Pelikanblut - © Foto: Alamode

Aufopfernde Liebe oder Märtyrerkomplex?

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Rudolf Preyer über "Pelikanblut", den neuen Film von Regisseurin Katrin Gebbe.

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Rudolf Preyer über "Pelikanblut", den neuen Film von Regisseurin Katrin Gebbe.

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Wiebke (Nina Hoss) gehört ein Pferdehof in der deutschen Provinz – die Dienstpferde der Polizei werden hier von ihr ausgebildet. Nach Jahren des Wartens adoptiert sie das fünfjährige bulgarische Mädchen Raya (Katerina Lipovska): Die neunjährige Adoptivtochter Nicolina (Adelia Ocleppo) soll eine Schwester bekommen. Anfänglich scheint sich Raya gut einzugewöhnen, doch bald begehrt sie auf: Sie legt Feuer und versucht, die anderen zu töten. Ein Kinderpsychiater erklärt, dass Rayas Amygdala völlig verkümmert sei, was das Mädchen empathielos mache. Mit ihr wird es immer ärger – der Psychiater bietet an, Raya einen Platz in einem spezialisierten Heim zu ermöglichen. Die Mutter lehnt ab: „Raya durfte nie Baby sein, das holen wir jetzt nach.“ Sie trägt das Kleinkind jetzt ständig am Rücken, darunter leiden auch ihre Pferdetrainings.

Wiebke besorgt sich sogar Tabletten, um einen Milchfluss zu bekommen – sie stillt die fünf Jahre alte „Besessene“, die beißt sie aber. Als letzte Hoffnung stimmt die Mutter dem Exorzismus einer osteuropäischen Geistheilerin zu. „Pelikanblut“ verweist auf die christliche Ikonografie: Der Legende nach öffnet sich der weibliche Pelikan die eigene Brust, um ihr totes Junges mit dem tropfenden Blut wieder ins Leben zurückzuholen. Allegorisch wird dies in Bezug zum Opfertod Christi gesetzt. Handelt Wiebke in aufopfernder Liebe, oder ist sie einem Märtyrerkomplex anheimgefallen? Wer sind wir, dies zu beurteilen?

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