Macht der Zivilgesellschaft

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Mit aller Macht wollte der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß Anfang der 1980er Jahre den Bau einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage im oberpfälzischen Wackersdorf durchdrücken. Auch dem sozialdemokratischen Landrat Hans Schuierer (Johannes Zeiler) gefiel dieser Plan zunächst, wurden doch viele Arbeitsplätze und eine saubere Industrie für diese Region versprochen, aus der nach Schließung der Braunkohlebergwerke viele abwanderten.

Für junge Aktivisten, die gegen den Bau demonstrierten, hatte Schuierer zunächst kein Verständnis, doch als er sah, wie sich die bayerische Regierung über jede Rechtsstaatlichkeit hinwegsetzte, begann er selbst zum Thema Atomkraft zu recherchieren. Zunehmend wandelte er sich so und begann nicht nur die Bürgerbewegung zu unterstützen und das Projekt entschlossen zu bekämpfen, sondern auch Franz-Josef Strauß scharf zu kritisieren.

Packendes Politkino

Oliver Haffner setzt in "Wackersdorf" nicht nur diesem Politiker mit Rückgrat, dem das Wohl seiner Bürger wirklich am Herzen lag, ein Denkmal, sondern verdichtet die jahrelange Entwicklung, die auch zu Brüchen innerhalb der betroffenen Gemeinden und sogar von Familien führte, auch souverän auf einen zweistündigen Spielfilm.

Bruchlos gleitet die Erzählung dahin, kommt ohne Zeitinserts aus und gleitet nie ins Episodische ab.

Geschickt beglaubigt Haffner auch seinen Film durch eingeschobenes Archivmaterial und dokumentiert darin auch eindrücklich, wie sich die Auseinandersetzungen zwischen Zivilgesellschaft und Polizei sukzessive verschärften.

Konsequent auf der politischen Geschichte, die sich freilich unweigerlich auf das private Leben auswirkt, fokussiert der 44-jährige Regisseur, der die britischen Sozialrealisten Ken Loach und Mike Leigh als Vorbilder nennt. Er schafft mit dem von Johannes Zeiler großartig gespielten Schuierer eine starke Identifikationsfigur und bietet kompakt erzähltes und durch den Dreh an Originalschauplätzen, die sorgfältige Ausstattung und die im Oberpfälzer Dialekt gehaltenen Dialoge atmosphärisch dichtes, packendes Kino, das weit über die historische Aufarbeitung hinaus, zeitlose Themen verhandelt.

Sozialrealismus nach Ken-Loach-Vorbild

Mitreißend beschwört der auch in den Nebenrollen trefflich besetzte Film nämlich die Bedeutung und die Macht der Zivilgesellschaft, die sich gegen die Staatsmacht schließlich durchsetzt und den Bau der Anlage stoppen kann.

Nur im Nachspann wird das freilich mitgeteilt, der Film endet mit TV-Nachrichten vom Reaktorunglück in Tschernobyl und dessen Folgen für Deutschland. Erst danach informieren Inserts über die Einstellung des Baus von Wackersdorf im Jahre 1989 und das Faktum, dass dieses unvollendete Projekt rund zehn Milliarden D-Mark verschlungen hat, sowie den Umstand, dass die Lex Schuierer, mit der die bayerische Regierung das Mitbestimmungsrecht des Landrats aushebelte, bis heute in Kraft ist.

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