Festival als Nachruf auf den GrosseN PräGer

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'Ich bin überzeugt, dass das Programm Hans Hurch gefallen hätte', bekräftigt Franz Schwartz, der interimistische Festivalleiter.

Eine Stadtlandschaft in der Abenddämmerung, sphärische Musik, fernes Kindergeschrei und das friedliche Gesicht von Hans Hurch: Der Trailer der diesjährigen Viennale, gefertigt von Abel Ferrara, ist ein cineastischer Kurznachruf auf den langjährigen Viennale-Direktor, der diesen Juli überraschend gestorben ist. Das gesamte Wiener Filmfestival steht heuer im Zeichen des Kinobegeisterten, der die Viennale 20 Jahre lang leitete: "Ein Festival von und für Hans Hurch" lautet das diesjährige Motto. "Ich bin überzeugt, dass das Programm Hans Hurch gefallen hätte", bekräftigt Franz Schwartz, der interimistische Festivalleiter, der das zu einem großen Teil noch von Hurch selbst konzipierte Programm vollendete.

Gezeigt wird auch Christoph Waltz' Spielfilmdebüt 'Kopfstand' (1981), ein Psychiatrie-Drama, in dem ein aufmüpfiger, aber geistig gesunder Rebell in die Fänge eines brutalen Systems gerät.

14 Freunde Hurchs verneigen sich postum

Dem Verstorbenen ist sogar eine eigene Programmschiene gewidmet: 14 Freunde Hurchs, deren Arbeit mit der Viennale verbunden sind, haben je einen Film ausgesucht, um sich vor ihrem künstlerischen Weggefährten postum zu verneigen, darunter Tilda Swinton, Kelly Reichardt, Patti Smith, Agnès Varda und der von Hurch über alles geschätzte französische Filmemacher Jean-Marie Straub. Zu den gezeigten Filmen gehören "Bande à part" (Jean-Luc Godard, 1964),"Trouble in Paradise"(Ernst Lubitsch, 1932) sowie die beiden Western "Comanche Station" (Budd Boetticher, 1960) und "The Big Sky"(Howard Hawks, 1952).

Hurch war ein großer Freund des Wildwest-Films. Insofern hätte er sicher auch seine Freude an Valeska Griesebachs neuem, in Österreich koproduzierten Film "Western" gehabt, der das typische Setting von den Weiten Amerikas des 19. Jahrhunderts ins Bulgarien der Gegenwart verlegt: Eine Gruppe deutscher Bauarbeiter soll in Bulgarien ein kleines Wasserkraftwerk errichten. Dort geraten sie in Konflikte mit den Einheimischen, aber auch untereinander erwachsen Rivalitäten. Raue Männer, eine begehrte Frau, ein Pferd, brennende Hitze und ein Duell sind die Ingredienzien dieses "Easterns", der auch über einen prototypischen Helden (Meinhard Neumann) verfügt: ein schweigsamer Einzelgänger, nicht nur ein Fremder in einem fremden Land, sondern auch ein Außenseiter in der eigenen Gesellschaft. "Western", der heuer bereits in Cannes viel Lob erhielt, wird übrigens im Rahmen eines Griesebach-Spezialprogramms präsentiert, bei dem unter anderem auch ihr erster Spielfilm "Mein Stern"(2001) gezeigt wird.

Hommage an Christoph Waltz

Ein anderer Schwerpunkt ist dem Schauspieler Christoph Waltz gewidmet, der seit seinem grandiosen Auftritt in Quentin Tarantinos "Inglorious Basterds" (2009) und dem mehr als verdienten Oscar zu den echten Weltstars zählt. Bekanntlich legte er in der ihm auf den Leib geschriebenen Rolle des Doc Schultz in Tarantinos Nachfolgefilm "Django Unchained" (2012) einen weiteren Academy Award nach. Waltz, der auf der Viennale persönlich erscheinen wird, wurde hierzulande lange verkannt, obwohl er selbst in durchschnittlichen Fernsehproduktionen wie "Du bist nicht allein -Die Roy Black Story" (Peter Keglevic, 1996) zu brillieren wusste. Auf der Viennale gezeigt wird auch sein Spielfilmdebüt "Kopfstand"(Ernst Josef Lauscher, 1981), ein Psychiatrie-Drama, in dem ein aufmüpfiger, aber geistig gesunder Rebell in die Fänge eines brutalen Systems gerät, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt.

Während sich das Österreichische Filmmuseum dem sowjetischen Kino widmet, stellt das Filmarchiv Austria einen vergessenen Stummfilmstar in den Mittelpunkt: Carmen Cartellieri.

Retrospektiven und "Lucky"

Während sich das Österreichische Filmmuseum heuer dem sowjetischen Kino widmet, stellt das Filmarchiv Austria in seiner Retrospektive einen heute vergessenen österreichischen Stummfilmstar in den Mittelpunkt: Carmen Cartellieri. In den 1920er-Jahren kannte jeder heimische Kinogeher ihren Namen, doch die 1891 in Mähren geborene Schauspielerin schaffte den Sprung zum Tonfilm nicht beziehungsweise versuchte diesen gar nicht erst. "Orlacs Hände" (Robert Wiene, 1925) oder "Der Rosenkavalier"(Robert Wiene, 1926), in denen sie die weibliche Hauptrolle verkörpert, gehören zu den meistrezipierten österreichischen Stummfilmen. Die Viennale bietet nun die seltene Gelegenheit, diese und andere Filme mit Cartellieri zusammen mit einem vor Ort produzierten Soundtrack zu bestaunen -ein Stummfilm mit Live-Musik ist stets ein ganz besonderes Erlebnis.

Eröffnungsfilm des Festivals ist "Lucky" von John Carroll Lynch, eine ironische Reflexion über den Tod mit Harry Dean Stanton in der Hauptrolle, der als Cowboy im Ruhestand eine der besten Darstellungen seines Lebens hinlegt. Es war der letzte Film des zur Zeit der Dreharbeiten 90-jährigen Schauspielers, der vor einem Monat verstarb. Auch im diesjährigen Abschlussfilm "La Villa" von Robert Guédiguian spielt der Tod eine zentrale Rolle: In einer Villa am Ufer einer kleinen Bucht in der Nähe von Marseille kommt eine Familie zusammen, um noch einmal den sterbenden Vater zu sehen. Was wie der Abgesang auf verflossene Jahre und auf eine gescheiterte Utopie beginnt, nimmt mit der Ankunft dreier Flüchtlingskinder eine unerwartete Wendung. Der Tod jedenfalls wirft seinen Schatten auf die Viennale 2017.

Für Hans Hurch

Der im Juli Verstorbene (o. re.) ist bei der Viennale präsent. Als Eröffnungsfilm fungiert "Lucky", dessen Hauptdarsteller Harry Dean Stanton, der vor einem Monat gleichfalls verstorben ist (li.), auch eine Christoph-Waltz-Hommage bietet das Festival (re. u.: Waltz in "Kopfstand", 1981).

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