liebe war es nie  - © Filmladen

"Liebe war es nie": Eine Geschichte, die die Schoa schrieb

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Die israelische Dokumentarfilmerin Maya Sarfati erzählt in "Liebe war es nie" von einer absurden Liaison im Todesort der Todesorte.

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Die israelische Dokumentarfilmerin Maya Sarfati erzählt in "Liebe war es nie" von einer absurden Liaison im Todesort der Todesorte.

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In der Erinnerung an die Schoa gibt es unzählige Geschichten zu erzählen, die auch einer tragikomischen Note nicht entbehren, aber die gleichzeitig klarmachen, dass sich die Tragikomik im Nu in schrecklichstes Leid wendete. Und doch sind es Schicksale von Überlebenden, die kaum glaublich erscheinen.

Die Liaison, oder wie immer man diese biografische Episode im Leben der Helena Citron bezeichnen mag, fand am Todesort der Todesorte, in Auschwitz-Birkenau, und dort zwischen einer KZ-Insassin und einem ihrer Schergen, dem Wiener Franz Wunsch, statt. Helena, eine slowakische Jüdin, war unter den ersten 1000 Frauen, die nach Auschwitz
deportiert worden waren. Im Lager verliebte sich der SS-Mann Franz Wunsch in sie (und sie sich in ihn).

Wunsch war als brutaler Aufseher bekannt, aber „seiner“ Helena und ihren Mitgefangenen half er. Als Helenas Schwester Rosa mit ihren kleinen Kindern an der Selektionsrampe stand, rettete sie Wunsch – ihre Kinder wurden aber ins Gas geschickt – ein unvorstellbares Schicksal. Bis zur Befreiung von Auschwitz im Jänner 1945 hielt die für beide Teile äußerst gefährliche Liaison – Helena und Rosa Citron schafften es ins noch nicht unabhängige Israel.

Über Helena hing in ihrer neuen Heimat das Damoklesschwert des Kollaborationsvorwurfs, Franz Wunsch lebte in Wien – und wurde in den 1970er Jahren in Wien als einer der letzten Ausch­witzaufseher vor Gericht gestellt: Helena Citron sollte nach 30 Jahren für ihn aussagen – ein schwieriges Unterfangen, denn in Israel verstanden viele die Aussage für den Schergen als Verrat an den Opfern der NS-Verbrechen. Helena, die nun Zipora Tahori hieß, fuhr aber nach Wien …

Helena und Rosa Citron sowie Franz Wunsch sind in den 2000er Jahren verstorben. Es gibt aber Film- und TV-Aufnahmen der beiden Schwes­tern in Israel sowie Amateuraufnahmen mit Franz Wunsch aus dem Jahr 2003. Die israelische Dokumentarfilmerin Maya Sarfaty nimmt diese Geschichte in einer beklemmenden Nacherzählung zum Ausgangspunkt ihres Films „Liebe war es nie“.

Neben den Filmaufnahmen montiert sie Standbilder und Fotos aus Auschwitz-Birkenau und den späteren Leben in Israel oder Wien sowie Interviews mit KZ-Genossinnen von Helena und Rosa sowie der Tochter von Franz Wunsch in Wien zu einem leisen, eindringlichen Erzählen über kaum vorstellbare Windungen des Schicksals, mit dem diese Überlebenden bis zu ihrem Tod fertig werden mussten.

Auch in der Schoa gibt es kein Schwarz und Weiß, und die Unvorstellbarkeit jener Tage wird vorstellbar anhand der einzelnen Leben.
Begreifbar kann das alles dennoch nicht sein. 75 Jahre nach der Befreiung immer noch nicht. Auch Maya Sarfaty bleibt nichts als Erzählen. Und sie tut es mit diesem Film. Gott sei Dank.

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