Vom Gießen des Zitronenbaums - © Polyfilm

Palästina ist überall

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Walter Gasperi über den Film "Vom Gießen des Zitronenbaums" von Elia Suleiman.

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Walter Gasperi über den Film "Vom Gießen des Zitronenbaums" von Elia Suleiman.

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Im Jahr 2001 gelang dem Palästinenser Elia Suleiman mit „Göttliche Intervention“ der Durchbruch, 2009 folgte „The Time That Remains“, nun meldet er sich mit „Vom Gießen des Zitronenbaums“ zurück. Immer führt Suleiman dabei nicht nur Regie, sondern spielt auch als Hauptdarsteller sich selbst.

War in den bisherigen Filmen Palästina das zentrale Thema des 60-Jährigen, so bricht er nun von seiner Heimatstadt Nazareth, in der Schlägerbanden durch die Straßen ziehen und Nachbarn sich in seinem Obstgarten bedienen, auf, um in der freien Welt eine neue Heimat zu finden. Klassische, auf einen Höhepunkt ausgerichtete Dramaturgie darf man von Suleiman nicht erwarten. Er reiht vielmehr in stark elliptischer Erzählweise einzelne Szenen aneinander, die einzig durch seine Person zusammengehalten werden. Kein Akteur ist er dabei, sondern stummer, stoischer Beobachter. In der Nachfolge von Buster Keaton steht er mit seinem versteinerten Gesicht, knüpft in der Arbeit mit meist statischen Einstellungen und der daraus resultierenden stoischen Erzählweise aber auch an die Filme Jacques Tatis an. Dem Kamerablick auf diesen Reisenden steht immer wieder sein Blick auf die Welt gegenüber.

Von Paris nach New York führt dabei sein Weg. Nicht sattsehen kann er sich in Paris an modischen Frauen mit kurzen Röcken, entdeckt aber bald auch Obdachlose, afrikanisches Reinigungspersonal und Müllmänner. Entpuppen sich die durch die Seine-Metropole ratternden Panzer noch als Teil einer Parade zum Nationalfeiertag, so wirken in New York der Waffenwahn und der Großeinsatz der Polizei gegen eine Frau, die für ein freies Palästina demonstriert, ebenso real wie beunruhigend.

Suleiman deckt in der Szenenfolge mit trocken-distanziertem Blick die Absurditäten der westlichen Welt auf und macht sichtbar, dass der Himmel auf Erden nicht zu finden ist. Erst über die Fremde findet er zu seiner Heimat zurück. Wenn er in der Schlusseinstellung an einer Bar-Theke sitzt und Menschen beim Tanzen sieht, kann dies als Aufforderung gelesen werden, das Leben zu genießen und nicht zu viel darüber nachzudenken.

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