Zwei Österreicher im Sudan

Werbung
Werbung
Werbung

1881: Rudolf Slatin regiert in Darfur. 2005: Fredy Rivera hilft in Darfur.

In Wien würde Rudolf Slatin immer bleiben, was er aufgrund seiner Geburt war: der Sohn eins Seidenfärbers und Hausbesitzers aus Ober St. Veit. Den Aufstieg in gesellschaftlich relevante Kreise, den er so sehr herbeisehnte, konnte er nur im Ausland schaffen: Deswegen brach Slatin 1874 als 17-jähriger das Studium an der Handelsakademie ab und folgte dem Inserat eines Buchhändlers aus Kairo, der einen Gehilfen suchte. Kurz nach seiner Ankunft schloss sich der junge Mann aber einer Gruppe von Kaufleuten, Vermessern, Wissenschaftern und militärischen Abenteurern an, um diese nilaufwärts zu begleiten. Bis in die NubaBerge, berichtet Slatin, sei er bei dieser Reise vorgedrungen. Er wollte dieses Gebirge erforschen, schreibt Hartwig Vogelsberger in seiner Biografie "Slatin Pascha. Zwischen Wüstensand und Königskronen" (Styria, 1992), musste dieses Vorhaben aber aufgeben, denn die Araberstämme der Gegend revoltierten gegen ihre anglo-ägyptischen Besatzer.

Zum Islam konvertiert

Slatins Ruf als Sudan-Kenner drang bis zur Regierung in Khartum. 1878 erreichte Slatin eine Einladung von Charles Gordon, dem Generalgouverneur im Sudan, einen Posten in dessen Stab zu bekleiden. Im April 1881 wurde Slatin zum Gouverneur der Provinz Darfur berufen; gleichzeitig verlieh man ihm die Würde eines Bey. Der 24-Jährige war dort, wo er immer schon hinwollte: ganz oben. Doch Slatins Herrschaft in Darfur dauerte nicht lange: Nur wenige Monate im Amt begann der Aufstand unter Führung von Mohammed Ahmed, dem legendenumwobenen "Mahdi" ("Gesandter Allahs").

Slatin befand sich in einer sehr misslichen Lage, schreibt sein Biograf Vogelsberger: Er hatte zu wenig Munition und zu wenig gut ausgebildete Soldaten. Die Bevölkerung begann gegen Slatin zu hetzen, warf ihm seinen christlichen Glauben vor, verhöhnte jene, die sich von einem "ungläubigen Hund" führen ließen. Eine ganze Nacht, heißt es, ging Slatin mit sich zu Rate. Am nächsten Morgen führte er seine Truppen auf den Übungsplatz vor der Stadt und verkündete, dass er Muslim geworden sei, den Namen Abdel Kader angenommen habe und von nun an jeden Freitag öffentlich mit ihnen beten würde. "Unter Jubel begrüßten die Soldaten diese Tat und beglückwünschten ihn."

Nach einigen militärischen Erfolgen musste Slatin am 24. Dezember 1883 Darfur an die Mahdisten übergeben. Er wurde ins Heerlager der Aufständischen gebracht, wo er dem Mahdi den Treueeid leistete und dessen Höfling wurde. 1885 gelang es den Mahdisten, Khartum zu erobern, dabei wurde Generalgouverneur Gordon getötet. Slatin hatte man vorsichtshalber in Ketten gelegt.

Nach dem Typhus-Tod des "Mahdi" im Juni 1885 wurde Khalifa Abd Allahi sein Nachfolger. Die nächsten zehn Jahre sollte Slatin in Omdurman bleiben, wo er zwar nicht als Gefangener behandelt, aber an einer Flucht gehindert wurde. 1895 gelang es dem militärischen Nachrichtendienst der anglo-ägyptischen Armee ihn zu befreien. Nach abenteuerlicher Flucht erreichte er Kairo, wo er triumphal empfangen und vom Khediven (Vizekönig) Abbas II. Hilmi zum Pascha ernannt sowie zum Oberst befördert wurde. Hier verfasste er sein Buch "Feuer und Schwert im Sudan" (1896 in Leipzig erschienen).

Feuer und Schwert im Sudan

1898 wurden die Mahdisten von anglo-ägyptischen Streitkräften unter General Herbert Horatio Kitchener bei Omdurman vernichtend geschlagen. Noch im selben Jahr wurde Slatin zum Brigadegeneral der ägyptischen Armee befördert und 1900 zum Generalinspektor des Sudan ernannt. Am 28. Februar 1900 empfing er in Windsor den Ritterschlag von Königin Viktoria, nachdem ihn Kaiser Franz Joseph I. bereits am 6. März 1899 in den österreichischen Ritterstand erhoben hatte. Im Oktober 1906 erfolgte die Verleihung des österreichischen Freiherrnstandes und die Ernennung zum Geheimen Rat. Rudolf Carl von Slatin Pascha entwickelte sich immer mehr zum Salonlöwen und umschwärmten Gast der Hocharistokratie. Mit den Schüssen in Sarajewo zerbrach aber diese Welt des prominenten Anglo-Österreichers. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat Slatin als königlich britischer General zurück und ging nach Österreich. 1915 wurde er Vize-Direktor des zentralen Informationsbüros für Kriegsgefangene.

In Saint-Germain verhandelt

Nach dem Krieg war Slatin Mitglied der von Karl Renner geleiteten österreichischen Regierungsdelegation bei den Friedensverhandlungen von Saint-Germain und Verhandlungsführer für die Rückführung von Kriegsgefangenen. Gleichzeitig fungierte er als Leiter der Kriegsgefangenenhilfe des Österreichischen Roten Kreuzes. Die britische "Royal Geographical Society" verlieh ihm die Ehrenmitgliedschaft. Nach dem Tod seiner Frau im Juni 1921 kaufte sich Slatin ein Haus bei Meran, wo er am 4. Oktober 1932 starb. Er wurde auf dem Friedhof in Ober St. Veit in Wien in Anwesenheit von Bundespräsident Wilhelm Miklas und dem britischen Botschafter beigesetzt.

1926 besuchte Slatin Pascha das letzte Mal den Sudan. Bei einem Besuch der Khalifa-Hauptstadt Omdurman trifft er auf eine Touristengruppe die vom Fremdenführer über den legendären Slatin Pascha alias Abdel Kader informiert wird. Slatin korrigiert den Fremdenführer in ein paar wichtigen Details, wird aber von diesem erbost in die Schranken gewiesen, bis sich der kleine grauhaarige Herr nicht mehr anders als mit einem Geständnis zu helfen weiß: "Aber ich bin doch Abdel Kader!" Wolfgang Machreich

Kurz nach Sonnenaufgang geht es los: Ohrenbetäubender Lärm verbreitet sich über Beida, einer sudanesischen Stadt an der Grenze zum Tschad. Mitarbeiter des Hilfswerk Austria haben die "Fog-Machine" angeworfen, dichter Rauch dringt aus dem seltsamen Gerät. Dabei ist das Ungetüm ein Segen für die 27.000 Einwohner, von denen 20.000 Flüchtlinge sind. Die Nebelmaschine "räuchert" die Hütten aus und erstickt damit die Moskito-Brut im Keim. Mit Erfolg: Mit dieser Präventionsmaßnahme der österreichischen Hilfsorganisation ist die Anzahl der Malaria-Toten um ein Drittel gesunken.

Respekt haben und zuhören

"Wir können nicht ewig in den Dörfern sein, deshalb ist es wichtig, die heimischen Kapazitäten zu stärken, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten", sagt Fredy Rivera. Der 42-jährige Österreicher mit kolumbianischen Wurzeln leitet die Flüchtlingsprojekte des Hilfswerk Austria in West-Darfur. Tausenden Opfern der Darfur-Krise hat Rivera eine Existenzgrundlage verschafft. Sein Erfolgsrezept: "Respekt vor den Menschen haben, ihnen zuhören und so behandeln wie die eigene Familie."

"Mit 30.000 Euro, die wir vom Fürstentum Liechtenstein bekamen, haben wir angefangen", erinnert sich Rivera: "Damit habe ich Moskitonetze gekauft; zuerst mussten wir den Menschen aber zeigen, wie sie sich langfristig vor Malaria schützen können." Es sei nicht einfach gewesen, die richtigen Leute für den Job zu finden, denkt Rivera an die Anfänge seiner Arbeit in West-Darfur zurück. Jetzt hat er die "richtigen Leute": Tariq Taha ist einer davon. Der unermüdliche Mediziner aus Khartum hat in der Provinzhauptstadt Al Geneina seine Zelte aufgeschlagen. Selbst bei Temperaturen über 50 Grad Celsius ist "Doktor Tariq" nicht zu bremsen. Er organisiert Schulungen, kümmert sich um den Betrieb der mobilen Klinik, schaut in der neu eingerichteten Krankenhausküche nach dem Rechten, untersucht Kranke, macht einen Abstecher in den Waisenkindergarten, plaudert mit Nomaden und Siedlern.

Malaria den Garaus machen

Die Orte, in denen Hilfswerk-Projekte auf die Beine gestellt wurden, sind von Al Geneina aus auch in der Trockenzeit nur mühsam zu erreichen. Beginnt die Regensaison, verwandeln sich die staubigen Sandpisten in eine einzige träge Schlammmasse. Für die 125 Kilometer von Al Geneina ins südlich gelegene Beida benötigt man mit dem Jeep dann nicht die üblichen sechs Stunden, sondern zwei Tage. Resignation ist Rivera dennoch fremd: "Ich bin schon von den kleinsten Fortschritten begeistert - und uns ist in kürzester Zeit unheimlich viel gelungen."

"Geld auszugeben ist leicht, Aber wir wollen keine fertigen Produkte liefern, sondern das Alltagsleben ankurbeln", erklärt Rivera. "Sehr viele Ideen kommen ja von den Einheimischen selbst. Man muss ihnen nur zuhören." In einer Schulklasse des Gemeindehauses starren dutzende Augenpaare gebannt auf eine Tafel. Zahlreiche Einheimische sind gekommen, um sich gegen die tödlichen Stiche der Blutsauger zu wappnen. Die anwesenden Kinder erhalten lebenswichtige Informationen in spielerischer Form verabreicht. Bei der "Malaria-Competition" gibt es für richtige Antworten Spielsachen als Preis.

"Multiplikatoren" werden die solcherart Ausgebildeten genannt, weil sie nach abgeschlossener Ausbildung jeweils zehn Familien zugeteilt bekommen, an die sie ihr Wissen weitergeben. Diese Multiplikatoren, denen die Wichtigkeit von Prävention gegen Malaria und andere Krankheiten näher gebracht wird, sind Rivera ein besonderes Anliegen.

"Ich habe soziales Engagement im Blut", sagt der Austro-Kolumbianer. Sechs Monate im Jahr ist er unterwegs. West-Darfur ist nicht sein einziges Einsatzgebiet. Der promovierte Politikwissenschafter betreut 18 Projekte: in Mosambik, Simbabwe, Senegal, Sudan, Nicaragua und Kolumbien. "Wir haben überall gute Teams", stellt er seine eigene Person in die zweite Reihe. Ein gutes Team hat Rivera auch zu Hause in Wien - seine Frau und die beiden Kinder: "Die verstehen, was ich da mache." Andreas Tröscher

Spendenkonto Hilfswerk-Austria:

PSK Kto.Nr.: 90.001.002,

BLZ 60.000, Kennwort: Darfur

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung