mutzenbacher. - © Mutzenbacher

„Mutzenbacher“: Verben für den Geschlechtsakt

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In ihrem neuen Film gelingt Ruth Beckermann eine nachgerade grandiose Relecture des Fin-de-Siècle-Pornoklassikers aus dem Jahr 1906.

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In ihrem neuen Film gelingt Ruth Beckermann eine nachgerade grandiose Relecture des Fin-de-Siècle-Pornoklassikers aus dem Jahr 1906.

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Bei der Arthouse-Schiene der Berlinale – „Encounters“ – wurde Ruth Beckermanns „Mutzenbacher“ heuer als Bester Film prämiert. Und bei der soeben zu Ende gegangenen Viennale zählte die Österreich-Premiere des Films zu den Höhepunkten des Festivals: Einmal mehr ist es dieser heimischen Grande Dame der Kunstgattung Dokumentarfilm gelungen, mit einem ungewöhnlichen Zugang die Filmwelt zu überraschen und gleichzeitig einem literarischen Schmuddelkind ein grandioses Denkmal zu setzen.

Schon 116 Jahre sind vergangen, seit in Wien unter den Ladentischen der pornografische Roman „Josefine Mutzenbacher oder Die Geschichte einer Wienerischen Dirne“ zu bekommen war. Eine literarische Fantasie des Fin de Siècle, die rund um die 1968er wieder in den Blick gekommen war und selbst in einer sexuell völlig permissiven Gegenwart noch ob ihrer Explizität aufhorchen lässt.

Attribute für die Mannsbilder

In der Cyberwelt, die, was das Sexuelle betrifft, wirklich alles und jedes darstellt und zur Sprache bringt, ist allenfalls die politische Unkorrektheit, dass die beschriebenen Sexualträume sich an Minderjährigen manifestieren, wirklich moralisch anrüchig. Aber Beckermann lässt sich in ihrer Arbeit erst gar nicht auf diese Unbill ein, sondern erklärt das Ganze eben zur literarischen (und somit zulässigen) Fiktion und spielt mit der Sprache und den Träumen dahinter auf eine geradezu virtuose Weise.

Ruth Beckermann hat zunächst per Annonce Männer gesucht und 100 davon Texte aus der „Mutzenbacher“ vorlesen lassen, sie dann dazu zum Erzählen gebracht und auch performen lassen – schließlich sogar in der Hundertschaft, die die Verben für den Geschlechtsakt in geradezu Ernst Jandl’scher Manier zu Gehör bringt. Auf diese Weise gelingt es der Filmemacherin, Sprache, Duktus und Inhalt auf eine ganz und gar nicht peinliche, sondern im Wortsinn Kunst-gerechte Façon zum Leben zu erwecken.

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