Ein Triumph der SINNLICHKEIT

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Regisseur Gulliermo del Toro lebt auch in 'The Shape of Water' seine Fantasien -in voller Sinnlichkeit -aus.

Alle haben Berührungsängste mit dem fremden Amphibienwesen, das unter Wasser lebt und darob in einem Bassin gefangen gehalten wird.

Elisa (Sally Hawkins) lässt sich ein Bad ein. Die Farben sind warm, aber es herrscht kein Idyll. Elisa lebt in einer abgewohnten Wohnung, nicht im Luxusapartment. Und doch ist es wunderbar sinnlich, wenn sie nackt die geschrubbte Badewanne besteigt, sich dann ganz entspannt ihren Gefühlen hingibt und masturbiert.

So beginnt "The Shape of Water" des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro, der nicht erst seit "Pans Labyrinth" für sein Faible fürs Fantastische bekannt ist, und der diese Fantasie auch hier wieder ausleben will, in allen Facetten und in einer bisher bei ihm ungesehenen Sinnlichkeit. Die Geschichte von Elisa ist auch die Geschichte einer erfüllten Liebe: Elisa ist stumm und arbeitet als Reinigungskraft in einer geheimen US-Einrichtung, in der ein außerirdisches Wesen (Doug Jones) gefangen gehalten wird.

"The Shape of Water" spielt in den 1960er-Jahren, und darauf gründet del Toro schon gleich den Wahnwitz seiner Geschichte: Damals glaubte man verbreitet an Außerirdische, es gab eigene Regierungsprogramme zur Erforschung des Lebens im All und die Comic Books jener Zeit waren voll mit den unbekannten Männern vom anderen Stern. Just in dieser aufgeladenen Atmosphäre behauptet del Toro die Existenz von Aliens und wie sehr dieser Umstand als Anomalie gesehen wird.

Ein fremdes Amphibienwesen

Alle haben Berührungsängste mit dem fremden Amphibienwesen, das unter Wasser lebt und darob in einem Bassin gefangen gehalten wird. Alle, bis auf Elisa, die rasch und über die Zeichensprache eine zunächst geheime Verbindung zu dem Wesen aufbauen kann. Vielleicht, weil es sich bei ihm wie auch bei ihr um Außenseiter handelt, funkt es auch emotional: Im Verlauf des Films werden Elisa und der Mann aus dem All irdischen Freuden frönen, in einem Meer der Lust, auf dass es beim Nachbarn von der Decke tropft. Natürlich wird die Kreatur auch ordentlich schlecht behandelt, nachdem sich der gewünschte Erforschungserfolg durch Richard Strickland (Michael Shannon) nicht einstellt. Folter mit Stromschlägen sollen die Kreatur gefügig machen, lähmen sie hingegen nur. Elisa sieht es als ihre Pflicht, mithilfe ihres Nachbarn (Richard Jenkins), eines schwulen und darob arbeitslosen Malers (1962!), um den sie sich rührend kümmert, und mit ihrer Arbeitskollegin (Octavia Spencer) einen Plan zu schmieden, um ihren neuen Freund aus der Anstalt zu entführen und ihm die Freiheit zu schenken, die er fortan mit ihr teilen soll.

Gerade an dieser Stelle im Plot geht bei del Toro seine doch auch stark vorhandene Neigung zum Spektakel mit ihm durch; all die Action und Twists hätte es gar nicht gebraucht in dieser Liebesgeschichte, sie lenken eigentlich ein wenig ab vom Wesentlichen. Aber es tut der Freude keinen Abbruch, mit der man dieser Geschichte folgt. Von Beginn an fühlt man sich in ihr wohl, als wäre einem die Welt vertraut, die del Toro zeichnet.

Das kann damit zu tun haben, dass hier vieles tatsächlich altbekannt anmutet, und zwar aus den Filmen des französischen Kinofantasten Jean Pierre Jeunet. Kein Wunder, dass Jeunet del Toro inzwischen des Plagiats bezichtigt, so wie der Mexikaner hier bei Jeunets Filmen "Delicatessen" und "Die fabelhafte Welt der Amélie" klaut. Schlagartig kehrt man gleich zu Beginn in diese bildgewaltige, von satten, aber derben Farben geprägte Welt zurück, die man seither nur selten in einer solchen Ausprägung gesehen hat. Und auch, wenn del Toro die Plagiatsvorwürfe bestreitet, leugnen kann man sie nicht. Allein der visuelle Aufbau der Bilder, was die Details oder Figuren betrifft, die Blickwinkel und die geringe Tiefenschärfe, all das sieht aus, als habe man "Delicatessen 2" vor sich. Nur, wenn "The Shape of Water" umschlägt in diese wilde Entführungsgeschichte, wirken del Toros Blicke auf seine Figuren durchaus den Konventionen des Genres entsprechend.

US-Gesellschaft anno 1962

Ganz nebenbei entwirft del Toro in "The Shape of Water", der heuer für nicht weniger als 13 Oscars nominiert ist, auch ein Porträt einer US-Gesellschaft, die 1962 noch andere, harschere Werte vertrat: Der geschasste Maler, der wegen seiner Homosexualität den Job verlor; der rassistische, aggressive Zampano, der gegen die Kreatur wettert und sie quält; die stumme, warmherzige Putzfrau; ihre idealistische, schwarze Kollegin, die vor Gefahren warnt, sie letztlich aber doch eingeht; all das fühlt sich sehr nach 1962 an, als Wettrüsten und das Fliegen zum Mond noch die Schlagzeilen beherrschten, nicht sexuelle Befreiung oder die Friedensbewegung, wie nur wenige Jahre später.

Del Toro ist auch ein Seismologe dieser miefigen Umgebung, die sich im Übergang zur Weltoffenheit befindet; traditionelle Kräfte haben noch die Überhand, aber ihre Macht schwindet. Das Gute setzt sich durch.

So lässt sich "The Shape of Water" trotz seiner Verortung in den 1960er-Jahren auch als zeitkritisches Dokument lesen; die USA sind (nicht erst seit Trump) wieder auf dem Weg in die Isolation, weil ihr Weg weltweit und in den erstarkten Regionen Asiens schon lange nicht mehr als der einzig gangbare gesehen wird.

Der Seismologe del Toro fängt diese Stimmung dank seines hervorragend agierenden Schauspielensembles vortrefflich ein. Es ist ein Rückzug in den Konservativismus, der sich in all jenen Figuren vollzieht, die das Fremde fürchten. Und es ist ein Spiel mit den Erwartungen, dass alles irgendwann einmal besser werden wird. "Great Again" eben.

Am Ende aber propagiert Guillermo del Toro auch genau jene Weisheit, die alle Liebesfilme propagieren: Die Liebe gilt ihm als die größte Hoffnung. Gerade in Zeiten der Kälte.

The Shape of Water USA 2017. Regie: Guillermo del Toro. Mit Sally Hawkins, Octavia Spencer, Michael Shannon, Michael Stuhlbarg, Doug Jones. Centfox. 123 Min.

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