Cyrano - © Universal

„Cyrano“: Schwer verwundet – vom Krieg, vom Leben, von der Liebe

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„Cyrano“ von Joe Wright zeigt, wie essenziell intellektuelle Konstruktionen in der Liebe zweier Menschen sind.

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„Cyrano“ von Joe Wright zeigt, wie essenziell intellektuelle Konstruktionen in der Liebe zweier Menschen sind.

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„Ich habe es verdient! Ich habe es verdient!“, singt sich der Comte De Guiche (Ben Mendelsohn) in Joe Wrights „Cyrano“ inbrünstig durch die nächtlichen Gassen des finsteren Paris Ende des 17. Jahrhunderts. Er ist auf dem Weg zu der von ihm einseitig angebeteten Roxane (Haley Bennett), und mit „es“ meint er sie, meint er eine Frau, meint er ganz generell: was und wen auch immer er haben möchte. „Es“ stünde ihm zu, weil er es will.

Dieser „Generalanspruch des Mannes“, diese toxische Männlichkeit, ist nur eines der Themen, die Wright ausgerechnet mittels eines Mainstreammusicals pointiert und ohne Verluste aus Edmond Rostands 1897 erschienenem Originalwerk zeitgemäß übertragen kann. Bereits mit „Abbitte“, „Stolz und Vorurteil“ und „Anna Karenina“ zeigte Wright ein Faible für weibliche Positionen in patriarchalen Gesellschaften. Mit „Cyrano“ kann er die Ambiguität des Originals gerade im digitalen Zeitalter virtueller Beziehungen um neue Facetten erweitern. Woran auch der kongeniale Peter Dinklage in der Hauptrolle wesentlich beteiligt ist. Bekannt und beliebt aus der Serie „Game of Thrones“, legt er hier die Vorstellung seines Lebens hin.

Da stört es nicht einmal, dass er der großartigen Bennett (übrigens die Ehefrau von Wright) gesanglich nicht das Wasser reichen kann. Die Songs (von der Kultband The National) funktionieren so oder so als ideales Vehikel, die Handlung sowohl emotional zu verankern als auch beinahe transzendental zu erheben. Fantastische Kamerafahrten, klingende Degenkämpfe, entrückte Kriegsschauplätze: Wright inszeniert „Cyrano“ leicht surreal, was die bekannte Geschichte wuchtiger erscheinen lässt.

Der Offizier Cyrano ist seit Kindertagen mit der wunderschönen, adeligen Roxane befreundet. Als sie ihm gesteht, sich in den jungen Kadetten Christian (Kelvin Harrisson Jr.) verliebt zu haben, bemerkt Cyrano, dass er selbst sie unsterblich liebt, doch er beschließt, den beiden zu helfen, und bietet dem sehr netten, aber literarisch weniger begabten Christian an, für ihn Liebesbriefe an Roxane zu verfassen. Roxane verfällt den Worten, den Gedanken und Gefühlen dieser Briefe, doch bei jedem physischen Treffen mit Christian bemerkt sie das schmerzhafte Fehlen der geistigen Verbindung. „Als Frau“ kann sie sich mit ihrer Intelligenz, ihrer Wortgewandtheit und Brillanz in der damaligen Zeit kaum bewegen.

„Cyrano“ zeigt, wie essenziell intellektuelle Konstruktionen in der Liebe zweier Menschen sind – als gemeinsamer Raum, der sich beständig verengt und erweitert. So endet der Film in einem lichtdurchfluteten, in den Himmel ragenden Lazarett. Vom Krieg, vom Leben, von der Liebe schwer verwundet sprechen Roxane und Cyrano ein letztes Mal miteinander – und erlauben dem anderen die jeweilige Wahrheit. Ein würdiges Ende, ein überraschend großer Film.

Die Autorin ist Filmkritikerin.

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