Porträt eines Abgründigen

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Yılmaz Güney hat seine Filme 'für das Volk' gemacht, nicht für Eliten, und vor allem das Machen schien ihn zu definieren. Man ist immer 'frei' zu handeln, selbst wenn man eingesperrt ist.

Warum willst du das als Film erzählen?", fragt Michael Haneke seinen Schüler Hüseyin Tabak in einer frühen Szene der Dokumentation "Die Legende vom hässlichen König". Diese Frage ist wichtig und richtig, und Tabak beantwortet sie mit einem sehr überlegten und interessanten Biopic, das innerhalb seiner Genre-Konventionen so herkömmlich gar nicht ist. Es geht um das Leben von Yılmaz Güney, wie Tabak türkischer Kurde und Regisseur. Außerdem ein Produzent, Schauspieler, politischer Aktivist, im türkischen Regime ein "kommunistischer Agitator", ein Häftling. Güney verstarb 1984, zwei Jahre nachdem er für seinen bekanntesten Film "Yol" in Cannes -ex aequo mit Costa-Gavras - die Goldene Palme erhalten hatte. Güney hatte "Yol" aus dem Gefängnis heraus geschrieben und produziert, so wie er auch andere Filme davor aus der Zelle gestaltet hatte. Damals saß er ein, weil er bei einem zweifelhaft vollzogenen Prozess einen rechtsextremen Richter erschossen hatte.

Güney sei der Grund, warum er selbst Regisseur geworden ist, erfahren wir von Tabak, der sich in seinem Film manchmal am Rande selbst einbringt, wie er bei Interviews sensibel nachhakt und wie er die Materialfülle bewältigt, die sich in seiner Recherche auftut. Wie akribisch er plant, sein Idol nicht blindlings zu bestätigen. Er verwebt diverses Archivmaterial über Güney und aus dessen Filmen mit Interview-Sequenzen seiner Wegbegleiter, seiner Familie, seiner Ex-Frauen zu einem facettenreichen Porträt eines Mannes, den man -den Tabak selbst - nicht vollends zu ergründen vermag.

In einem Regime der Zensur

Ein talentierter Regisseur war Güney offensichtlich, ein begabter Schauspieler auch. Aber war er Genie oder doch ein Wahnsinniger? Aufnahmen von Güney auf seinen Filmsets zeigen ihn, wie er einen kleinen Jungen ohrfeigt, damit dieser in der gewünschten Szene weint. Er entschuldigt sich danach bei ihm so wie bei seiner ersten Ex-Frau, die er nach einem Streit mit dem Auto angefahren hatte und ihr dabei das Schlüsselbein brach: "Ich hatte nicht wirklich die Absicht, dir weh zu tun." Anhand von Erfahrungen wie diesen muss Tabak im Zuge seiner Annäherung feststellen, dass der Heldenstatus, der Güney durch seine aktivistischen Aktionen als kurdischer Künstler-Revolutionär zugeschrieben wurde, brüchig ist, dass da ein Spalt klafft zwischen dem zur Kunstfigur stilisierten Mann und dem rücksichtslosen, cholerischen Menschen. Man kann erahnen, wie zerrissen Güney war zwischen Tatendrang und Limitationen, in einem Regime der Zensur, im Gefängnis, schließlich im Exil.

Worum es Tabak aber in erster Linie geht, ist zu zeigen, dass man als Filmemacher eine nicht kompromittierbare Haltung haben kann. Das mag viel kosten, finanzielle Einbußen sowieso, aber auch Anstrengung, Beziehungen, Frustration, physische Freiheit. Güney hat seine Filme "für das Volk" gemacht, nicht für Eliten, und vor allem das Machen schien ihn zu definieren. Man ist immer "frei" zu handeln, selbst wenn man eingesperrt ist. Ein Paradoxon, das gilt.

Die Legende vom hässlichen König A/D 2017. Regie: Hüseyin Tabak. Mit Yılmaz Güney, Michael Haneke, Costa-Gavras. Filmladen. 122 Min.

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