"Eine mahnende DystopiE"

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Im Jahr 2012 drehte der junge Wiener Regisseur Stefan A. Lukacs nach etlichen Arbeiten fürs Web und Fernsehen seinen Kurzfilm "Void". Darin erzählt er eine wahre Begebenheit: Von drei Wega-Beamten, die einen afrikanischen Schubhäftling zurück in seine Heimat abschieben sollen -doch dieser weigert sich mit Händen und Füßen. Die Polizeibeamten werden rasch gewalttätig und offener Rassismus tritt zutage. Der Inhalt des kritischen Films wurde von der Polizei in die Ausbildung integriert: "Void" wird an der Polizeischule gezeigt, um zu illustrieren, wie Polizeiarbeit nicht laufen soll.

Nun taucht Lukacs mit seinem ersten Spielfilm "Cops" noch tiefer in die Materie ein: Er schickt einen jungen Wega-Aspiranten (Laurence Rupp) in die Hölle des Verbrechensbekämpfungsalltags. Als der junge Mann bei einem Einsatz in Panik einen Mann erschießt, wird er von seinem Vorgesetzten gedeckt und von den Kollegen als Held gefeiert. Doch an ihm selbst nagen Zweifel, ob er dem Druck des Jobs gewachsen ist.

Die Furche: Herr Lukacs, in "Void" befassten Sie sich mit Rassismus und Polizeigewalt. Wieso hatten Sie das Gefühl, dass dem Kurzfilm noch ein langer folgen sollte?

Stefan A. Lukacs: Ich habe die Polizeiwelt als einen eigenen Mikrokosmos kennen gelernt, der viele Überraschungen parat hält und in den man durchaus tief vordringen kann. Bei "Void" hatte ich mich damals für institutionellen Rassismus interessiert, der Kurzfilm wurde später vom Innenministerium angekauft und wird auf der Polizeischule als abschreckendes Beispiel gezeigt. Ich hatte von dem Vorfall, der dem Film zugrunde liegt, bereits 2006 erfahren, und ich habe mich wahnsinnig darüber aufgeregt, dass es in Österreich bei der Exekutive so zugehen kann. Ich habe die Filmidee lange Zeit ruhen lassen, und schließlich hat sich der Kurzfilm ergeben. Seither bin ich bei der Wega kein gern gesehener Gast, weil diese Einheit ja nicht gut wegkommt in "Void". Für "Cops" wollte ich sozusagen eine Art Vorgeschichte zu "Void" erzählen -es geht hierbei mehr um den Apparat und um das System, in dem solche Vorfälle von Polizeigewalt möglich sind.

Die Furche: Woher hatten Sie die Infos, die Sie brauchten, um vom Inneren des Polizeiapparates zu berichten, vor allem, wenn Ihnen die Wega die Kooperation verweigerte?

Lukacs: Nach "Void" entstand ein intensiver Kontakt zu allen möglichen Polizei-Stellen, das ist ein sehr komplexer Apparat. Man hat mich rundum informiert, ich durfte sogar eine Woche an der Polizeischule mitmachen, um Einblick zu erhalten. Es war mir wichtig, für "Cops" so viele Infos wie möglich direkt von der Quelle zu erfahren. Auch die Schauspieler sollten sich gewissenhaft vorbereiten, vor allem, was das polizeiliche Handeln betrifft und auch die Infos, wie man in welchen Situationen reagieren muss als Polizist. Obwohl die Wega offiziell mit mir nicht kooperierte, so habe ich unter der Hand von einigen Wega-Beamten brauchbare Infos erhalten.

Die Furche: Sie zeigen dennoch sehr zugespitzt, wie Polizeiarbeit verlaufen kann. Nicht alle diese Beamten sind korrupt.

Lukacs: Natürlich nicht. Man darf nicht alles für bare Münze nehmen, was ich zeige, es geht mir mehr darum, zuspitzend zu thematisieren, wohin wir uns entwickeln und was passieren könnte, wenn wir nicht aufpassen. Der Film versteht sich als mahnende Dystopie. Es gibt immer wieder Fälle in der Polizei, wo Beamte zu unglaublichen Verbrechen fähig sind. Da muss schon ein System dahinterstehen. Wenn man etwa mit dem Soziologen Reinhard Kreissl spricht, der lange bei der Polizei geforscht hat, dann bestätigt einem der, dass alles, was in "Cops" gezeigt wird, der Wahrheit entspricht. Für ihn ist es kein Spielfilm, sondern fast wie eine Doku.

Die Furche: Auf Basis Ihrer Recherche: Was sind das für Leute, die sich für einen Weg in eine Wega-Ausbildung entscheiden?

Lukacs: Es gibt dort viele junge Menschen, aber auch viele, die bereits eine andere Ausbildung gemacht haben. Sie haben unterschiedlichste Haltungen, es eint sie aber mit Sicherheit der Drang, etwas Bedeutungsvolles für die Gesellschaft schaffen zu wollen.

Die Furche: Man hört in "Cops" auch den Satz "Ich will auf unser Land aufpassen" von denen, die zur Wega wollen. Das klingt nach Actionfilm.

Lukacs: Ja, man braucht für diesen Beruf sicher auch einen Hang zum Abenteuer. In Wien gibt es mehr als 200 Wega-Beamte, und natürlich sind das nicht lauter Rambos. Aber ein gewisses Mindset muss man schon mitbringen, um diesen Job überhaupt machen zu wollen. Denn es ist ein ganz anderer Job als der, den Streifenpolizisten machen oder die Kripo. Als Wega-Beamter bist du sozusagen permanent "an der Front". Es herrscht zwar kein Krieg, und diesen Ausdruck würden die Wega-Beamte auch nicht verwenden, aber man könnte es so formulieren: Die Wega-Leute sind Krieger gegen das Verbrechen. Die Furche: Wie politisch ist der Film?

Lukacs: Ich wollte mit "Cops" durchaus politisches Kino machen, eines, das sich mit der Entwicklung der Gesellschaft befasst, aber zugleich auch ein breiteres Publikum erreichen kann. Deshalb wollte ich bis zu einem gewissen Grad auch gängigen Seh-Konventionen entsprechen, es sollte dem Auge gefallen, wenngleich ich dann und wann auch experimentiert habe. Das Verhältnis musste stimmen, vor allem bei Tempo, Schnitt und im Sounddesign. Der Film sollte unterhaltsam sein und zugleich eine Message haben.

Die Furche: Wie wird die Wega auf den Film reagieren?

Lukacs: Das istschwer einzuschätzen."Cops" ist unterhaltsam, bietet Action, ist aber kein Actionfilm. Ich sehe ihn eher als kritischen Polizeifilm, der zu einer Debatte anregen will. Zur Polizei hat jeder eine Meinung, genau wie zum Fußball. Deshalb rechne ich mit Reaktionen, die in alle Richtungen gehen.

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