mehr-denn-je - still - © Foto: Polyfilm

„Mehr denn je“: Kompromisslose Entscheidung

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Autorin Heidi Strobel über den Film „Mehr denn je“ von Regisseurin Emily Atef.

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Autorin Heidi Strobel über den Film „Mehr denn je“ von Regisseurin Emily Atef.

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Die 33-jährige Hélène leidet an einer tödlichen Lungenfibrose. Alle erwarten, dass sie sich an die Etikette hält und die einmalige Chance einer Lungentransplantation ergreift. Doch die junge Frau vollzieht einen radikalen Schnitt. Sie zieht sich an einen norwegischen Fjord zurück und quartiert sich im Bootshaus eines älteren, selbst kranken Mannes ein, den sie über dessen Blog kennengelernt hat. Als sie dortbleiben will, reist ihr der Ehemann nach. Mit kühl-klarem Blick erzählt Emily Atef in „Mehr denn je“ von einer jungen Frau, die sich selbst nicht mehr spürt. Dafür greift sie den Naturdiskurs der Moderne auf. Es ist das Leben in der Stadt, das Hélène von sich selbst entfremdet. Auch im engsten Freundeskreis maskiert man sich, putscht sich mit Drogen auf oder betäubt sich, versetzt sich in Trance. Und bleibt dadurch einsam. Das Grau des einengenden Alltags zeigt sich in der Wahl weißer und dunkler Farben, in stark gerahmten Ansichten, in Großaufnahmen. Indem sich Hélène (Vicky Krieps in einer Glanzrolle) nun mit der Natur verbindet, wird sie ihrer Leiblichkeit gewahr. Die Natur wird jedoch keinesfalls verklärt. Das nördliche Licht lässt Hélène nicht schlafen, sie springt in den lichtblauen, aber eiskalten Meeresarm oder macht einen strapaziösen Spaziergang. Gleichwohl sie dann keine Luft mehr bekommt, erfährt sie– ihr Atem beruhigt sich von selbst. Sie lernt, sich der eigenen Natur zu überlassen, und kann so frei wählen. Atefs existenzielle Entwicklungs- und Liebesgeschichte weicht einer kompromisslosen Entscheidung, die dem Ehemann egoistisch anmutet, nicht aus. Das mag nicht jedem behagen.

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