Bauernhaus - © Foto: Pixabay

Bauern, Dichter etc. zu Ohlsdorf

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Otto Friedrich über "Der Bauer zu Nathal", ein Film von David Baldinger und Matthias Greuling.

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Otto Friedrich über "Der Bauer zu Nathal", ein Film von David Baldinger und Matthias Greuling.

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"Dass beim Reden d'Leut zusammenkommen, ist in diesem Film nicht nur eine beschauliche Redensart, sondern auch dessen Programmatik." Er ist der größte Sohn des Ortes -doch zu seinen Lebzeiten war das Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung, gelinde gesagt, nicht friktionsfrei. Umgekehrt hätte sich Thomas Bernhard, Misanthrop und Dichter, den "Großen-Sohn-der-Heimat"-Status energisch verbeten. Dennoch finden im nahen Gmunden alljährlich die Salzkammergut Festwochen statt, die sich auch mit Bernhard auseinandersetzen, und in Ohlsdorf selber ist der Vierkanthof, den Bernhard 1965 im Ortsteil Obernathal (Bild unten) erwarb, ein literatur-touristisches Ziel geworden.

Ein Film über Thomas Bernhard

Das ist der Hintergrund des ambitionierten Dokumentarfilms "Der Bauer zu Nathal", der im Untertitel wohl "Kein Film über Thomas Bernhard" zu sein behauptet, der sich aber genau als ebendieser entpuppt: eine filmische Spurensuche in Ohlsdorf und Umgebung nach den Erinnerungen und -geistigen wie materiellen - Hinterlassenschaften, die den Literaten von Weltrang in dieser Gegend Oberösterreichs heute noch wachhalten. Und gleichzeitig ein Panoptikum des heutigen Lebensgefühls ebendort.

Die beiden Filmemacher von "Der Bauer zu Nathal" haben für ihr Opus die Seiten gewechselt: Filmjournalist Matthias Greuling, FURCHE-Lesern seit vielen Jahren als Filmkritiker und Festival-Berichterstatter präsent, und der Ö1-Kulturjournalist David Baldinger haben Bewohner und Honoratioren -von der Ohlsdorfer Bürgermeisterin bis zur Intendantin der Salzkammergut Festwochen -vor die Kamera gebracht.

Dass beim Reden d'Leut zusammenkommen, ist in diesem Film nicht nur eine beschauliche Redensart, sondern auch dessen Programmatik. Da wäre der Bauer, der 1989 nach Bernhards Tod vom ORF, der besonders dumpfe Bernhard-Gegner suchte, im Fernsehen seine Tiraden gegen die Tiraden des Dichters losgelassen hat: Fast 30 Jahre später ist er immer noch nicht zum Bernhard-Fan "gereift" - aber er kann seine damalige Antipathie doch mit der Brille von heute schmunzelnd referieren. Und sich vom Ohlsdorfer Kirchenwirt, bei dem Bernhard oft einkehrte, und der zu den wenigen Fans des Literaten im Ort zählte, von einem Burgtheater-Besuch überzeugen lassen: Zum Bernhard-Stück "Der Ignorant und der Wahnsinnige" fährt man gemeinsam nach Wien.

Liebevoll und detailreich

Liebevoll und detailreich entsteht in dem Film ein Kosmos, in dem klar wird, dass Bernhards Literatur ohne Ohlsdorf jedenfalls anders geworden wäre. Burgtheater-Star Nicholas Ofczarek liest zwischendurch ausgewählte Bernhard-Texte -natürlich mit lokalen Bezügen. Und die VP-Bürgermeisterin von Ohlsdorf entpuppt sich als geerdete Gesprächspartnerin, die mitnichten einer "Feindschaft" zwischen den Ohlsdorfern und Bernhard das Wort redet. Alles in allem ein gelungenes Unterfangen, das gewiss auch von David Baldingers Heimvorteil profitiert hat: Denn der Ko-Regisseur wuchs in einem Nachbarhof des Bernardhauses auf. Finanziert wurde diese cineastische Liebhaberei durch Crowdfunding -ohne die üblichen Fördertöpfe. Auch das sollte keineswegs verschwiegen werden.

Der Bauer zu Nathal A 2018. Regie: David Baldinger, Matthias Greuling. Stadtkino. 90 Min.

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