Rund um den Staat Israel dokumentiert

Werbung
Werbung
Werbung

"Nun könnte man sagen: Ein Film muss nicht politisch sein. Doch das ist jeder Film -wie jede Kunst, wie jeder Mensch, der Filme, Kunst macht. Der den Mund aufmacht. Oder nicht aufmacht."

Allein angesichts der aktuellen politischen Situation in Österreich wäre es gerechtfertigt, Filme ähnlich Simon Wielands Dokumentarfilm "Unser Kampf" jeden Tag im Kino zu zeigen. Gegen die Verharmlosung, gegen das Vergessen. Er begleitet -in einer lose versetzten Anordnung genretypischer Interviews und Alltagsaufnahmen - eine jüdische Familie in drei Generationen. Hauptfigur ist die sympathische Fritzi Rosenstock: 1930 in Wien-Leopoldstadt geboren, fand sie nach einer Odyssee durch Jugoslawien und einem Aufenthalt im KZ Kampor schließlich als Mira Kurz eine Heimat im neu gegründeten Israel.

Es ist Wieland nicht zu verdenken, von der Geschichte dieser Familie eingenommen zu sein. Doch ein Film spricht nicht nur über die Zeit, von der er erzählt, er interagiert unweigerlich auch mit der Zeit, in der er gemacht wurde beziehungsweise gesehen wird.

Unter diesem Aspekt gerät "Unser Kampf" beinahe zur nostalgischen Glorifizierung automatisierter Verteidigungspositionen, insbesondere den Israel-Palästina-Konflikt betreffend. Gerade weil der Film Kriege, Flucht, Unterdrückung und Rassismus thematisiert, ist das eine Schieflage, die dem wichtigen differenzierten Diskurs abträglich ist.

Nun könnte man sagen: Ein Film muss nicht politisch sein. Doch das ist jeder Film - wie jede Kunst, wie jeder Mensch, der Filme, Kunst macht. Der den Mund aufmacht. Oder nicht aufmacht.

An einer Stelle in Fernando Romero Forsthubers Dokumentarfilm "Namrud" zum Beispiel antwortet eine Musikerin in einer israelischen Fernseh-Talkshow, auch sie hätte "Politisches" zu sagen, aber sie schweige lieber, weil die Gesellschaft dafür noch nicht bereit wäre. Eine deprimierende Haltung und eine pointierte Zusammenfassung des - wörtlichen -State of the art.

Der Störenfried

Neben ihr sitzt Jowan Safadi, der Protagonist des Films und titelgebender "Namrud", also "Störenfried". Jowan ist israelischer Palästinenser, lebt in Haifa, ist Musiker und Aktivist. Seine Lieder sind locker humorig vertont, doch die Texte sind sozialkritisch, hochpolitisch und bewusst provokant, und er richtet sie an beziehungsweise gegen jede Art von Publikum. Von der israelischen Polizei wurde Jowan wegen "Anstiftung zum Terrorismus" angeklagt, in Jordanien landete er wegen "Blasphemie" im Gefängnis.

Forsthuber zeigt Jowans Alltag an neuralgischen Punkten: Sein 15-jähriger Sohn Don ist aus den USA zu ihm gezogen. Eine liebevolle Beziehung, aber Don steckt tief in der Identitätsfindung, ist permanent verärgert und gleichzeitig sehr geborgenheitsbedürftig. In gelassenem visuellen wie dramaturgischen Rhythmus kann Forsthuber beiden näherkommen und starke Momente erzeugen. Als Mitglieder der "neuen Generation" sind Don und Jowan seit jeher mit dem politischen Konflikt konfrontiert; als Araber sind sie in Israel täglichen Rassismen ausgesetzt. Forsthuber macht die "palästinensische Position" aber nicht zum zentralen Thema. Ihn interessiert, wie man integer sein kann, als Mensch und als Künstler, und wie man durch persönliches Engagement Denkweisen verändern kann. Darf. Soll. Muss. Ohne dabei zu vergessen.

Unser Kampf A 2016. Regie: Simon Wieland. Filmdelights. 90 Min.

Namrud (Namrud: Troublemaker) A 2017. Regie: Fernando Romero Forsthuber. Filmdelights. 95 Min.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung