Eishexe und ihre Rabenmutter

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"Der Film ist ein böser Kommentar aufs amerikanische Erfolgsstreben und den Oberschichtensport Eiskunstlauf, in dem ein Unterschichtenmädchen mit selbstgenähten Kleidern deplatziert wirkt."

Zweimal -1992 und 1994 -nahm Tonya Harding an den Olympischen Spielen teil, in die Schlagzeilen auch abseits der Sportseiten kam sie aber durch einen Metallstangen-Anschlag auf das Knie ihrer Konkurrentin Nancy Kerrigan. Harding bestritt jede Mitschuld, wurde aber als vermutliche Drahtzieherin mit einer lebenslangen Sperre belegt.

Craig Gillespie behauptet im Gegensatz zu üblichen Biopics gerade nicht, "die wahre Geschichte" zu erzählen, sondern stellt schon mit dem Insert "beruhend auf ironiefreien, extrem widersprüchlichen, total wahren Gesprächen" diese Wahrheit zur Diskussion. Immer wieder werden so in iszenierten Interviews mit Harding, ihrem Ehemann, ihrer Mutter und weiteren Bekannten ganz unterschiedliche Sichtweisen der Ereignisse aufeinandertreffen. Zudem werden diese Aussagen durch die Spielfilmhandlung mehrfach korrigiert.

Diese eingeschobenen Interviews ermöglichen es Gillespie aber auch, die Handlung zu raffen, einmal Ereignisse vorwegzunehmen, dann wieder zurückzublicken und so dem Film enormen Drive zu verleihen. Knapp, aber prägnant und bissig skizziert er Tonyas Beziehung zur überehrgeizigen und lieblosen Mutter LaVona Golden (Allison Janney), die glaubt, ihre Tochter nur mit Druck, Beleidigungen und physischer Gewalt zu sportlichen Höchstleistungen treiben zu können.

Die Gewalt, die Tonya (Margot Robbie) in dem atmosphärisch dicht eingefangenen White-Trash-Milieu erlebt, bleibt freilich nicht ohne Folgen für ihr späteres Leben. Auch in der Ehe mit Jeff (Sebastian Stan) wird diese nicht fehlen.

Gewalttätiges White-Trash-Milieu

Rabenschwarze grelle Farce ist "I, Tonya" in der Überzeichnung seiner Figuren, bei der speziell die Männer durch Stupidität glänzen, aber auch ein böser Kommentar auf das amerikanische Erfolgsstreben und den Oberschichtensport Eiskunstlauf, in dem ein Unterschichtenmädchen mit seinen selbst genähten Kleidern deplatziert wirkt.

Da mag Harding auch als erste Frau in einem Wettkampf einen dreifachen Axel springen, so muss sie doch bald erfahren, dass es nicht nur um sportliche Höchstleistungen geht, sondern auch um Grazie und die Vermittlung des Bilds der amerikanischen Bilderbuchfamilie.

Während die Kameraarbeit von Nicolas Karakatsanis die Eislaufszenen nicht nur virtuos dynamisiert, sondern auch das Kraftvolle von Hardings Stil vermittelt, kommentiert der mitreißende Soundtrack mit Songs wie Cliff Richards "Devil Woman" zum ersten Auftritt der Mutter oder "Romeo and Juliet" von den Dire Straits zur beginnenden Liebe Tonyas zu Jeff immer wieder die Handlung treffend.

Getragen wird das mit Verve inszenierte Biopic, das auch mit dem (amerikanischen) Wunsch nach einem einfachen Weltbild mit einer Prinzessin, die man lieben kann, und einer leicht zu hassenden Antagonistin abrechnet, aber von einem fulminant aufspielenden Ensemble. Margot Robbie vermittelt nicht nur großartig die Vulgarität Hardings, sondern macht auch die Tragik einer Frau erfahrbar, die durch ihre dominante Mutter eines eigenen Lebens beraubt wurde. Kaum weniger brillieren die mit dem Nebenrollen-Oscar ausgezeichnete Allison Janney in der Rolle der Rabenmutter, während Sebastian Stan als Tonyas Mann und Paul Walter Hauser als ihr Leibwächter als dämliche White-Trash-Typen glänzen.

I, Tonya USA 2017. Regie: Craig Gillespie. Mit Margot Robbie, Sebastian Stan, Allison Janney, Paul Ealter Hauser. Thimfilm. 119 Min.

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