InLiebeLassen - © Constantin

„In Liebe lassen“: Das Sterben eines Muttersöhnchens

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Catherine Deneuve und Benoît Magimel spielen in Emmanuelle Bercots Drama „In Liebe lassen“ Mutter und Sohn.

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Catherine Deneuve und Benoît Magimel spielen in Emmanuelle Bercots Drama „In Liebe lassen“ Mutter und Sohn.

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Bauchspeicheldrüsenkrebs: Mit dieser Diagnose, die nach dem heutigen Stand der Medizin einem Todesurteil gleichkommt, sieht sich der 40-jährige Schauspiellehrer Benjamin (Benoît Magimel) zu Beginn von „In Liebe lassen“ konfrontiert. Der Film der französischen Regisseurin Emmanuelle Bercot („Madame empfiehlt sich“) begleitet fortan den Todgeweihten bis zum Ende.

Der Zuschauer erlebt das gesamte Spektrum dessen, was ein Mensch in dieser Lage durchlebt: den anfänglichen Zynismus, die Angst, die Verzweiflung und schließlich den Willen, den metaphorischen Schreibtisch seines Lebens aufzuräumen. Nicht unbedingt hilfreich dabei ist seine dominante, bevormundende Mutter (Catherine Deneuve), der es erst spät gelingt, ihren Sohn zunächst ins Erwachsenenleben zu entlassen, bevor sie ihn schließlich ganz gehen lassen muss.

Als ob das Sterben eines Menschen nicht Drama genug wäre, konnten es sich die Macher leider nicht verbeißen, die Handlung mit zusätzlichen dramatischen Elementen aufzupulvern. Die Liebelei zwischen Benjamin und seiner Krankenschwester (Cécile de France) wäre nicht notwendig gewesen, ebenso das Hin und Her, ob der von Benjamin verleugnete Sohn seinem sterbenden Vater am Ende nun gegenübertritt oder nicht. Ein guter Kunstgriff hingegen ist es, dass der Todkranke seine – beeindruckend guten – Schauspielschüler im Unterricht Szenen des Abschiednehmens durchspielen lässt, die sich natürlich auf seine eigene Situation umlegen lassen.

Echter Onkologe spielt Onkologen

Es gibt noch weitere Besonderheiten, die „In Liebe lassen“ von vergleichbaren Filmen abheben: Auch die Gefühle der Ärzte und Pfleger sowie deren Umgang mit dem sie umgebenden Sterben nehmen breiten Raum ein. Der behandelnde Arzt wird vom echten Onkologen Gabriel A. Sara verkörpert, der als schauspielerischer Laie neben Größen des französischen Kinos bravourös besteht. Empathisch, aufrichtig und immer für einen da: Einen solchen Arzt würde sich wohl jeder Krebspatient wünschen.

In diesem Punkt freilich hat sich „In Liebe lassen“ weit von der Realität entfernt. Personalknappheit und Zeitdruck, bereits vor Corona ein massives Problem in Krankenhäusern weltweit, scheinen in diesem Film nicht zu existieren. Das Ausmaß der Zuwendung, die Benjamin seitens des medizinischen Teams zuteilwird, ist in einer öffentlichen Einrichtung leider eine Utopie.

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