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Zwischen Schillerplatz und Stubenring

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Zu den vier Ausstellungen aus der Welt des Barocks, die gegenwärtig in Wien zu sehen sind, ist als fünfte die Exposition in der Bibliothek der Akademie der bildenden Künste getreten. Hier werden Handzeichnungen, Druckgraphiken und Autographen von Zeitgenossen J. B. Fischers von Erlach gezeigt, vorwiegend aus dem Besitz des Kupferstichkabinetts der Akademie. Es ist anzunehmen, daß Fischer von Erlach viele der hier vertretenen Künstler gekannt hat: Strudel, der 1692 die „Academia von der Mallerey-, Bildhaver-, Fortifications-, Prospectiv- und Architecturkunst” mit kaiserlicher Unterstützung gründete; Jakob van Schuppen, den Nachfolger (Altarbild von ihm in der Karlskirche), Troger und Unterberger, die späteren Rektoren, Pockh, den Schöpfer des Hochaltarbildes zu St. Stephan, und Martin Altomonte, den Fami- liaris des Stiftes Heiligenkreuz. Andere der insgesamt elf vertretenen Künstler mögen vielleicht nur den Kunstfreunden bekannt sein, viele von uns sind aber in den Kirchen Oesterreichs vor ihren Werken gestanden. Es mag daher mit ein Wert der gut zusammengestellten Ausstellung sein, unsere allzu eiligen Fernreisenden zu heimischer Muße anzuleiten; darüber hinaus aber hinzuweisen, daß dies große Museum Oesterreich gehegt und verwaltet sein will. Die Ausstellungen gehen vorüber, aber Bauten und Malereien wollen nicht heute zur Schau gestellt und morgen verkleistert werden. In diesem Zusammenhang scheint es uns angebracht, auf die Schrift „Garten oder Hochhaus” (das Trautson-Palais betreffend) hinzuweisen, welche beim Aktionskomitee „Wiener Mirabellgarten” (VII., Schottenfeldgasse 24) erhältlich ist.

Die Besucher des Barockfestes in Wien mögen es nicht als barocke Zumutung auffassen, wenigstens eine Stunde dem Oesterreichischen Museum für angewandte Kunst zu widmen. Dort sind Spitzen aus vier Jahrhunderten zu sehen, hervorragende Beispiele der Entwicklung des Kurist- handwerks und Spiegel des Dekorativen und der Mode. Von den schweren Formen des 16. Jahrhunderts und den italienischen Nähspitzen bis zu den kostbaren Erzeugnissen der Rosenspitze des 17. Jahrhunderts und zum berückenden Wolkentraum der französischen Nadelspitze und den Klöppelmustern aus Belgien wird — besonders für unser Frauen — eine Augenweide sondergleichen geboten. Aber auch die Herren, die mehr in Geschichte und Industrie daheim sind, finden Muße nachzudenken: als Bobinetstühle und Jacquardmaschinen am Beginn des 19. Jahrhunderts zu arbeiten begannen, endete eine große Zeit.

Zehn Jahre sind vergangen, seitdem der Maler Professor Max von E s t e r 1 e heimgegangen ist. Nun erfolgte durch eine Gedächtnisausstellung im Tiroler Landesmuseum, Innsbruck, die längst fällige Ehrung. Da bei einem Brandunglück 1922 viele Bilder des Künstlers in seinem Atelier vernichtet wurden, mußte das Oeuvre mühsam aus Privatbesitz zusammengetragen werden.

Am Beginn der Kunst des 1870 in Cortina geborenen Künstlers steht als bedeutende Leistung das Bild der Mutter von 1896, gerade nachdem er sein Studium in Wien beendet hatte. Es ist noch eine tonige Malerei in braunen und grauen Valeurs. Dann folgen frühe Bilder unter dem Einfluß der Kunstakademien in Paris und München, wo Esterle von 1897 bis 1904 weilte. Sie zeigen ihn als feinempfindenden Hellmaler, der alle Errungenschaften des Impressionismus in sich aufgenommen hat. Ein Bild wie „Dame mit Hund” von 1903 erinnert in seiner strahlenden Helle mit den Sonnenflecken an die Malweise von Leo Putz, seines Freundes und Studienkollegen in München. Ebenso erstaunlich wie dieses Bild ist das frühe Selbstporträt des Malers um 1905, nachdem er sich in Innsbruck niedergelassen hatte. In späteren Bildnissen ist Esterle vom Impressionismus etwas abgerückt und zu einer gewissen Tonigkeit zurückgekehrt, weil er nicht das Flüchtige, sondern das Bleibende darstellen wollte. Aus seinen letzten Jahren ist hervorzuheben das Rektorenbildnis von Univ.-Prof. Dr. Albert Schmitt von 1937 und wiederum ein ausgezeichnetes Selbstbildnis in einer lockeren, durch Erfahrung gereiften Malusse. Sehr bekannt geworden sind auch Esterles Karikaturen, die 1911 zum Teil in „Tirols Koryphäen” des Brenner-Verlages erschienen. Unveröffentlichte Blätter dieser geistreichen Serie sind auf der Ausstellung ebenfalls zu sehen. Als Landschafter ist der Künstler vor allem mit Winterlandschaften hervorgetreten, die das Blau in allen Tönen abwandeln. Auf diesem Gebiet sind ihm viele gefolgt, hat Esterle doch lange Jahre als Lektor für Malerei an der Universität gewirkt. Die beste Landschaft aus der Spätzeit ist ein Getreideschnitt vor dem blauen Sehlem, ln seinem Leben wie in seiner Kunst finden wir die edle Feinheit und vornehme Haltung einer Persönlichkeit, die sich zeitlebens selbstlos firn die Interessen der Tiroler Künstlerschaft eingesetzt hat.

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