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Zwei Urkundenbücher

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Leo Santifaller: Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Trienter Domkapitels im Mittelalter. I. Band: Urkunden zur Geschichte des Trienter Domkapitels 1147—1500. Universum-Verlag, Wien 1948. XXVIII, 559 Seiten (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Band 6). — Dr. P. Benno Roth: Liber benefactorum ecclesiae Seccoviensis. Das Wohltäterbuch der Seckauer Kirche. Bearbeitet und herausgegeben vom Verlag der Abtei Seckau. XIII, 132 Seiten mit Tafeln (Seckauer geschichtliche Studien, Heft 8).

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Leo Santifaller: Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Trienter Domkapitels im Mittelalter. I. Band: Urkunden zur Geschichte des Trienter Domkapitels 1147—1500. Universum-Verlag, Wien 1948. XXVIII, 559 Seiten (Veröffentlichungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, Band 6). — Dr. P. Benno Roth: Liber benefactorum ecclesiae Seccoviensis. Das Wohltäterbuch der Seckauer Kirche. Bearbeitet und herausgegeben vom Verlag der Abtei Seckau. XIII, 132 Seiten mit Tafeln (Seckauer geschichtliche Studien, Heft 8).

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Wenn Leo Santifaller einmal das Urkundenbuch das dauernde Monument und das unumstößliche Denkmal der historischen Vergangenheit und des geschichtlichen Werdens einer jeden Institution nennt, so weist er damit auf die Bedeutung der Aufgabe hin, die er sich selbst gesetzt hat. Br ist während der letzten Jahre im Drang der Arbeiten und Geschäfte auf seinem eigentlichen Feld etwas stiller gewesen. Nun aber liegen wieder „Urkunden und Forschungen“ vor, ein imponierender Band, der ähnlich wie der Verfasser in zahlreichen Werken über das Bistum und die Bischöfe von Brixen gehandelt hat, das gegenüber Brixen noch ungleich reichere Material von Trient sich zu bewältigen vornimmt. Der eben erschienene Teil „Urkunden zur Geschichte des Trienter Domkapitels 1147 bis 1500“, dem ein zweiter „Forschungen“ folgen soll, schöpft in erster Linie aus den Kapitelregistern und enthält 606 Urkunden, darunter 547 bis jetzt unbekannt gebliebene Stücke der Zeit von 1196 bis 1500. Sie bieten Material zur Rechtsgeschichte, zur Geschichte des Ständewesens, zur Bildung- und Schulgeschichte, zur Familien- und Geschlechterkunde Österreichs, Süddeutschlands und Oberitaliens und nicht zuletzt zur Geschichte des Urkundenwesens überhaupt. Die Form der Edition ist die erprobte der Diplomataausgaben der Monumentą Ger- moniae historioa. Daß gelegentlich das Zeitgemäße und die Wichtigkeit derartiger umfänglicher Quellenpublikationen bezweifelt werden, ist heute begreifbar. Natürlich ist nicht jede darin aufgenommene Urkunde von Belang. Nichtsdestoweniger aber muß eine ernstzunehmende Wissenschaft dafür dankbar sein, daß man getreu den Forderungen Paul F. Kebrs aufs neue an die unendliche Arbeit geht, einfach dort weiter zu publizieren, wo“ man gezwungenermaßen aufgehört hatte. Wie vermag der Historiker aus veraltetem und vielfach unzugänglichem Stoff neue Erkenntnismöglichkeiten zu schöpfen? Aller vorhandene schriftliche Niederschlag der Vergangenheit muß einmal veröffentlicht werden. Schon aus diesem Grund allein ist das übersichtlich gegliederte, mit einem Bienenfleiß sondergleichen geschaffene Werk, dem ein erschöpfendes Personen- und Sachregister, eine Fundgrube für den Namensforscher, angeschlossen ist, eine kostbare Gabe, ganz abgesehen von dem zum Teil grundlegenden Quellenstaff, den es vermittelt.

Es sind dieselben Ursachen, die die „Seckauer geschichtlichen Studien“ so willkommen machen, deren Heft 8 mir gleichfalls vorliegt. Dr. P. Benno Roth, unermüdlich in der Aufhellung der Schätze seiner Abtei, dem wir schon die belangreiche Publikation des ältesten Seckauer Urbars, eine Untersuchung der örtlichen Osterliturgie im Mittelalter sowie besonders die Besitzgeschichte des ehemaligen Augustinerchorherren. und Domstiftes Seckau zu danken haben, hat nunmehr den „Liber benefactorum ecclesiae Seccoviensis“ bearbeitet und herausgegeben. Es ist dies das Wohltäterbuch der Seckauer Kirche, das wohl den Augustinerchorherrn Johannes Jurichius (Johann Juritsch) zum Verfasser hat, der im 17. Jahrhundert in Seckau als Archivar gewirkt hat. Die Edition bietet mit ihrem mustergültigen Anmerkungsapparat beinahe eine Landesge- schichte der Steiermark im kleinen und vermag auch rein drucktechnisch und in der Anlage ihrer Register als vorbildhaft für ähnliche Unternehmungen gelten.

Severin, der Seher von Norikum. Dichtung und Geschichte. Von P. Dörfler. Thomas- Morus-Presse im Verlag Herder. Wien.

In der Zeit, da die Organisation des römischen Imperiums zerfiel, erhob sich das Christentum Zur Herrschaft über Europa. In dem Maße, als die römischen Kaiser und ihre westlichen Nachfolger, die germanischen Könige Italiens, an Macht verloren, da ihnen die große Idee fehlte, stieg das Ansehen des Bischofs von Rom, des pontifex maximus, als des Trägers einer völlig neuen, weltweiten und geistig-jenseitigen Haltung zu ungeahnter, mehr als kaiserlicher Macht empor. Das Reich des Geistes begann seinen Triumphzug über die Kraft des Armes. Nur aus dem Geiste dieser Zeiten heraus ist das Leben und Wirken des heiligen Severin, des Apostels der römischen Provinzialen an unserer Donau, zu verstehen: sein Einfluß auf die germanischen Herrscher im Westen und Norden, die, obzwar nicht seines Glaubens, der Reinheit und Geistigkeit seiner Erscheinung, seines Wirkens erlagen.

Seine Herkunft bleibt unbekannt. Die ansprechende Idee des Dichters, in ihm ein Kind norischer Eltern zu erblichen, die einst von den Wandalen nach Afrika verschleppt wurden, bietet ihm Gelegenheit, uns ein kultur- und geistesgeschichtlich gleich interessantes und gelungenes Bild der afrikanischen Verhältnisse des 5. Jahrhunderts zu entwerfen. Der Forscher könnte es kaum anders sehen. Und dafür dankt er dem Dichter.

Beiträge zu einer praktischen Pastoral psychologic. Von DDr. W. Demal. O. S. B. Verlag Herder, Wien 1949, 320 Seiten, Hlwd. 30 S. Seel-sorge ist sorgende Bemühung um eine Wirklichkeit: die Seele. Mari sollte meinen, daß die erste Aufgabe dieser Sorge von jeher die um eine möglichst genaue Kenntnis dieses Objekts gewesen wäre. Aber erst die neue Psychologie, die weniger nach der metaphysischen Statik als nach den Reaktionsweisen der Seele und deren Ursachen fragte, konnte der Pastoraltheologie (wie der Pädagogik) neue Einsichten schenkten. Willibald Demal gibt als erster eine zusammen- fassende Postonalpsychologie. Sie ist zunächst doch eine psychologisch orientierte Pastoraltheologie geblieben. Der Verfasser weiß um das Versuchsmäßige seines Buches. Er will nur „Beiträge“ geben, „keine abgeschlossene und vollständige Arbeit“. — Danach schon verteilen sich die Vorzüge und die Schwächen des Buches, vielleicht sagte man besser: die Wünsche, die übrigbleiben. Wir haben eine erfreulich einsichtsvolle Pastoraltheologie vor uns, für die jeder Seelsorger dankbar sein. wird. Man denke nur an die klugen, durch die Seelenkunde bereicherten Kapitel über das Geschlechtsleben, an die differentialpsychologisch gute Zeichnung der seelischen Gestalt von Mann und Frau und die seelsorglichen Folgerungen daraus, an die tapferen Betrachtungen zur Psychologie der Ehelosen. Das Buch hat einen sauberen und übersichtlichen Aufbau, trotzdem ist seine Schwäche die psychologische Systemlasigkeit. Gerade in der inneren Geschlossenheit der psychologischen Argumente läge ihre zwingende Evidenz. Man bat kapitelweise den Eindruck eines aufgeschlossenen Seelsorgers, der die Anregungen, die ihm von zufällig in die Hände gespielten Büchern zugeflogen kamen, in einem unbekümmerten Hintereinander auf die pastoralen Fälle angewendet. Das soll beileibe nicht sagen, daß alle diese Anregungen nicht richtig sind. Der praktische Seelsorger — und für diesen ist das Buch geschrieben — wird viel, sehr viel für seine Arbeit aus diesen „Beiträgen“ lernen. Ebenso jeder, der sich um das Seelenheil der Menschen Sorge macht. Er wird aufatmend erkennen, daß Sünden und Schwächen auch eine subjektive, oft schicksalhafte Wurzel haben, die in der Beurteilung nicht mehr übersehen werden kann.

Die Idee der Relativitätstheorie. Gemeinverständlich dargestellt. Von H. T h i r r i n g. Dritte, verbesserte und ergänzte Auflage. Mit acht Textabbildungen. Verlag Springer, Wien.

Der Wiener Physiker stellt sich die ungemein schwierige, aber auch ebenso lohnende Aufgabe, den mathematisch und physikalisch nicht geschulten Leser in die Idee der speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie einzuführen. Das Interesse, das weiteste Kreise zu allen Zeiten an der Relativitätstheorie bekundet haben, ist auch heute noch ungemein rege. Es muß daher sehr begrüßt werden, daß das Thirrigsche Buch, das erstmalig 1921 erschienen ist, nunmehr in der dritten Auflage vorliegt. Sie unterscheidet sich von den früheren Auflagen lediglich durch die Einschaltung eines Kapitels über die Atomenergie, wodurch der Aktualität dieses Gegenstandes Rechnung getragen wird. Der Verfasser löst die Aufgabe, die er sich gestellt hat, in musterhafter Weise. Er verlangt von seinen Lesern zwar keine wesentlichen mathematischen oder physikalischen Vorkenntnisse, wohl aber die Bereitschaft, den klaren Gedankengängen des Verfassers präzise und konsequent zu folgen. Zunächst wird das Relativitätsprinzip erläutert und die Natur des Lichtes soweit klargestellt, als es für das Verständnis des folgenden notwendig ist. Der Leser wird sodann überzeugt, daß sich aus den Grundtatsachen, der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und dem Relativitätsprinzip denknotwendig die spezielle Relativitätstheorie mit den Folgerungen der Einheit von Raum und Zeit sowie der Identität von Masse und Energie ergibt. Das Kapitel über die Atomenergie beschließt den ersten Teil. Der zweite Teil ist der allgemeinen Relativitätstheorie gewidmet. Zunächst wird die Äquivalenzhypothese von Trägheit und Schwere besprochen und daraus die Krümmung der Lichtstrahlen im Gravitationsfeld erklärt. Daran schließen sich Betrachtungen über die Relativität der Rotationsbewegung, über den Begriff der Raumkrümmung und der Weltkrümmung, sowie über die allgemeine Gravitationstheorie. Die Folgerungen daraus und die Hypothese über die Endlichkeit der Welt im mathematischen Sinne beschließen den zweiten Teil. Uber die Relativitätstheorie wurde zwischen hiezu mehr oder weniger befugten mehr debattiert, als notwendig und wünschenswert war. Dem Physiker und dem Mathematiker jedoch erscheint sie seit langem als das was sie ist, nämlich als die dem heutigen Stande der physikalischen Erkenntnis entsprechende rationellste Beschreibung der physikalischen Vorgänge in der Natur. Daraus ergibt sich die Zielsetzung des Thirringschen Buches.

Madame Dorothe. Roman. Von Sigrid Und- set. B.-Cassirer-Verlag. Für Österreich: Verlag L. Heidrich, Wien.

Die Geschichte einer kleinen Welt, die allerdings die große Erzählkunst der Verfasserin ungemein lebendig und darum fesselnd darzustellen weiß. Es ist die Welt, in der dos Dasein, völlig in die Natur eingebettet, von ihren Gewalten, begreiflichen und unbegreiflichen, durchdrungen und durchtränkt ist. Aus ihr schält sich, in guter Durchzeichnung dem Leser plastisch vor Augen gestellt, die Gestalt der Frau, die, durch das rätselhafte Verschwinden ihres Mannes aus der behaglichen Ruhe ihres Lebensganges gerissen, auch in Unruhe und Wirrnis ihren Weg in klarer Ausrichtung weitergeht. — Wir katholischen Leser sind von dom neuen Werk Unidsets enttäuscht. Es ist in keiner Weise ein Buch, das uns innerlich befriedigen kann. Das Weltbild, das es bejaht, ist ein durchaus naturalistisches, von oft derb vordringlicher Erotik, ohne tiefere ethische Überlegung. Auch die freundliche Charakteristik einer doch stark zurücktretenden Nebenfigur (Scharlach), die katholische Haltung repräsentieren soll, täuscht darüber nicht hinweg.

Timmermans, der ewige Poet. Von Siegfried Streicher. Rex-Verlag, Luzern, sfr 2.80, 64 Seiten.

Keine gelehrte Monographie im üblichen Sinne, sondern eine lebendige Würdigung und Deutung des flämischen Dichters Timmermans, der vor zwei Jahren starb. Er hat die Schönheit und überquellende Lebensfülle seiner flandrischen Heimat mit sinnenfrohem Humor, eigenwilliger Bildkraft und tiefer Frömmigkeit als ein katholisch-barocker Künstler in seinen Büchern eingafangen und im gleichen Geiste wie Breughel und de Costa das Volk Flanderns verewigt. Die flämisch-niederländische Schul wurde vo- ihm im Dichterischen fortgesetzt. Aus tief einfühlender Kenntnis Timmermans’ charakterisiert Streicher in poetisch-leuchtender Sprache das Wesen des Dichters, den Reichtum seiner Bilder und Gestalten, zeigt seine Größe, aber auch seine Grenzen und weist auf den Einfluß seiner malerischen Begabung auf seine Wortkunst hin. Bei ihm wird das Endliche zum Gleichnis des Unendlichen, die Verehrung des Geschaffenen zur Verehrung des Schöpfers. Streicher ist es gelungen, ein treffliches Bild Timmermans’ zu entwerfen und seine Individualität in kongenialer Weise zu erfassen. Das hübsche, mit Originalzeichnungen des Dichters geschmückte Bändchen ist eine begrüßenswerte Neuerscheinung.

Singen und Sagen. Roman des Minnesangs. Von L. G. Bachmann, österreichischer Bun- desverkg, Wien.

Eine einzige urkundliche Erwähnung Walthers von der Vogelweide aus dem Jahre 1203, das ist wenig. Das von der Wissenschaft entworfene Lebensbild des großen österreichischen Minnesängers, das sich im großen und ganzen ja nur auf die unter Walthers Namen überlieferten Dichtungen zu stützen vermag, ist daher ziemlich lückenhaft. Mußte das nicht Ansporn genug sein, diese Lücken durch freie dichterische Gestaltung zu schließen? Nach Franz Karl Ginzkey („Der von der Vogelweide“ 1912) und Ludwig Huna („Herr Walther von der Vogelweide“ 1926) unternahm dieses Wagnis neuerdings L. G. Bachmann, die sich durch ihre Musikerromane bereits einen guten Namen erwarb. Die Autorin verwertet zunächst die gesicherten Ergebnisse der Forschung. Mit großem Geschick entwickelt sie aus der mittelhochdeutschen Dichtung ein geschlossenes Bild nicht nur der Lehensschicksale Walthers von der Vogelweide, sondern darüber hinaus der mittelalterlichen Kultur des ritterlichen Menschen. Beson des zu begrüßen ist das Buch — dessen friedensmäßige und geschmackvolle Ausstattung nicht vergessen sei —, weil es vor allem geeignet erscheint, dem heutigen Menschen die bereits schwer zugänglich gewordene Dichtung des Minnesangs nahezubringen.

Die Wachau. Von E. Schaffran. Mit 40 Bildtafeln. Verlag Franz Deuticke, Wien 1948.

Der durch eine .stattliche Reihe kunst- historischer, beziehungsweise landschaftskund- lieber Veröffentlichungen über Niederösterreich bekannte Verfasser legt hier ein Bilderbuch der Wachau vor. In vierzig sehr guten und mit größter Sorgfalt ausgewählten Photos wird diese „Welt voll landschaftlicher und bau- künstlerischer Schönheit“ im Bilde zu vermitteln versucht. Nicht das Wissen nur um den künstlerischen Bestand der Wachau, sondern das Verstehen der Landschaft und Kunstwerke in ihrer Verbindung ist das Ziel des geschmackvoll aus- gestatteten und gebundenen Bändchens. In Bürger- und Bauernhäusern, Kirchtürmen, Kapellen, einsamen Marterln und Dorfbrunnen sieht Schaffran mit dem Blicke des Malers diese Verbundenheit, ja Einheit von Landschaft und Menschenwerk, das er als „Wachauer Kunst“ begreift. Ein in tiefer Liebe zur Heimat, mit großem Einfühlungsvermögen und notwendiger Sachkenntnis geschriebenes Vorwort hilft die bedeutsame Absicht des Autors unterbauen. Auf einer Donaufahrt von Melk bis Krems erleben wir schon im dienenden Worte, was wir dann im Bilde köstlich erschauen. Knappe, jedoch stets das Wesentliche aussagende Beschreibungen der Bildtafeln fügen sich der Erreichung des gesteckten Zieles gut ein. Der saubere Satz trägt dazu bei, das Bilderbuch zu einem wertvollen Bestandteil des neuen Buchschaffens in Österreich zu machen.

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