Xenia Hausner: Unangepasst und irrational
Ihre Werke sind oft rätselhaft und verstörend – und schärfen gerade durch Fiktion und Inszenierung den Blick auf die Realität: Die Albertina widmet Xenia Hausner zum 70er eine Retrospektive.
Ihre Werke sind oft rätselhaft und verstörend – und schärfen gerade durch Fiktion und Inszenierung den Blick auf die Realität: Die Albertina widmet Xenia Hausner zum 70er eine Retrospektive.
Dicht gedrängt strecken sie die Arme weit aus dem Zugfenster, ihren Liebsten entgegen, müssen sich sichtlich verabschieden, werfen einander letzte Blicke zu. Doch die Personen in „Exiles“ von Xenia Hausner sind keine von den Strapazen ihrer Flucht aus Syrien oder dem Irak Gezeichneten, auf die die Künstlerin rekurriert, sondern Menschen mit lackierten Fingernägeln, Lippenstift, schönen Frisuren und in elegantem Gewand. Auch wenn die Flüchtlingsbewegung 2015 Inspiration für diese Bilderserie war, malte Hausner Menschen wie dich und mich. Die großformatigen Arbeiten sind Inszenierungen, wie so oft bei der österreichischen Malerin, die heuer ihren 70. Geburtstag feiert.
Rätselhaftes und Verstörendes ziehen sich durch die 42 Werke, die in der Basteihalle der Albertina großzügig gehängt ihre Wirkung entfalten können. Was hat die Person mit dem Messer in der Hand vor? Warum reagiert anderswo das Liebespaar im Auto nicht auf den an die Frontscheibe geprallten Körper? Oder ist es überhaupt keine Szene der Zuneigung, die wir hier sehen? Manchmal lassen auch nur die Titel vermuten, dass die dargestellte Szene nicht so harmlos ist, wie sie auf den ersten Blick scheint. Xenia Hausner gibt keine Leseanleitung für ihre Werke, weil sie solche Anweisungen „langweilig“ findet, sie lässt vieles im Unklaren, denn Kunst müsse „geheimnisvoll, unangepasst und irrational sein“. Die Arbeiten scheinen oft traumatische Situationen wiederzugeben, sie wirken teils bedrückend, erschreckend gar.
Tableaux vivants
Xenia Hausners Vorgangsweise baut indirekt auf ihrer Vergangenheit als Bühnenbildnerin auf. Sie lässt Modelle – anfangs noch sie selbst und Menschen aus ihrer nächsten Umgebung, später eigens Ausgewählte – ähnlich einem Tableau vivant eine Szene nachstellen, die sie fotografiert. Auf Basis dieses Fotos entsteht dann ein Gemälde, wobei auch dieses keine Eins-zu-eins-Kopie der Vorlage sein muss, oft wird noch etwas, teils Abstraktes, hinzugefügt. Wer im „Liebestod“, in dem die Künstlerin die letzten Stunden ihres Vaters, des Phantastischen Realisten Rudolf Hausner, verarbeitet, Peter Simonischek als Model vermutet, hat schon recht. Auch Regisseurin Alexandra Liedtke ist in „Wag the Dog“ zu erkennen, Sunnyi Melles in „Gone“ in blau-weiß karierten Stoff gehüllt.
Doch es geht nicht um bestimmte Personen, vielmehr gerät das Individuelle bei Hausner in den Hintergrund. Ihre Frauenfiguren stehen für alles Mögliche. Und es sind fast ausschließlich Frauen, die sie malt. Entschlossene, starke Frauen. „Für Hausner stehen sie stellvertretend für den Menschen. Wenn die Kunstgeschichte bisher männlich geprägt war, ist Xenia Hausners Kunst das Gegenmodell“, sagt Kuratorin Elsy Lahner. „Männer kommen nur als Quotenmänner vor. Wenn die Frau bisher als Heilige oder als Luder gezeigt wurde, so malt Hausner die Bandbreite dazwischen.“