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Einfach schade!

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Premiere von Tschechows abgründiger Komödie „Onkel Wanja” am Grazer Schauspielhaus: ein Sittenbild russischen Landlebens, inmitten dessen der in einer veritablen „midlife crisis” steckende Onkel Wanja in einer Mischung aus Selbstekel, Verzweiflung und herechtigter Aggression sogar einen Schuß auf Professor Serebrjakow, eine senile wissenschaftliche Hochstapler-Niete, abgibt, diesen aber freilich verfehlt - das eintönige, sinnentleerte Leben geht weiter, als sei nichts gewesen.

Obwohl keine auffallenden konkreten Mängel an der Inszenierung zu bekritteln sind, wurde jedoch neuerlich eine Möglichkeit vertan, den doppeldeutigen Sprachwitz Tschechows herauszuarbeiten: Tschechow ist eben kein ins russische Datschamilieu projizierter Schnitzler! Wollte man etwas über den „ennui”, den Lebensüberdruß, oder die Sinnleere und Lebensangst bürgerlichen Daseins erfahren, müßte man freilich zu Sartre oder Svevo greifen - das spezifische Lächeln Tschechows kam jedenfalls auch diesmal nicht zum Vorschein. So geglückt auch die meisten darstellerischen Leistungen waren - überzeugend Jörg Lichtenstein als zerrissener Landarzt, Ernst Prassel als ein Onkel Wanja von lauernder Zerstörungslust, vor allem aber die souverän subtile Renate Winkler als die im Grunde traurige Professors-Gattin, der ein „Madame Bovary”-Schicksal vorauszusagen ist - Regisseur Lutz Graf inszeniert eindeutig an Tschechows inkommensurabler „Geburt des Lächelns aus dem Geist unterdrückter Verzweiflung” vorbei und erzielt damit über weite Strecken eine unnötige Langeweile, die gerade nicht im Sinn des Autors zu sein scheint. Schade.

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