
„Mein Satz“: Handke filmt Handke
Tochter Amina bringt Peter Handkes Theaterstück „Kaspar“ aus dem Jahr 1968 in eine aktuelle filmische Form.
Tochter Amina bringt Peter Handkes Theaterstück „Kaspar“ aus dem Jahr 1968 in eine aktuelle filmische Form.
Ausgerechnet auf dem Weg zu den Proben zum (1968 von Claus Peymann uraufgeführten) Theaterstück „Kaspar“ von Peter Handke verliert die Schauspielerin Libgart Schwarz ihre Fähigkeit, kohärent zu sprechen, vermag teilweise überhaupt nichts mehr zu sagen. Überhaupt nicht zufällig ist Schwarz die Mutter der Regisseurin Amina Handke, die mit ihrem neuen Film „Mein Satz“ das Theaterstück ihres Vaters in eine filmische Form bringt, die dem geschriebenen wie gesprochenen Wort – man darf sagen, der Sprache als Instrument allgemein – Bedeutungsebenen hinzufügt und an anderer Stelle entreißt, dass es eine wahre anarchistische Freude ist.
Tochter über Vater mit Mutter
Er hätte sein Stück auch „Sprechfolterung“ nennen können, merkte Peter Handke im Vorwort des Stücks an. Sprache wird dort nicht als Mittel zur Weltaneignung, für Kommunikation und Ausdruck eigener Gedanken gezeigt, sondern als Herrschaftsinstrument und disziplinierende Struktur. Damals freilich auch ein Stück im Sinne der Studentenbewegung.
Was in „Mein Satz“ zuerst als Sprach-„Verlust“ wirken mag, hat allmählich den Anschein einer gewählten, bewusst radikalen, ironisch-surrealen Verweigerung, einer Revolte gar, mit der Schwarz (und nicht zuletzt auch die Regisseurin selbst) sich von einer „Vater“-Sprache emanzipieren und sich das (Sprach-)System (auch: als ältere Frauen) neu aneignen will. Amina Handke findet pointierte filmische Entsprechungen, arrangiert Szenen geradezu „antinarrativ“ und baut Sequenzen der Verwirrung, in denen der Protagonistin immer wieder nahegelegt wird, nach Orientierung, sprich: Sprache, zu suchen, und Regeln propagiert werden, ohne die sie nicht leben könne/n sollte.
„Ich möcht ein solcher werden, wie einmal ein andrer gewesen ist“, übt Schwarz stur den ersten Satz des Stücks immer wieder laut und unterschiedlich betont. Es entsteht eine Art Echoraum dieser innerfamiliären Metafiktion, der nach dem Eigenen fragt, der eigenen Identität, dem eigenen Sinn (gar Zweck?), dem eigenen Satz. Den zu formulieren, ist womöglich für ein Leben genug.