schaechten - still - © Foto: Filmladen

„Schächten“: Selbstjustiz wider Unrecht

19451960198020002020

„Schächten“: Regisseur und Autor Thomas Roth erzählt in seinem fiktiven Film von den Wirrungen des jungen Schoa-Überlebenden Victor Dessauer im Wien der 1968er Jahre.

19451960198020002020

„Schächten“: Regisseur und Autor Thomas Roth erzählt in seinem fiktiven Film von den Wirrungen des jungen Schoa-Überlebenden Victor Dessauer im Wien der 1968er Jahre.

Werbung
Werbung
Werbung

Victor (Jeff Wilbusch) ist Nachfahre von Schoa-Opfern, sein Vater Paul Dessauer (Michael Abendroth), ein Wiener Textilhändler, hat als einziger mit seinem Sohn die Vernichtung überlebt. Als der Filius im Österreich der 1968er Jahre draufkommt, dass der gefürchtete SS-Mann und KZ-Aufseher Kurt Gogl (Paulus Manker) unbehelligt im Salzkammergut als Volksschuldirektor lebt, ohne belangt worden zu sein, setzt er Nazi-Jäger Simon Wiesenthal (Christian Berkel) auf den NS-Täter an, um ihn vor Gericht zu bringen. Doch der wird freigesprochen. Obwohl Wiesenthal Victor zu überzeugen sucht, dass man trotz aller Rückschläge eisern versuchen muss, durch das Recht Gerechtigkeit zu erlangen, kann und will Victor nicht darauf warten – und beginnt, ebendieses Recht selbst in die Hand und auch die Hilfe vom jüdischen Untergrundaktivisten Werner Kohlmeier (Georg Friedrich) in Anspruch zu nehmen. Thomas Roths fiktiver Spielfilm „Schächten“ erinnert in der Ausgangslage sehr an den Fall Murer: Der „Schlächter von Wilna“ war 1963 in einem aufsehenerregenden Geschworenenprozess in Graz freigesprochen worden – trotz erdrückender Beweislast; das Verfahren gilt als einer der dunkelsten Momente der österreichischen Nachkriegsjustizgeschichte. 2018 arbeitete Regisseur Georg Frosch dieses Drama in einem exzeptionellen Gerichtssaalfilm auf. In „Schächten“ hält sich Filmemacher Roth mit derartigem Justizversagen nur wenig auf. Es geht hier darum, ob dem Unrecht durch Selbstjustiz beizukommen ist – eine fiktive Kriminalgeschichte mit einem bitteren realen Hintergrund. Neben den eindrücklichen schauspielerischen Leistungen von Jeff Wilbusch und Paulus Manker brillieren auch Miriam Fussenegger als Victors Gefährtin Anna, die zwischen ihrer katholischen Familie und dem jüdischen Heißsporn hin und hergerissen wird, und Julia Stemberger, als Gogls Frau Hermine. „Schächten“ treibt einmal mehr die Frage um, wie anno 2022 die Schoa „filmgerecht“ thematisiert werden kann. Thomas Roths diesbezüglicher Versuch kann als legitim verstanden werden.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung