. Er mildert die Hochwasserwellen, erhöht die Niederwasserabflüsse und erhält die Ergiebigkeit der Quellen. Vor allem der Gebirgswald kann als der wichtigste Erhalter der Bodenfeuchtigkeit und der Quellen betrachtet werden. Der Wald ist ein Wasserspeicher, der das Wasser nicht verbraucht und auch nicht hortet, sondern speichert, indem es nicht nur aufgenommen, sondern filtriert wieder abgegeben wird. Unsere Energiewirtschaft ist an dieser Eigenschaft ein stiller Nutznießer.

3. Die Bedeutung des Waldes als mechanisches Hindernis tritt in Erscheinung als Windschutz zur Befestigung des Bodens und der Schneedecke sowie zur Abschwächung des Windes. Die Schutzwirkungen des Waldes gegen Bodenabschwemmung, Schuttbildung. Vermurung, Erdrutsche, Verkarstung usw. sowie gegen Lawinen lassen sich mit großer Erfolgsaussicht bewußt einsetzen. Vor allem bei der Wildbach- und Lawinenverbauung spielen diese Auswirkungen eine überragende Rolle, ganz besonders bei den Maßnahmen zur Lawinenvorbeugung.

4. Die Auswirkungen des Waldes in sanitärer Hinsicht als Born der Gesundheit und als Moment der Schönheit der Landschaft werden schließlich immer bedeutungsvoller. Die reinigende Wirkung der sauerstoffreichen Luft des Waldes, welche gleichzeitig als Luftfilter dient, wird immer mehr geschätzt. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik stellte fest, daß der Gehalt der Luft, welche Wien vom Winde aus dem Wienerwald zugeführt wird, um ein wesentliches an radioaktiven Staubteilchen geringer ist als jener der Luft aus den Industriebezirken Wiens.

Der Schönheitswert der einzelnen Holzarten, Waldformen und Bestandsarten stellt eine nicht zu unterschätzende Wohlfahrtswirkung dar, welche für das Leben des Menschen bedeutungsvoll und geeignet ist, den Ausgleich zwischen den Anforderungen der nüchternen Wirtschaftlichkeit und dem Schönheitsbedürfnis des naturverbundenen Menschen herbeizuführen. Besonders diese beiden Momente spielen für den Fremdenverkehr in Österreich eine maßgebliche Rolle.

Die Probleme um den Wald und seine Wohlfahrtswirkungen lassen sich auch zusammenfassen mit folgenden Fragen:

„Wie retten wir den Wald vor den Menschen?“

Zwar sind die Schäden zahlreich, welche den Wald bedrohen: Insekten, Waldbrand, Wind, Schnee, Wetter und vieles andere. Doch wenn wir offen gegen uns selbst sind, müssen wir bekennen, daß man gegen einen der Hauptschädlinge des Waldes bislang noch kein absolut wirksames Gegenmittel gefunden hat: nämlich gegen den Menschen selbst. Daß es eine unheilvolle Epoche war, als die Wälder — selbst im Einzugsgebiet von Wildbächen und Lawinenstrichen — gedankenlos dem Götzen Mammon oder vielleicht der Not' und dem Zwang oder dem Wiederaufbau unserer Wirtschaft gehorchend oder oft auch aus Unverstand ge-

opfert wurden, wissen wir. Wie glücklich würden wir sein, wenn diese Zeit schon vollkommen der Vergangenheit angehörte.

In bezug auf die Wohlfahrtswirkung selbst muß die Frage lauten:

„Wie retten wir den Menschen durch den Wald?“

Wir alle haben in der Rastlosigkeit der Zeit den Sinn für Beschaulichkeit, für das kräfteschaffende Nichtstun, das Nichtstun in des Wortes wahrster Bedeutung, verloren. Lärm, verpestete Luft und Betrieb beherrschen die Stunde. Waldschutz bedeutet daher schon Menschenschutz, damit der immer mehr der Technik verfallende, gehetzte Mensch dort gewissermaßen ein kostenloses Nervensanatorium ohne Inanspruchnahme der Krankenkasse findet.

Gewiß, der Wald wächst sicher nicht allein der Wohlfahrtswirkungen wegen, er ist uns gleichzeitig — und das ist ebenso wertvoll an ihm — als die sich immer erneuernde Rohstoffquelle dienlich, und wir brauchen ihn, jetzt und auch in Zukunft. Daß wir seiner Schutz- Wirkungen jetzt und wahrscheinlich auch in fer- nerer Zukunft notwendiger bedürfen werden als je zuvor, ist ebenso sicher.

Die Antwort auf diese beiden Hauptfragen in der Natur zu finden, sie in die Tat umzusetzen, obliegt dem Forstmann und Waldbesitzer. Sie sollen den Wald so behandeln, pflegen und erhalten, daß er den an ihn gestellten Anforderungen weitestmöglich genügt. Diese Aufgabe aber wird den Forstleuten und Waldbesitzern erleichtert, ja sie zu erfüllen wird oft erst möglich, wenn eine gute Waldgesinnung der Bevölkerung vorhanden ist bzw. dabei durch entsprechende Gesetze, Mitarbeit und Verständnis mitgeholfen wird.

Berge, Wald und Wasser sind die Urelemente unserer Heimat, mit ihnen ist unsere Kultur zutiefst verbunden. Der Wald, einst des Siedlers Feind, dann sein Freund, ist zu einem Volksgut geworden; zu einer unversiegbaren Rohstoffquelle und zum Arbeitsspender, wenn wir ihn pflegen; zum Beschützer der Wohnstätten, Bauten und Kulturen sowie zum Schmucke der Landschaft, wenn Wir ihn schonen; er dient als Zuflucht für Manschen, für die heimische Tier- und Pflanzenwelt Und ist so Freund, Wahrer und schützende Hand unserer Heimat.

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