Großes Solo für Cate Blanchett

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Cate Blanchett spielt nicht die rund 60 Autoren der Manifeste, die im Film vorkommen, sondern sie rezitiert deren Statements als heutige Person und überträgt die Appelle damit in die Gegenwart.

Auf die Definition des Begriffs "Manifest" folgt eine brennende Lunte - und bald darauf ein Feuerwerk zu Auszügen aus dem wohl berühmtesten Manifest: dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels. Visualisiert wird damit die Macht von Manifesten, die mit dem Vergangenen brechen, es sprengen und wie Feuerwerkskörper Funken am Firmament sprühen lassen. "Alles Ständische und Stehende verdampft" ist hier der zentrale Satz aus dem Werk der beiden Ahnherren des Kommunismus. Und so wird im Folgenden jede vorgestellte Kunstrichtung des 20. Jahrhunderts völlig mit dem Bestehenden brechen und zu radikal neuen Wegen aufrufen.

Bei der Konzeption des Projekts ließ sich Julian Rosefeldt von Todd Haynes' "I'm not there" beeinflussen, bei dem Bob Dylan von sechs verschiedenen Schauspielern - darunter auch Cate Blanchett -dargestellt wurde. Gemeinsam entwickelten Rosefeldt und die australische Schauspielerin das Konzept. Blanchett spielt nicht die rund 60 Autoren der Manifeste, die Rosefeldt zusammengeschnitten hat, sondern sie rezitiert deren Stellungnahmen und Forderungen als heutige Person und überträgt die Appelle damit in die Gegenwart.

Visueller Einfallsreichtum

Bald verwandelt sie sich so in einen bärtigen und versifften Obdachlosen, um den "Situationismus" zu präsentieren, bald steht sie als Brokerin an der Börse vor zahllosen Computerbildschirmen ("Futurismus") oder hängt als tätowierte Punkerin auf einer Party herum ("Kreationismus"). Damit wird Rosefeldts Grenzgang zwischen Film und Kunstprojekt zur Hommage an die zweifache Oscar-Preisträgerin und ihre phänomenale Wandlungsfähigkeit. Eine klassische Filmhandlung darf man freilich nicht erwarten.

Zusammen mit seinem Team drehte der deutsche Film-und Videokünstler im Dezember 2014 in nur elf Tagen in Berlin diese Filminstallation, die zunächst in diversen Museen gezeigt wurde. Erst später wurde aus den zwölf rund zehnminütigen Einzelfilmen, die synchronisiert in Endlosschleife auf verschiedenen Projektionsflächen in einem Raum simultan gezeigt wurden, eine kürzere lineare Filmversion hergestellt.

Einfallsreichtum beweisen Rosefeldt und sein Kameramann Christoph Krauss dabei nicht nur beim chamäleonhaften Wandel Blanchetts, sondern auch bei der visuellen Gestaltung. In grandiosen Plansequenzen gleitet die Kamera vom Himmel herab durch eine halbzerfallene Industrielandschaft, erkundet ein Forschungszentrum und taucht ein in eine Müllverbrennungsanlage. Oder sie entführt in einen Akustikraum, in dem ein schwarzer Monolith schwebt, mit dem unübersehbar Kubricks "2001" zitiert wird.

Originalität und durchaus auch Witz besitzen aber auch die einzelnen Szenen. Während Blanchett die Ideen von Kasimir Malewitsch, André Breton, Jim Jarmusch & Co. nämlich teilweise im Voice-over rezitiert, spricht sie diese Monologe in anderen Episoden wiederum direkt in ihrer Rolle. So hält sie als Witwe als Leichenrede einen flammenden Appell für den Dadaismus, spricht als biedere Hausfrau statt des Tischgebets vor ihrer Familie beim Truthahnessen eine ellenlange Rede zur Pop-Art oder bietet ihren Schützlingen als Volksschullehrerin eine Einführung in die von Lars von Trier und Thomas Vinterberg gegründete dänische Film-Bewegung Dogma 95.

Trommelfeuer an Gedanken

So anregend dieser vielfältige Appell für einen Aufbruch der Kunst, die zu einer Waffe im Kampf für eine neue und bessere Welt werden soll, aber im Einzelnen auch ist, so sehr ermüdet dieses Trommelfeuer an Gedanken zumindest den mit diesen Manifesten nicht so vertrauten Zuschauer auf Dauer. Denn unmöglich scheint es, die Ideen, die hier innerhalb von 98 Minuten auf die Zuseher hereinprasseln, auch nur annähernd verarbeiten zu können. Vieles verfliegt somit rasch wieder. Mehr haften als die Gedanken bleiben die großartige Cate Blanchett und die teils atemberaubenden Bilder dieses Films.

Manifesto D/AUS 2015. Regie: Julian Rosefeldt. Mit Cate Blanchett, Erika Bauer, Ruby Bustamante. Filmladen. 98 Min.

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